Konzertbericht: Persistence Tour 2013 (Stuttgart)

2013-01-17 Stuttgart, LKA Longhorn


Es ist mal wieder Zeit für alte Bekannte: Neben den legendären und momentan allgegenwärtigen AGNOSTIC FRONT, die in den letzten Jahren immer quasi das halbe Jahr in Deutschland zu verbringen scheinen, haben Advocado Booking noch die New Yorker Ikonen H2O ins Boot geholt, dazu die weniger bekannten THE ACACIA STRAIN, die das Line-Up eröffnen dürfen, die deutschen Death-Metaller von NEAERA, die sechs Wochen vor Release ihres neuen Albums schonmal eine Kostprobe geben dürfen, die Kalifornier von STICK TO YOUR GUNS und obendrauf als Headliner die amerikanische Stumpfcore-Institution HATEBREED.

Aufgrund der angespannten Wettersituation in Stuttgart und der Parksituation rund ums LKA Longhorn erreiche ich die Veranstaltungshalle erst als NEAERA beginnen, zu spielen. Die Münsteraner, die mit ihrem lupenreinen Death Metal nicht so wirklich ins Line-Up passen zu wollen scheinen, scheren sich um genau diese Tatsache einen Dreck und feuern dem bereits prall gefüllten LKA Longhorn mit „Heaven’s Descent“, „Armamentarium“ und „Synergy“ einige ältere Tracks in die Menge, um dann mit dem rasanten “Eight Thousand Sorrows Deep“ das Publikum zu einer Runde Circle Pits aufzufordern.
Routiniert bedanken sich NEAERA anschließend dafür, auf dieser Tour dabei sein zu dürfen, ist man doch bei den anwesenden Hardcore-Übermacht im Line-Up mehr als nur ein „Außenseiter“. Dennoch ist die Stimmung gut, und steigert sich nochmal ein ganzes Stück, als NEAERA mit „Ours Is The Storm“ den Titeltrack ihres am 1. März erscheinenden neuen Albums spielen. Zu „Let The Tempest Come“ wird letztendlich nochmal dem Metalcore gehuldigt – die jüngeren Zuschauer lassen dementsprechend im Moshpit die Fetzen fliegen – bevor NEAERA abtreten und für Stick To Your Guns Platz machen.

Setlist NEAERA:
01. Walls Instead Of Bridges
02. Armamentarium
03. Harbinger
04. Spearheading The Spawn
05. Ours Is The Storm
06. Let The Tempest Come

Die Kalifornier, die ich erst vor drei Monaten in Luxemburg auf der Never Say Die Tour betrachten konnte, legen los wie die Feuerwehr: Sänger Jesse Burnett zeigt sich wie gewohnt sehr lauffreudig und STICK TO YOUR GUNS legen (wieder mal) eine hervorragende Mischung aus unheimlich intensiven und emotionalen Songs vor. Die Band legt mit dem Titeltrack ihres aktuellen Albums „Diamond“ los – dieses wird auch die komplette Setlist prägen, sind mit dem heftigen „Empty Heads“, dem wüsten, extrem abgehtauglichen „Such Pain“, der Occupy-Wall-Street-Hymne „Against Them All“ und dem sehr emotionalen „Built Upon The Sand“ doch noch vier weitere Songs aus besagtem Release vertreten.Wie immer nimmt sich Frontmann Jesse Burnett die Zeit, jedes einzelne Lied mit ausführlichen Ansagen einzuleiten, an das Publikum zu appellieren und zu mehr Toleranz, Respekt und Selbstlosigkeit aufzurufen. Nicht zuletzt bieten STICK TO YOUR GUNS auch an diesem Donnerstag wieder eine fehlerfreie Performance – die punkigen Hymnen mit krachenden Breakdowns in der Hinterhand sorgen für eine komplett ausrastende Moshpit-Gemeinde, die nach circa 35 Minuten melodischen Hardcore-Punks begeistert applaudiert und sich mental auf die New Yorker Legenden H2O vorbereitet.

Setlist STICK TO YOUR GUNS:
01. Diamond
02. What Goes Around
03. Amber
04. Empty Heads
05. Against Them All
06. Life in a Box
07. Built Upon the Sand
08. Such Pain

Um einiges klassischer und melodischer wird es mit H2O, den Hardcore-Punk-Legenden aus New York. Die Band um Frontmann Toby Morse, deren Fangemeinde unter den Anwesenden im LKA Longhorn auch am größten zu sein scheint, so viele „One Life, One Chance“- und „What Happened“-T-Shirts, wie man im Publikum sieht, bringt gute Laune und Spielfreude ohne Ende mit und wirkt auch nach über 25 Jahren frisch und vor allem sympathisch wie eh und je.Ein volles Dutzend melodischer Hymnen hauen die New Yorker raus, bringen Hunderte Fans zum Mitsingen (auch wenn Toby Morse das Publikum dafür sehr energisch ermuntern muss) und sorgen für grandiose Stimmung und einen angenehm gewaltfreien Moshpit. Ein toller Auftritt.

H2O Setlist:
01. 1995
02. Universal Language
03. Nothing To Prove
04. Family Tree
05. Still Here
06. One Life, One Chance
07. Guilty By Association
08. Fairweather Friend
09. Faster Than the World
10. 5 Year Plan
11. Sunday
12. What Happened


Schließlich betreten mit AGNOSTIC FRONT die Co-Headliner des Abends die Bühne und lassen keinen Zweifel daran, wer Herr im Haus ist: Frontmann Roger Miret macht mit seiner mächtigen Gestalt eine Menge Eindruck. Standesgemäß beginnen die Ostküsten-Hardcoreler mit dem Thrash-Kracher „Addiction“ und lassen mit „My Life My Way“ die Hymne ihres aktuellen, gleich betitelten Albums folgen, nur um mit „That’s Life“ gleich wieder die Abrissbirne zu schwingen. Miret hat die Menge von voll im Griff und ruft zum auf spanisch verfassten „A Mi Maneira“ (My Way) zur Hüpfpogo auf. Das Publikum im inzwischen bis auf den letzten Platz gefüllten LKA lässt sich nicht lumpen und so fliegen in den vorderen Reihen ordentlich die Fetzen. Der Höhepunkt wird zweifellos zu dem Zeitpunkt erreicht, zu dem AGNOSTIC FRONT die Abrissbirne „Peace“ auspacken, zu der Jamie Jasta auf die Bühne gebeten wird, der auch im Original des Tracks mitwirkte.
Unheimlich unterhaltsam und sympathisch kommen an diesem Tag die beiden Bandköpfe Miret und Vinnie Stigma rüber, die sich ständig gegenseitig mit „Stigma“- und „Roger Miret, Motherfuckers“-Rufen und einer gehörigen Portion Humor und Selbstironie gegenseitig feiern. Besonders Gitarrist Stigma hüpft wie ein lustiger Vogel über die Bühne, versprüht eine unheimliche Spielfreude und legt darüber hinaus ständig kurze Soli-Einlagen hin. AGNOSTIC FRONT sind problemlos die stärkste Band des langen Abends.

Setlist AGNOSTIC FRONT:
01. Addiction
02. Dead To Me
03. My Life My Way
04. That’s Life
05. A Mi Maneira
06. For My Family
07. Friend Or Foe
08. All Is Not Forgotten
09. Peace
10. Crucified
11. Gotta Go
12. Riot, Riot, Upstart
13. Police State
14. Take Me Back
15. Blitzkrieg Bop


Schließlich ist es Zeit für den Headliner HATEBREED. Wer genau aufpasst, stellt aber fest, dass das viele nicht so sehen, denn nach dem Gig von Agnostic Front lichten sich die Reihen erheblich. Jamie Jasta & Co lassen sich davon aber nicht beirren und prügeln gewohnt gnadenlos ihre Metalcore-Walzen auf das Publikum nieder. Dass man es hier zum größten Teil mit Vier-Akkord-Songs zu tun hat und dass Jamey Jastas Vokabular zumindest während des Konzertes sich zumeist auf die Worte „Lose Your Fucking Mind“ (vor jedem Breakdown) beschränkt, stört dabei die wenigsten. So fliegen Menschen, Körper, vor allem aber Fäuste und Tritte durch die Gegend. Das Publikum in den vordersten zehn Reihen kennt kein Halten mehr und wer nicht hart im Nehmen ist, stellt sich an die Seite oder nach hinten. Nach einer knappen Stunde gibt es mit „I Will Be Heard“ und „Destroy Everything“ die beiden standesgemäßen Rausschmeißer, auf die die Fans gewartet haben.

Setlist HATEBREED:
01. To The Threshold
02. Put It To The Torch
03. Tear It Down
04. Everyone Bleeds Now
05. In Ashes They Shall Reap
06. Never Let It Die
07. Smash Your Enemies
08. Indivisible
09. Doomsayer
10. As Diehard As They Come
11. Defeatist
12. Last Breath
13. Perseverance
14. This Is Now
15. Straight To Your Face
16. Live For This

17. I Will Be Heard
18. Destroy Everything

So geht schließlich ein großartiger Konzertabend zu Ende, auch wenn man sich fragen muss, was genau die Jamey-Jasta-Kapelle dazu bewegt, sich neuerdings nur noch als „Hatecore“ zu bezeichnen, ein Begriff, den auch Nazi-Bands für sich verwenden. Mit den viel beschworenen „Roots“, denen vor allem H2O an diesem Abend huldigen, hat das nicht mehr viel zu tun. Andererseits scheinen sich daran nicht viele zu stören und ein Paket wie dieses kriegt man auf deutschen Bühnen nicht allzuoft zu sehen. Insofern: Daumen hoch!

Die Bilder im Konzertbericht entstammen der Show vom 19.01. in Dresden.

Publiziert am von Pascal Stieler

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