Konzertbericht: Masters of Rock Antenne 2012

2012-10-06 Augsburg, Schwabenhalle

Zum vierten Mal lud der Augsburger Radiosender Rock Antenne zu seinem hauseigenen Festival in das Schwabenland. Dabei feierten mit Eisbrecher und Doro gleich zwei Acts ihr umjubeltes Comeback in der Schwabenhalle. Ansonsten glänzte das bunt gemischte Programm vor allem durch Vielfalt und Abwechslungsreichtum.

Und mit den Lokalmatadoren von KISSIN‘ DYNAMITE hatten die Veranstalter den richtigen Opener als Anheizer gefunden. „Money, Sex & Power“ heißt nicht nur das neueste Album der Süddeutschen, sondern könnte auch stellvertretend für den Auftritt der Newcomer stehen. Auf Quotenballaden und ruhige Momente wurde völlig verzichtet, statt dessen stand bei Songs wie „Love Me, Hate Me“ oder „Addicted To Metal“ der Glam Rock mit einer gehörigen Portion Metal im Vordergrund. Dieser wurde nicht nur eingängig vertont, sondern auch perfekt inszeniert, so dass das bereits anwesende Festivalpublikum schnell auf Touren kam. Zu „I Will Be King“ betrat Sänger Johannes schließlich nicht nur wie gewohnt mit Zepter, sondern auch mit einer Robe die Bühne, um anschließend kräftig loszurocken. Man spürte deutlich, dass das Quintett auf seiner ersten eigenen Headlinertour im Frühjahr 2012 und als Support von Bands wie U.D.O. und J.B.O. eine Menge gelernt hat. Und so hatte das Masters of Rock Antenne 2012 bereits wie im Vorjahr mit A Life [Divided] sehr früh sein erstes rockiges Ausrufezeichen gesetzt.

01.Sleaze Deluxe
02.Sex Is War
03.Addicted To Metal
04.Love Me, Hate Me
05.Supersonic Killer
06.I Will Be King
07.Operation Supernova
08.Hysteria
09.Money, Sex & Power

Was nun folgte könnte man euphemistisch als experimentell bezeichnen. Stefan Dettl dürften die meisten als Frontmann der Blasmusiker LaBrassBanda kennen, besonders im süddeutschen Raum. Mit seinem Soloprojekt STEFAN DETTL UND BAND widmet sich der Musiker eher rockigen Klängen im Bläserkontext. Kurzum: Bayerische Rockmusik, wie der Blondschopf selbst mehrfach betonte. Dieser Experiment erwies sich live in Augsburg als zweifelhafter Genuss, klang das Ergebnis an diesem Abend alles andere als überzeugend und mehr wie eine wirre Mischung unterschiedlichster Musikstile und Instrumente, die so gar nicht zueinander passen wollten. Dazu hüpfte Dettl hektisch und nervös über die Bühne, sang und sprang barfuß wild in der Gegend umher, sprach in unverständlichstem bayerischem Kauderwelsch über die Unterschiede von Poppern und Rockern – und zelebrierte am Ende den „Summer Of Love“. So entstand eine höchst eigenwillige und gewöhnungsbedürftige Mischung aus den beiden Alben „Rockstar“ und „Summer Of Love“, die mehrheitlich nicht wirklich auf Anklang stieß. Zu konfus und unstrukturiert wirkte das bayerische Gebräu aus Nirvana, The Police und den Foo Fighters, genau wie die Ansagen von Dettl, der selbst für eingefleischte Bayern nur schwerlich zu verstehen war. Lediglich wenn die einzelnen Musiker wie Trompeter Jörg Hartl ihre Soloparts spielten, spürte man das eigentlich vorhandene Talent auf der Bühne. Belohnt wurde dessen Einsatz übrigens mit einem Bussi aufs Bauchi durch den Sänger höchst selbst. Ein Ereignis, welches den Gesamteindruck bestärkte. Auf dem Masters of Rock Antenne wirkten STEFAN DETTL UND BAND letztlich deplatziert.

Ein ähnliches Schicksal drohte rein vom Papier her den BROILERS, die als dritte Band wiederum eine gänzlich andere Gangart anschlugen: Doch die Düsseldorfer verstanden es, ihre Punk-Attitüde mit Melodik in Form von Ska und Rockabilly zu kombinieren – und überzeugten so selbst diejenigen Festivalbesucher, die ohne Iro und Nietenarmbänder angereist waren. „Santa Muerte“ heißt das neueste Studiowerk in der rund 18-jährigen Vita der Szeneveteranen. Und wie es das überdimensionale Banner bereits nahelegte, stand eben jenes Album im Zentrum des Auftritts. Natürlich durften in der Songauswahl die beiden Singles „Harter Weg“ und „Wie weit würdet ihr gehen“ nicht fehlen. Und das Augsburger Publikum feierte mit den Musikern, die vielleicht nicht die größten Virtuosen an ihren Instrumenten sind, aber dies durch ihren Einsatz problemlos kompensieren konnten. Zu den neueren Kompositionen mischten Sänger Sammy und Co. noch einige ältere Hits sowie ein Coverversion von Bruce Springsteens „No Surrender“. Als sich im Laufe des Auftritts zum ersten und einzigen Mal an diesem Tag ein kleiner Mosh Pit bildete, griff die Security ein und sorgte innerhalb kurzer Zeit wieder für Ruhe. Schade drum, gelang es den BROILERS mit ihrem Punkrock unterschiedlichster Couleur doch als erster Band, für ordentlich Bewegung im vorderen Drittel der Halle zu sorgen. Für manche war das scheinbar zu viel des Guten. Die Musik auf der Bühne blieb davon Gott sei Dank unverschont und so konnte die Kapelle mit dem sympathischen Mafia-Image weiterhin Gas geben. Nur die etwas statische Bühnenshow unter beinahe totaler Ignoranz des Stegs passte nicht so ganz zum partytauglichen Rest. Profitierten die BROILERS rund um ihre Heimat NRW enorm von ihrer Verbindung zu den Toten Hosen, so dürften im Süden der Republik Auftritte wie dieser mehr als ausreichen, um für ordentlich Aufmerksamkeit zu sorgen. Verdient hätten es die Jungs und Augenschmaus Ines Smentkowski am E-Bass in jedem Fall.

48 Jahre und nur ein bisschen leise: Das könnte die Kurzzusammenfassung für den energiegeladenen Auftritt von Powerfrau DORO PESCH sein – vereinzelt abgerundet durch ruhige Perlen wie „Für immer“. Trotz (oder vielleicht auch wegen?) ihres Alters braucht die Szeneikone mit ihrer Stimme keinen Vergleich zu scheuen. Zwar mag ihr Organ kein „Children Of The Night“ mehr hergeben wie vor 20 Jahren, doch für imposante Rockballaden wie „I Rule The Ruins“ oder „All We Are“ reichte es immer noch dicke. Dazu war Doro viel, oft und scheinbar auch gerne überall auf den Brettern unterwegs und sprühte vor guter Laune. Ab und an war dies beinahe zu viel des Guten, doch wirkte ihr Lächeln nie übertrieben affektiert oder erzwungen. Nach all den Jahren scheint sie immer noch für ihre eigene Musik zu brennen und kniete sich wahlweise mit dem nötigen Gefühl oder der erforderlichen Energie in die einzelnen Lieder. Entsprechend übertrug sich der Spaß auf der Bühne auch in die Menge und die Schwabenhalle erreichte einen der größten Stimmungshöhepunkte des Tages, als lauthals aus fast allen Kehlen „All we are – we are all“ gesungen wurde. Mit „Raise Your Fist“ präsentierte DORO PESCH darüber hinaus einen Vorgeschmack auf ihr im Oktober erscheinendes neues Album mit dem gleichen Titel. Etwaige Neuerungen waren nicht zu erwarten und so setzten die neuen Lieder genau da an, wo „Fear No Evil“ vor vier Jahren und viele Vorgängeralben zuvor aufhörten. Gemessen an der Augsburger Show bei ihrem Masters of Rock Antenne-Comeback nach dreijähriger Abstinenz wäre alles andere auch weder nötig noch erforderlich. Doro verkörpert mit Stimmgewalt immer noch eine Leidenschaft, von der sich andere Diven eine Portion abschneiden könnten. Und ihre Klassiker verkörpern auch nach vielen Jahren noch eine musikalische Zeitlosigkeit, wie man sie vor allem in diesem Genre kaum mehr findet.

01. Earthshaker Rock
02. I Rule The Ruins
03. Running From The Devil
04. Burning The Witches
05. Burn It Up
06. Für Immer
07. Raise Your Fist
08. Breaking The Law
09. All We Are
10. Metal Racer

„Auf kalt“ hieß es 2010, als EISBRECHER zum letzten Mal die Wände der Schwabenhalle im Rahmen des Masters of Rock Antenne zum Wackeln brachten. Und Alex Wesselsky und seine Mannen hielten Wort. Bereits zwei Jahre und ein Album später kehrten sie zu ihrem Festivalheimspiel zurück, dieses Mal mit ihrem neuen Erfolgsalbum „Die Hölle muss warten“. Die stärksten Rockstücke aus eben jenem Werk wie z.B. „Prototyp“ ergaben im Zusammenspiel mit Klassikern wie „Willkommen im Nichts“, „Amok“ und „This Is Deutsch“ eine sehr überzeugende Setliste, die lediglich unter der etwas mageren Akustik litt. Darüber hinaus entpuppte sich Kapitän Alex zwar als waschechter Rosenkavalier, hatte aber gesanglich schon bessere Tage gesehen. Ob es daran lag, dass nach eigener Aussage des glatzköpfigen Sängers zum ersten Mal seine Mama bei einem EISBRECHER-Konzert anwesend war? Die Frage blieb unbeantwortet. Trotz kleinerer Mängel kamen alle Besucher, die die Combo im Rahmen der derzeitigen Höllentour nicht anderweitig sehen können, zumindest im Hinblick auf den Rockfaktor auf ihre Kosten. Im Schlagerblock würdigte Alex schließlich einen Kommentar seinen Gitarristen Jürgen mit einem süffisanten „Es kann sprechen“, bevor sie zusammen in ihrer Heimat das Spider Murphy-Cover „Mir san a bayrische Band“ anstimmten und damit begeistertere Reaktionen ernteten als Stefan Dettl zuvor. Wie sagte Frontmann Alex passend: „Zum Glück hat Bayern Augsburg!“
Übertragen müsste es heißen: „Zum Glück hat der Deutschrock Eisbrecher!“ – die sich und ihre Umwelt noch mit dem nötigen Augenzwinkern betrachten. Wie alles andere auch, mussten die Schlager allerdings kürzer ausfallen als gewohnt und so gab es auch vom generalüberholten „Miststück“ in der 2012er Version die (fast) normale Länge zu hören, die von Alex nur um einige Zeilen von Falcos „Rock Me Amadeus“ erweitert wurde. Überraschenderweise fanden sich im Zugabenblock u.a. mit „Verrückt“ andere Stücke als für gewöhnlich. Auf den Albumtiteltrack „Die Hölle muss warten“ verzichteten EISBRECHER ganz, bevor sie sich anschließend wiederum auf gewohnte Art und Weise einzeln zu Bonnie Tylors „Total Eclipse Of My Heart“ verabschiedeten und Teddybären ins Publikum warfen. Ein Heimspiel nach Maß mit kleineren Abstrichen.

Und eigentlich hätte das Masters of Rock Antenne an dieser Stelle auch seinen Abschluss finden können – tat es aber nicht. Denn als Headliner schickten die Veranstalter noch den Frontmann von Manfred Mann’s Earth Band ins Rennen, namentlich CHRIS THOMPSON. Dieser hatte mit seinen eher ruhigen Rocksongs ein schweres Headlinerlos gezogen. So gab es im Gegensatz zu Rock Meets Classic keine Best of Show von Manfred Mann’s Earth Band mit „Davey’s On The Road Again“ und „Blinded By The Light“, sondern Thompson mit seiner eigenen Band und Classic Rock. Dieser lädt zwar dank charismatischer Stimme zum Zuhören ein, doch zwingt eben nicht zum dauernden Hinhören. Entsprechend leerte sich die Halle wie im Vorjahr merklich im Laufe des Auftritts, doch CHRIS THOMPSON spielte sein Set davon unbeeindruckt zu Ende. Besonders am Anfang verfehlte der Vollblutmusiker das Ziel, eben jenes Publikum zu binden, welches nicht explizit wegen ihm auf das Festival kam. Den jungen Besuchern schien der Bezug zu dieser Form des Rocks zu fehlen, während die etwas älteren einfach nur andächtig lauschten. So endete das Masters of Rock Antenne 2012 eher unspektakulär und ohne nennenswerte Highlights mit einer Rocklegende, die ihr Programm planmäßig abspulte.

Erfreulicherweise bot das Festival in seiner vierten Auflage zuvor mit KISSIN‘ DYNAMITE, den BROILERS und DORO drei bärenstarke Auftritte, bei denen die beiden Letztgenannten bewiesen, dass man auch bereits rund 20 Jahre Musik machen kann, ohne dabei zu antiquiert für ein solch gemischtes Publikum zu sein. STEFAN DETTL und CHRIS THOMPSON dürften an jenem Tag wenig neue Fans gewonnen haben, so überhaupt. Zweiterer hat dies auf seiner Reise in den musikalischen Ruhestand aber schätzungsweise auch nicht mehr nötig. Zusammen mit einer guten EISBRECHER-Show vor heimischem Publikum überwiegt unter dem Strich der positive Eindruck eines Festivals, welches nächstes Jahr hoffentlich seinen fünften Geburtstag feiert.

Publiziert am von und Uschi Joas

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