Konzertbericht: Monsters Of Humppa (Eläkeläiset w/ Jolly Jumpers, La Segra Del Canto)

2006-07-21 Nürnberg, Hirsch

Kennt ihr dieses unbeschreibliche Gefühl scheinbar halbtot, vollkommen am Ende, aber so etwas von glücklich zu sein? Dieses Gefühl trotz totaler körperlicher Erschöpfung nichtmehr aufhören und jegliche Signale des Körpers misachten zu wollen? Man kann es mit einem Wort beschreiben: HUMPPA!

Aber eins nach dem anderen. Ein scheinbar ganz normaler, brütend heißer Julitag an dem ich mich mit meinem Kumpel Adrian und seiner Freundin, die natürlich nicht nur wegen Eläkeläiset aus Berlin angereist war, um 19 Uhr mit dem Zug nach Nürnberg begab, wo wir auch schon die ersten Menschen trafen, die eindeutig zu erkennen gaben, dass sie das gleiche wie wir vorhatten. Nach einem kurzen Aufenthalt in einer Drogerie und unfreiwillig langem Warten auf einem Bekannten, der leider nicht auftauchen wollte und zu allem Übel noch Lisas Karte hatte, entschlossen wir uns dann mit U-Bahn und Bus auf dem Weg zum Hirschen zu machen, den wir dann auch recht schnell erreicht hatten. Dort angekommen konnten wir aus den herumstehenden Autos schon vertrauten Humppaklängen lauschen. Schon im Biergarten des Hirsch, konnte man sehr schön sehen, dass die Musik, die die Rentner und Wodkaliebhaber aus Finnland spielen, fast alle Altersgruppen und Musikliebhaber verschiedenster Genres zu vereinigen Mag. Vom Punk, über Metaller bis hin zu ganz „normalen“ Leuten war alles vertreten und zudem herrschte eine überaus nette, freundschaftliche Atmosphäre. Standesgemäß musste erstmal ein ordentliches Phoser-Bild her, auf das sich noch ein Zweiter drängte, der sich wohl von meinem metal1-Pornocasting-Shirt angezogen fühlte. Ganz gut, doch hübsche Humppabarbis wären mir natürlich noch lieber gewesen. Nach kurzem Suchen konnte ich auch den ELÄKELÄISET-Merchstand ausfindig machen und einfach nicht widerstehen. So ein Shirt mit dem wohl bekanntesten Poro (Rentier) der Welt ist einfach kleidend und zudem konnte man auch über die sehr gute Stoffqualität nicht meckern.

Bei LA SEGA DEL CANTO ist der Name Programm, denn eine singende Säge sieht man nicht alle Tage auf der Bühne und auch wenn viel vom Band kam, war das was der nordische Reggaeman Mr. Pulp – an eben so einen erinnerte er mich stark – und sein Kollege an der Säge J. J. Calo zeigten schon mehr als nur sehenswert. Als Opener hatten sie schon relativ schnell das Publikum im recht gut gefüllten Hirschen gut im Griff und das im wahrsten Sinne des Wortes. Denn beim Wiener Walzer, der mit Löffel und Säge gespielt wurde, kam ein Mädel in der ersten Reihe in den Genuss mit den Sänger einen Tanz aufs Parkett zu legen. Nicht nur hier war die Bühnenshow der beiden schon recht ordentlich angetrunken (versteht sich das nicht eigentlich von selbst?) Finnen mehr als sehenswert. Beim Cover von „I’m Singing in The Rain“ wurde flugs etwas Regen mit Hilfe eines Blumensprühers über J. J. Calo von seinem Partner erzeugt. Natürlich wurde vorher das Wasser gegen Wodka ausgetauscht und danach durften sich einige über einen Spritzer Wodka aus dem Blumensprüher freuen. Ein wirklich guter Opener, der den Publikum mit einem bunten Programm von Klassik bis Hardrock gut einheizte, zudem auch der Hirsch temperaturtechnisch an eine finnische Sauna erinnerte.

Darum flüchteten Adrian und Lisa zu unseren am Eingang deponierten Wasserflaschen, während ich es vorzog meinen Alkoholpegel mit Hilfe eines erfrischenden Veldensteiners den der spielenden Bands anzugleichen. Ein schweres Unterfangen. Bald darauf ging es mit den JOLLY JUMPERS in die zweite Runde, die mich allerdings nicht wirklich begeistern konnten. Irgendwie klang das ganze ziemlich wenig nach Humppa, sondern vielmehr nach stinknormalen Truckerrock, auch wenn sie sich selbst als eine außergewöhnliche Mischung aus Swamp-Blues und Tundra-Garage bezeichnen. Nichtnur wir zogen es vor wieder ins Freie zu gehen und ein Weizen zu trinken um Kräfte für die Rentner zu sparen, auf die jeder sehnsüchtig wartete.

Es sollte sich auszahlen, dass wir direkt nachdem JOLLY JUMPERS aufgehört hatten zu spielen uns direkt vor die Bühne bewegten und uns einen Platz vorne rechts vor der Bühne sicherten um den Pogo in der Mitte zu entgehen. Schnell füllte sich die Halle und man konnte die Vorfreude in Form der immer lauter werdenden, sich zum Orkan verdichtenden „Humppa! Humppa!“-Rufe, denen man sich wie im Rausch anschloss, richtig spüren. Nach scheinbar endlos langem Warten enterten die Wodkaliebhaber von ELÄKELÄISET endlich die Bühne, nachdem für die richtigen Getränke gesorgt wurde. Schon bei den ersten Tönen war die Stimmung gut und es dauerte keine fünf Sekunden ehe die Finnen das Publikum fest im Griff hatten. Irgendwie war es am Rand fast ein wenig zu ruhig, so dass ich es vorzog mich in die Mitte zu bewegen. Dort angekommen fühlte ich mich schon so richtig wohl und zu allen Überfluss kam dann mit „Humppakone Humppa“ ein zwar etwas langsameres Stück, welches für mich aber eines der genialsten der Band darstellt und bei „Elän Humpalla“, bei dem Bon Jovi’s „Living On A Prayer“ dranglauben muss, gab es kein halten mehr. Es wurde getanzt, gehüpft, noch höher gehüpft, gegrölt und (sehr fair) gepogt. Schon bald befand sich das gesamte Publikum in einem richtigen Ekstasezustand. Auch wenn sie nur im Sitzen spielen zeigt der Fünfer wohl mehr Bühnenpräsenz und Interaktion mit dem Publikum als so manche „normale“ Band – aber was ist schon normal?, fragt man sich angesichts dieses Spektakels. ELÄKELÄISET sorgen nach einer Wodka-Betankung aus einer übergroßen Flasche nicht nur mit dem genialen Nightwish-Cover „Jukolan Humppa“ für multiple Humppagasmen. Der ganze Saal verwandelte sich so in eine riesige finnische Sauna, denn nicht nur ich kam ordentlich ins Schwitzen, so dass mein T-Shirt nässer war als nach 12 Stunden Pornocasting. Zum Glück bekam die versammelte Anhängerschar eine kleine Verschnaufpause in Form eines Liedes im langsameren Jenkkastil, bei der das Publikum aufgefordert wurde sich zu setzen. Ein Blick in die erschöpften, aber strahlenden Gesichter sagte alles über die hervorragende Stimmung aus, ehe man sich mit „Humppalaki“ und „Pöpi“ verabschiedete. PÖPI!!! Dieses Lied ist einfach Freude, gute Laune und nicht zuletzt mein absolutes Lieblingslied der Band. Arm in Arm wurden nochmal die letzten Kräfte zum Hüpfen mobilisiert, ehe sich ELÄKELÄISET hinter die Bühne verzogen. Doch so einfach konnte man sie nicht gehen lassen. Obwohl der Verstand aller sagte, dass es wohl besser wäre sich nun auszuruhen, aufzuhören und keinen körperlichen Zusammenbruch zu riskieren, rief wohl jeder im Saal aus vollem Halse laut „Humppa!“, was sich die Finnen natürlich nicht zweimal sagen ließen. Man ließ den Publikum die Wahl ob es nun ein langsameres Stück, für das es irgendeinen ziemlich langen Finnischen Satz rufen sollte, oder ein schnelleres Stück geben sollte, für das ein kurzes „Ja!“ genügte. Worauf die Wahl viel sollte wohl klar sein. Schließlich fehlte mit „Humppa Tai Kuole“ (Humppa bis zum Tod), welches man zweifelsohne als Motto des heutigen Abends sehen konnte, noch ein weiterer Klassiker der Band und auch danach war noch nicht ganz Schluss, denn der Keyboarder ließ es sich nicht nehmen der Meute, die physisch am Boden war, die richtige Aussprache des „R“s und noch ein paar finnische Schimpfwörter zu lehren.

Vollkommen fertig und freudentrunken taumelten wir alle ins Freie. Nach einer gefühlten Temperatur von 95°C vor der Bühne (finnische Sauna eben) überaus wohltuend und nicht nur ich musste den Wasserhaushalt meines Körpers der vermutlich nur noch ein Drittel anstatt der üblichen zwei beinhaltete, ausgleichen. Dort traf ich auch denjenigen, der sich vor dem Konzert mit auf mein Phoser-Bild drängte, der mich fragte, ob er aus meiner Flasche Wasser, die ich vorsorglich am Eingang platzierte, trinken dürfte. Als ich ihm das erlaubte bedankte er sich dann bei mir mit dem Worten „Danke, du bist mein Humppajesus!“. Bis Adrian, Lisa und ich dann den Hirschen verließen benötigten wir allerdings noch eine halbe Stunde um uns etwas zu erholen, ehe wir uns mit dem Nightliner zum Hauptbahnhof begaben. Die restlichen dreieinhalb Stunden, bis unser Zug fuhr versuchten wir etwas dort zu schlafen, wobei das irgendwie nur Adrian gelang. Ich konnte hingegen mit zwei sichtlich angetrunkenen Mädels kurz Bekanntschaft schließen, als ich barfuß mich etwas im Hauptbahnhof umsah und sie mach mit folgenden Worten ansprachen: „Du hast deine Schuhe verloren! Du erkältest dich so Dummchen!“ Jedoch durfte ich nach einer kurzen Kontrolle meiner Fußtemperatur durch die beiden weiterlaufen. Um 6:45 Uhr waren wir dann auch wieder in Bayreuth und ich konnte endlich in mein Bett und von Rentieren, Wodka und ganz viel Humppa träumen!
Abschließend kann man nur sagen, dass man ELÄKELÄISET entweder lieben oder hassen muss. Ich liebe sie! Und das nach diesem Konzert noch mehr. Es ist einfach ein unbeschreibliches Erlebnis und wohl mit keiner anderen Band zu vergleichen.

Geschrieben am 21. Juli 2006 von Metal1.info

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