Konzertbericht: Schandmaul w/ Heavy Ride

2011-04-02 Zenith, München

16,5 Monate sind vergangen, seitdem SCHANDMAUL zum letzten Mal in ihrer bayerischen Heimat auftraten, um mit ca. 7000 Besuchern ihr 10-jähriges Bühnenjubiläum in eben jener Stadt zu feiern, in deren Umkreis alles begann. Anno 2011 fanden sich etwas weniger Fans zur Comeback-Show ein und musikalisch hat sich im Vergleich zum letzten Gastspiel auch etwas getan: Nach einjähriger Bühnenabstinenz hatten die Folkrocker ihr neuestes Werk „Traumtänzer“ im Gepäck. Allerdings offenbarte die musikalische Heimreise altbekannte Probleme.

Die lokale Vorband HEAVY RIDE machte ihrem Status als Support alle Ehre. Zwar war der 30-minütige Gitarrensound der Grafenauer wenig abwechslungsreich und passte nicht so recht zum darauf folgenden Schandmaulsound, doch Performance und Power der Schülerband stimmten. Immer wieder forderten Sie das Publikum zu lauten „Schandmaul“-Sprechchören auf oder verwiesen anderweitig auf den weiteren Konzertabend. Eine angenehme Abwechslung zu anderen Vorbands, die bestenfalls kurz am Ende auf den kommenden Mainact hinweisen und größtenteils nur mit sich selbst beschäftigt sind.

Was im Münchner Zenith soundtechnisch alles möglich ist, bewies das Trans-Siberian Orchestra vor ca. zwei Wochen. Leider scheiterten Schandmaul wieder einmal an den unsäglich schlechten Rahmenbedingungen der alten Industriehalle, so dass eine insgesamt rundum gelungene Show mit kleinen Schönheitsfehlern akustisch in weiten Teilen einen schlechten Eindruck hinterließ. Zwar gab es selektiv einige Stellen, an denen Gesang und Instrumente gleichermaßen zu hören waren, doch die überwiegende Mehrheit der Konzertbesucher hatte mehr einen breiig-lauten Klangteppich im Ohr. Vor allem Gesang und Akkordeon gingen in diesem fragwürdigen Mix fast vollends unter.
Derweil wusste die Songauswahl sowie die Bühnenshow mit deutlich verbesserten Lichteffekten stets zu überzeugen: Sänger Thomas Lindner zeigte sich ungewohnt bewegungsfreudig, während Anna-Katharina Kränzlein (Geige, Drehleier) und Birgit Muggenthaler-Schmack (Dudelsack, Schalmei und Flöte) durch ihr hervorragendes Spiel sowie ihre anmutigen Bewegungen die meisten Blicke auf sich zogen. Matthias Richter am Bass sowie Martin Duckstein an der Gitarre (nebst epischem Bart) traten nur sehr selten an den Bühnenrand und hielten sich die meiste Zeit zusammen mit Schlagzeuger Stefan im hinteren Teil der Bühne auf. Dieser lag vielleicht etwas zu weit weg von den Zuschauern, so dass die sehr ansprechenden Leistungen der drei erfahrenen Musiker im Vergleich zu den anderen Bandmitgliedern etwas zu sehr in den Hintergrund rückten.

Wie gewohnt leistete sich Thomas am Mikro ein paar kleinere Textaussetzer und verpasste u.a. mehrfach seinen Einsatz bei „Pakt“, doch besonders durch seinen offenen Umgang mit diesen kleineren Schönheitsfehlern verzeihen ihm langjährige Fans anstandslos. Nur als er sich bei einer kompletten Ansage vertat bzw. den falschen Song einleitete, stutzten einige Schandmaul-Anhänger etwas mehr als gewohnt. Doch sobald sich das folkige Sextett anschließend bei „Der Spion“ musikalisch wieder eingroovte, war auch dies vergessen.
Für das Konzert in München hatten sich Schandmaul darüber hinaus ein paar Überraschungen ausgedacht: So spielte die Kapelle zum ersten Mal live mit dem Blechbläserensemble Orange Fizz die beiden Stücke „Bis zum Morgengrauen“ und „Assassine“. Dabei zeigten sich die musikalischen Gäste überaus spielfreudig und erwiesen sich als echte Bereicherung für die Live-Show. Gleiches gilt für Stefan Keppler von Wolkenstayn, der ebenfalls für ein kurzes Gastspiel die Bühne betrat. Über die gesamte erste Hälfte der Traumtänzer-Tour diente er als Plan B für Schandmaul, so Dudelsackspielerin Birgit Muggenthaler-Schmack ausfallen sollte. Diese hatte erst am 28. Dezember 2010 ihren Sohn zur Welt gebracht und demnach verlangte die Organisation der Tour nach einer logistischen Meisterleistung. So reiste die Band nicht nur wie gewohnt mit einem Nightliner, sondern darüber hinaus mit einem kleinen Bus und einem Ersatzmusiker. Insofern war dieser Gastauftritt ein kleines und vor allem angebrachtes Dankeschön an Stefan.

Insgesamt erwies sich „Traumtänzer“ als erwartet livetauglich und kompatibel: Neben der clubtauglichen Vorabsingle „Hexeneinmaleins“ durfte natürlich auch die Videovorlage „Geas Traum“ nicht fehlen. Vor jenem Lied betrat überraschend Erfolgsautor Wolfgang Hohlbein die Bühne und sprach einige Worte über die Zusammenarbeit mit Thomas. Fortsetzung nicht ausgeschlossen.
Der Titeltrack des Albums wurde indes nicht zentral platziert, sondern fließend an eine instrumentale Überleitung von „Drachentöter“ angeschlossen. Apropos Instrumental: Selbst das beinahe vergessene „Käpt’n Koma“ feierte sein Comeback, wobei scheinbar nur ein Teil des Publikums mit diesem Stück aus längst vergangenen „Mit Leib und Seele“-Zeiten etwas anzufangen wusste. Dennoch waren es auch diese überraschenden Momente, von denen das Konzert im wahrsten Sinne des Wortes lebte. Stimmungstechnische Höhepunkte waren neben dem lang herbeigesehnten Anfang mit „Kein Weg zu weit“ wieder einmal die beiden Klassiker „Teufelsweib“ (in einer modernen Version) und „Walpurgisnacht“. Kleinere Einlagen wie ein vierstimmiger Kanon zu „Bruder Jakob“ sowie neue Klatschrhythmen bei „Krieger“ rundeten den stimmigen Folkrockabend wiederum ab.

Nach mehreren Wechseln aus schnellen Stücken und Balladen im Zugabenblock ließen Schandmaul den gut zweistündigen Konzertabend schließlich stilecht und traditionell mit „Willst du?“ ausklingen.

Setliste Schandmaul
01. Intro
02. Kein Weg zu weit
03. Missgeschick
04. Auf hoher See
05. Leb!
06. Der Alchemist
07. Die Tür in mir
08. Käpt’n Koma
09. Assassine
10. Bis zum Morgengrauen
11. Teufelsweib
12. Rosen
13. Lichtblick
14. Pakt
15. Drachentöter
16. Traumtänzer
17. Geas Traum
18. Hexeneinmaleins
19. Frei
20. Walpurgisnacht

21. Feuertanz
22. Der Spion
23. Dein Anblick

24. Krieger
25. Mitgift
26. Trinklied
27. Willst Du?

28. Auf euch

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