Review Kill.Kim.Novak – 03:05

Kill.Kim.Novak veröffentlichen ihr Debüt „03:05“. Angefangen bei den Punkten zwischen Worten, die keinen richtigen Sinn ergeben wollen, bis hin zum ungewöhnlichen Albumtitel, der wohl kaum die Gesamtspielszeit der Platte angibt, wecken die Jungs aus Soest (auch wenn es unglaublich klingt, den Ort gibt es zumindest wirklich) hohe Erwartungen. Wer sich derart mit Understatement schmückt, muss schon einiges bieten, um nicht schnurstracks in die Lächerlichkeit zu wandern. Das viel und zugleich nichts sagende Cover unterstreicht ebenfalls nochmals deutlich den Anspruch, etwas ganz Besonderes zu sein.

Los gehts mit einem als solches auch titulierten Intro und schon hat einen die Band in ihrem Bann. Die unzähligen Schnipsel verschrobener Zitate, die gekonnt zwischen (und teilweise auch in) die Lieder gestreut wurden, schaffen es, eine sehr ausdrucksstarke, tiefgründige und doch sogleich packende Atmosphäre zu erzeugen, in der der Hörer nicht den Eindruck platter Phrasendrescherei bekommt, sondern die bewusste Auswahl intensiv hinterfragt. Zitate wie beim fünften Track „Take It“ („Wie stehen die Chancen, Herr Doktor?“ „Die Chance ist, ein winziger Teil im Gehirn zerbricht und plötzlich hat die Welt kein Gesicht mehr. Die Chance ist, eine Blutung im Hirn und die Welt steht still“) wirken in ihrem Kontext unheimlich nach und bescheinigen dem Quartett zumindest ein gutes Gespür für Dramaturgie!

Das allein ist jedoch nicht viel wert, wenn auf der musikalischen Seite nicht ebenfalls alles im Lot ist. Wie klingt sie also, die Musik aus Soest? Völlig entnervt von dem Vorgeplänkel hat sich wahrscheinlich jeder eingefleischte KILL.KIM.NOVAK Fan schon die Fingerkuppen zerbissen und so will ich damit auch nicht länger hinterm Berg bleiben: Vorfreude unbegründet, ätsch, auf „03:05“ findet sich kein einziges neues Lied! Alveran Records haben ganz schlau die Zeit bis zum ersten Langeisen, welches im Herbst erscheinen soll genutzt, um die zwei Demos („Kopfleuchten“ 2003/“Kaskaden“ 2005) der Band remastert auf einer Scheiblette unters Volk zu bringen und somit die Bekanntheit der Band ordentlich zu steigern, bevor das eigentliche Album auf den Markt kommt. Clever gemacht und da ich die Band bisher nicht kannte auch absolut nicht störend. Wäre diese Tatsache nicht auf dem Promozettel erwähnt, ich hätte es nicht bemerkt und der etwas rumpelige Sound stört mich bei einer remasteten Zusammenstellung nicht weniger als bei nem neuen Album.

So, mittlerweile sind auch alle KILL.KIM.NOVAK Unkundigen lange genug auf die Folter gespannt worden und ich will mich nicht länger sträuben:
Vor langer, langer Zeit (so Ende der 90er) gab es eine Band mit dem Namen Jane. Zur selben Zeit gab es auch eine Band mit dem Namen Nyari, die beide beim neu gegründeten Plattenlabel Alveran Records unter Vertrag standen. Wie es er Zufall so will, war der Gründer des Labels gleichzeitig der Sänger von Nyari, und weil beide Bands zu den ersten Veröffentlichungen des Labels überhaupt zählten, gingen beide zusammen auch auf Tour und lösten sich beide nach viel zu kurzer Zeit wieder auf. Wer der Musik von Jane etwas mehr Tiefgang und Abwechslungsreichtum hinzufügt, landet bei KILL.KIM.NOVAK. Besonders deutlich wird die Nähe auch bei den Intros, die ich in der Form bisher nur noch bei Jane und ansatzweise bei Chokehold (deren Musik natürlich völlig anders ist) gefunden habe.

Wer Jane nicht kennt (und das dürften nicht gerade wenige sein), kann sich immer noch kein Bild von der Musik machen. Umschreibend würde ich sie als Screamo oder New School Hardcore, der in dieser Form in den 90ern seinen Höhepunkt hatte, grob vergleichbar mit Bands wie Loxiran oder Songs Of Zarathustra. Was bei KILL.KIM.NOVAK jedoch noch hinzukommt, ist eine totale musikalische Unberechenbarkeit. Zum einen wechselt man lustig zwischen deutschen und englischen Texten (besonders erstere wissen auch inhaltlich sehr zu überzeugen), zum anderen variiert man zwischen nettem, fast schon etwas alternativartigem, melodischem Geschrammel („Crush Me“, „Girl I Feel“), wüstem Gebolze und allem was dazwischen liegt.

Was sich jedoch wie ein roter Faden durch das Album zieht sind die intelligenten Arrangements wie beispielsweise beim dritten Track „Gefühle“. Hier treffen schöne Melodien auf verzweifelte Shouts, und treibende Gitarren auf wuchtige Breaks. Der absolut ergreifende Mittelteil mit gesprochenen und gekrächzten Teilen, die sich in einen sehr derben von zwei Shoutern fantastisch umgesetzten Teil steigern, ist sicherlich eines der Highlights der Scheibe und beweist eindrucksvoll, warum diese Band es verdient hat, nicht länger bloß den Soester Raum musikalisch zu bedienen.

Wer auf 90er Jahre Screamo steht und KILL.KIM.NOVAK noch nicht kennt, sollte schleunigst eine Bestellung tätigen. Aber auch wer aktuelle Acts wie Caliban oder Heaven Shall Burn gern mal im Player rotieren lässt, kommt an den Soestern nicht vorbei, weil sie einfach eine deutliche Ecke intelligenter und interessanter klingen. Für die Produktion gibts noch nen Punktabzug, den ich hoffentlich im Herbst dann nicht mehr vornehmen muss!

Wertung: 9 / 10

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