Konzertbericht: Trans-Siberian Orchestra

2011-03-17 Zenith, München

In den USA ist das TRANS-SIBERIAN ORCHESTRA schon lange eine große Nummer, in Europa war das Savatage-Nachfolgeprojekt bisher allerdings noch nie live auf der Bühne zu sehen. Während das Orchester in den Staaten Jahr für Jahr mit seinen bekannten Weihnachtsliedern auftritt, bot die erste Reise über den großen Teich ein besonderes Event, auf das in dieser Form besonders alle Blind Guardian-Fans schon seit 13 Jahren warten: „Beethoven‘s Last Night“, das TSO-Album von 2002, wurde komplett aufgeführt.

Die ersten interessanten Randnoitzen gab es bereits im Vorfeld, als angekündigt wurde, dass das Zenith bei diesem Konzert bestuhlt sein wird. Aber passend war es natürlich, schließlich erwartete das Publikum kein „normales“ Konzert, sondern ein Event zwischen Rock-Oper, Musical und Klassikkonzert. Und dass der verhältnismäßig hohe Eintrittspreis von ca. 50 Euro berechtigt ist, bewies das TRANS-SIBERIAN ORCHESTRA schon nach wenigen Augenblicken: Die drei hinter der Bühne aufgebauten „Fenster“ dienten als Leinwände und leuchteten selbst in verschiedenen Farben. Darüber hingen drei weitere große LED-Balken, der Bühnenhintergrund selbst diente bei entsprechenden Stücken als sternenklarer Nachthimmel und dazu wurde noch eine großartige Lasershow präsentiert. Optisch also alles vom allerfeinsten, denn auch auf der Bühne bot sich ein sehr stimmiges Bild. Die insgesamt knapp zwanzig Musiker – bestehend aus Band, Orchester und Chor – waren stets sehr präsent, dem Anlass entsprechend edel gekleidet und auch wenn am Anfang noch wenig Bewegung herrschte, gab es während fortlaufender Spielzeit immer mehr zu sehen, dem Anlass entsprechend eben.

Die Musik stand der visuellen Wucht erfreulicherweise in nichts nach und konnte auf ganzer Linie begeistern. Zum Einstieg spielte das TSO die ersten drei Titel des Albums am Stück als Einleitung und schon da konnte man sich als regelmäßiger Zenithbesucher darüber freuen, dass die Amerikaner ihre eigenen, professionellen Soundleute an Bord hatten, die für einen mächtigen, klaren und fast perfekten Klang in der großen Halle sorgten. Nach der Einleitung, die das Publikum in der zumindest hinten nicht vollbesetzten Arena mit tosendem Applaus begeistert aufnahm, betrat zum ersten Mal der Erzähler Bryan Hicks die Bühne, den man auch direkt als Prediger in eine Gospel-Kirche stellen könnte. Dramatisch und theatralisch trug er die Geschichte um Beethovens Todesnacht, seine unveröffentlichte zehnte Symphonie und sein Geschäft mit dem Teufel vor. Zwischen den Stücken kam er immer wieder nach vorne, trotz aufgeschlagenen Buches aber schien er seinen nicht gerade spärlichen Text nahezu auswendig zu kennen. Durch die Betonung und ungewohnte Wortwahl war das Englische teils etwas schwer zu verstehen, doch immerhin waren am unteren Bühnenrand zwei Monitore aufgebaut, auf denen der übersetzte Text durchlief. Diese hätten nur gerne einen halben Meter weiter oben hängen dürfen. Über die kleineren Übersetzungspannen konnte man hingegen hinwegsehen.

Wenn man die auf Dauer viel zu unbequemen Stühle ausnimmt, war es das auch komplett an Kritik, denn musikalisch war der Abend grandios. Die Symbiose aus Rock (Gitarren, Bass und Schlagzeug), Klassik (Klavier, Geige, Chor, Dirigent) und Musical (ausgebildete Broadway-Sänger) konnte man besser nicht gestalten. Manche nennen es vielleicht glattgebügelt, doch die Mehrheit hat die Atmosphäre völlig gepackt. Ob nun laute und treibende Nummern oder auch die ruhigen und balladesken Stücke (letztere oft von Frauen gesungen) – alles fügte sich perfekt ineinander. Gute 100 Minuten dauerte das reguläre Set und wurde mit Standing Ovations vom Publikum gefeiert, doch damit sollte es noch nicht vorbei sein.

Die lange Reise muss sich schließlich auch für die Band und ihre Crew lohnen, so gab es nochmal einen knapp 45-minütigen Zugabenblock mit weiteren klassischen Stücken sowie guten alten Savatage-Songs. Passend zum rockigen Charakter des zweiten Sets waren die Stühle nun auch überflüssig und das Publikum stand geschlossen, hier und da waren sogar Pommesgabeln zu entdecken. Die Schar der Anwesenden übrigens war bunt gemischt: Vom typischen Metaller über die Mutter mit Kindern und Studenten bis zu Herren im gesetzten Alter war alles vertreten und alle hatten ihre Freude am Gebotenen. Die einzige Frage war am Ende, ob Uschi Glas auch beim Rock-Part noch ihren Spaß hatte.

Ein kleines Fazit zum Schluss: Großartige Vermählung von Rock, Musical und Oper mit bombastischer Lichtshow und aufwändigem Bühnenbild. Ein beeindruckendes Konzerterlebnis mit 2 ½ Stunden Laufzeit, das man sich trotz des hohen Preises unbedingt ansehen sollte, wenn man die Möglichkeit dazu hat. Für den „gewöhnlichen“ Metaller muss es nicht zwangsläufig was sein, eine Affinität zu klassischer und getragener Musik schadet definitiv nicht.

“Beethoven‘s Last Night”-Set:
Overture
Midnight
Fate
What Good This Deafness
Mephistopheles
What Is Eternal
Mozart and Memories
Vienna
Mozart / Figaro
The Dreams of Candlelight
Requiem (The Fifth)
The Dark
Für Elise
After the Fall
A Last Illusion
This Is Who You Are
Beethoven
Misery
Who Is This Child
A Final Dream
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Rock-Set:
Toccata
In The Hall of the Mountain King (Grieg)
The Mountain
Sleep (Savatage) / Medley
Flight of the Bumble Bee (Korsakov)
Carmina Burana: O Fortuna (Carl Orff)
Another Way You Can Die
Chance (Savatage)

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