Interview mit Heolstor von At The Altar Of The Horned God

Read the English version

Bislang haben nur wenige Black-Metal-Projekte aus Spanien über die Landesgrenzen hinaus Aufmerksamkeit erregt. AT THE ALTAR OF THE HORNED GOD hat es diesbezüglich immerhin bis nach Italien geschafft: Mit „Heart Of Silence“, das mit seinem rituellen Grundton einen interessanten Zugang zu dem auf Atmosphäre ausgelegten Genre aufzeigt, ist bereits das zweite Album der Ein-Mann-Band über das renommierte Underground-Label I, Voidhanger Records erschienen. Warum die spanische Szene bisher unter dem Radar geblieben ist, welche Vorzüge das Dasein als Einzelmusiker hat, was ein EDM-Coversong auf „Heart Of Silence“ zu suchen hat und weshalb Puritanismus im Black Metal verfehlt ist, verrät Projektkopf Heolstor im folgenden Interview.

At The Altar Of The Horned God Logo

Du warst und bist bereits in einigen anderen Black-Metal-Projekten involviert, die allerdings bislang nicht viel oder schon länger nichts veröffentlicht haben. Ist AT THE ALTAR OF THE HORNED GOD nun dein „Hauptprojekt“?
Wenn man älter wird und mehr Verantwortung übernimmt, ist es schwierig, Energie und Zeit für etwas aufzubringen, das eigentlich nur ein Hobby ist. Ich kann mir nicht vorstellen, keine Musik zu machen, denn das tue ich nun schon seit fast drei Jahrzehnten, aber ich finde es schwieriger, mehrere Alben pro Jahr aufzunehmen, als ich es früher getan habe. Also ja, AT THE ALTAR OF THE HORNED GOD ist im Moment mein Hauptprojekt, obwohl ich die Absicht habe, etwas für Mystagos aufzunehmen, sobald ich kann.

Du führst AT THE ALTAR OF THE HORNED GOD als Soloprojekt. Wie hat dein Schaffen als Einzelmusiker seinen Anfang genommen?
Es begann hauptsächlich aus dem Wunsch heraus, andere Klänge und Musikstile zu erforschen als die, die ich damals mit meiner Hauptband machte. Ich spiele nun schon seit vielen Jahren alle grundlegenden Metal-Instrumente, sodass es einfacher ist, alles selbst aufzunehmen, anstatt sich auf andere verlassen zu müssen. Das hat sich im Laufe der Jahre nur noch verstärkt, da die meisten Leute, mit denen ich früher gespielt habe, jetzt „produktive Mitglieder der Gesellschaft“ sind und das Letzte, woran sie denken, ist, ein Instrument in die Hand zu nehmen. Ich habe kein Verlangen, mit anderen zu spielen, da es mich in meinem Prozess nur behindern würde.

Was ist für dich der schwierigste Aspekt deines Schaffens als Solokünstler im Gegensatz zur Mitwirkung in einer Band?
Ich kann mir ehrlich gesagt keine Nachteile vorstellen, wenn ich alleine spiele. Ich nehme an, wenn ich live spielen wollte, wäre das ein Problem, aber das ist nicht der Fall.

Bislang haben nur wenige Black-Metal-Bands aus Spanien international auf sich aufmerksam machen können. Wie siehst du eure Szene?
Das Problem ist, dass die meisten von ihnen sehr schlecht darin sind, sich selbst zu promoten, und dass wir keine anständigen nationalen Labels haben. Ich könnte nur zwei oder drei nationale Labels nennen, die bereit sind, auf nationale Bands zu setzen, und internationale Labels sind immer mehr daran interessiert, skandinavische oder germanische Bands unter Vertrag zu nehmen, weil sie leichter zu verkaufen sind. Ich glaube nicht, dass es in der internationalen Underground-Szene etwas gibt, was es in der spanischen Szene nicht gibt.

Du stehst bei I, Voidhanger Records unter Vertrag – einem Label, das vor allem für experimentellen Black und Death Metal bekannt ist. Was hat dich gerade an diesem Label gereizt?
I, Voidhanger Records ist seit seiner Gründung eines meiner Lieblingslabels, Jahre bevor ich überhaupt in Erwägung zog, an AT THE ALTAR OF THE HORNED GOD zu arbeiten. Ihre Bereitschaft, Risiken einzugehen und auf innovative musikalische Projekte zu setzen, hilft dabei, die Grenzen der Szene zu verschieben, und das macht den Extreme Metal insgesamt besser. Als ich die Demo-Sessions von „Through Doors Of Moonlight“ aufgenommen hatte, schickte ich es sofort an I, Voidhanger in der Hoffnung, dass es ihnen gefallen würde. Glücklicherweise tat es das, und seither arbeiten wir eng zusammen.

At The Altar Of The Horned God Foto1Dein Musikstil bewegt sich überwiegend im Black Metal, weist aber auch Einflüsse aus anderen Genres wie Ritual Ambient und Dungeon Synth auf. Woher beziehst du deine musikalische Inspiration? Hast du Vorbilder?
Ich lasse mich hauptsächlich von dem Wunsch inspirieren, eine bestimmte musikalische Atmosphäre zu schaffen. Ich mache Musik, von der ich denke, dass sie an alte Waldrituale erinnert, und ich ziehe einfach alles heran, was ich in den letzten vier Jahrzehnten gehört und gelesen habe. Wenn wir streng von musikalischen Einflüssen sprechen, würde ich sagen, dass die ersten Alben von Ulver und Empyrium einen großen Einfluss haben, ebenso wie die von Arckanum. Außerhalb des Metals muss ich Dead Can Dance und Sisters Of Mercy als meine größten Einflüsse nennen, wenn es um AT THE ALTAR OF THE HORNED GOD geht.

Du setzt in AT THE ALTAR OF THE HORNED GOD einige Instrumente ein, die man im Black Metal nur selten hört – darunter Tamburin und Djembé. Was hat dein Interesse an diesen Instrumenten geweckt?
Da Spanien in unmittelbarer Nähe zu Marokko liegt, zumindest geografisch, wenn auch nicht kulturell, ist es nicht verwunderlich, diese Instrumente hier zu sehen, und ich hatte immer eine Djembé oder ein Tamburin dabei, um damit herumzuspielen. Ich wollte meiner Musik mehr rituelle, hypnotische Elemente hinzufügen und fand, dass sie eine hervorragende Ergänzung sind. Sie tragen dazu bei, eine Art folkloristische Atmosphäre zu schaffen, die aber zumindest im Black Metal etwas exotischer ist und den Hörer aus seiner Komfortzone herausholt.

Hast du vor, dein instrumentales Repertoire in Zukunft noch mehr auszuweiten?
Solange es meinen Absichten dient, werde ich es verwenden. Ich bezweifle, dass man in AT THE ALTAR OF THE HORNED GOD jemals so etwas wie Flöten hören wird, aber sicherlich neue und andere Perkussionsinstrumente, wenn ich sie in die Finger bekomme. Ich mag Schlagzeug und Percussions im Allgemeinen sehr gerne, daher macht es Spaß, zu experimentieren und neue Dinge auszuprobieren.

Du spielst eine hypnotische, rituell anklingende Form von Black Metal. Was hat dich dazu inspiriert, das Genre auf diese Weise zu interpretieren?
Mein Ziel bei AT THE ALTAR OF THE HORNED GOD war es immer, eine Art rituelle, sich wiederholende, hypnotische Atmosphäre zu vermitteln, und dafür eignet sich Black Metal besonders gut. Es ist relativ einfach, ein schönes Gitarrenriff zu kreieren, das sich in den Hintergrund einfügt und gleichzeitig eine Intensität und einen psychologischen Druck aufrechterhält. Wenn man dann noch ein sich wiederholendes Schlagzeug und ein paar Synthesizer hinzufügt, entsteht eine Klangwand, die einen großartigen Kontrapunkt zu dem von mir verwendeten Gesang bilden kann.

Würdest du dich als spirituellen Menschen bezeichnen?
Auf jeden Fall, sonst gäbe es AT THE ALTAR OF THE HORNED GOD nicht. AT THE ALTAR OF THE HORNED GOD ist auch das Ergebnis jahrzehntelanger spiritueller Experimente und der Erfahrung, was funktioniert und was nicht, wenn es darum geht, ein Ritual zu schaffen.

Viele Black-Metal-Bands spielen nicht bloß gewöhnliche Konzerte, sondern geben sich auf der Bühne zeremoniell. Wie denkst du über solche „schwarzen Messen“?
Ich denke, für manche Bands funktioniert das. Obwohl es am Ende nur ein weiteres Gimmick ist und hauptsächlich für den Schockwert gemacht wird, kann ich verstehen, warum einige Bands trotzdem damit weitermachen. Es passt gut zur Musik, und wenn wir auf ein Konzert gehen, wollen wir ja schließlich unterhalten werden. Es ist alles Teil einer Aufführung. Wenn es einen zusätzlichen, versteckten Sinn und Wert hat, ist das großartig, aber ich denke nicht, dass wir so tun müssen, als ob es immer so wäre. Es sieht cool aus, und das ist mindestens 50% dessen, was man von einer Live-Show erwartet.

At The Altar Of The Horned God - Heart Of Silence Cover„Heart Of Silence“, dein zweites Album, scheint eher simpel arrangiert zu sein. Gab es dennoch Herausforderungen bei der Entstehung des Albums?
Sobald ich die Grundidee für einen Song habe, ein paar Dinge ausprobiert und ein paar Demos aufgenommen habe, lege ich einfach los. Normalerweise nehme ich einen Song kurz nach der Komposition auf, sodass alles noch frisch ist. Tatsächlich sind die meisten Vocals während der Aufnahmen im Grunde improvisiert, vor allem die harschen Vocals. Einige sind natürlich sorgfältig geplant, vor allem bei Songs, die in erster Linie von einer Gesangsmelodie und nicht von einem Gitarrenriff ausgehen, aber ich mag es, wenn alles spontan bleibt. Die einzige Herausforderung war, dass ich das erste Demo des Albums aufgrund eines Computerfehlers verloren habe. Ansonsten ist das alles ganz einfach: Ich nehme die Demos auf, schicke sie an I, Voidhanger, um deren Meinung einzuholen, nehme dann alles richtig auf und schicke es ins Studio, damit sie ihre Arbeit machen können.

Was ist deiner Meinung nach der konzeptionelle Kern der Platte?
Der gleiche, der hinter AT THE ALTAR OF THE HORNED GOD als Ganzes steht: atavistische Ängste und spirituelle Archetypen zu erforschen, um den Hörer hoffentlich an seine Bedeutungslosigkeit in den Augen der Natur und der riesigen, alten Wälder zu erinnern. Es ist Musik, die hoffentlich uralte, quasi-mythische Rituale und Zeremonien zu Ehren der Waldgottheiten heraufbeschwört.

Auf dem Album ist auch ein Cover von Suicide Commando’s „God Is In The Rain“ enthalten – nicht gerade ein Track, den man auf einem naturmystischen, rituell anmutenden Black-Metal-Album erwarten würde. Warum hast du gerade diesen Song auf deine Weise interpretiert?
Ich habe ein paar Coverversionen ausprobiert, bis ich entschied, dass „God Is In The Rain“ gut passt. Es ist ein großartiger Song von einer meiner absoluten Lieblings-Electronic-Bands, und da es in AT THE ALTAR OF THE HORNED GOD ein subtiles, aber dennoch wichtiges Element von Drone-/Synth-Musik gibt, dachte ich, dass er gut zum Rest des Albums passen würde, zumal er auch Themen der Spiritualität berührt, wenn auch auf eine direktere Weise. Es ist ein bisschen mehr Dungeon-Synth geworden, als ich ursprünglich erwartet hatte, aber ich denke, es ist ein gutes Stück. Wahrscheinlich werde ich in zukünftigen Veröffentlichungen auch andere Cover aufnehmen, natürlich immer mit meiner eigenen Interpretation. Ich bin mir nicht sicher, welchen Sinn es hat, einen Song genau so aufzunehmen, wie er schon einmal gespielt wurde. Bei einer Live-Show macht das sicher Spaß, aber auf einer Platte? Ich höre mir lieber das Original an, immer. Deshalb mache ich mir Covers so weit wie möglich zu eigen.

Obwohl gerade im Black Metal viel experimentiert wird, hegen viele in dieser Musikrichtung nach wie vor eine Abneigung gegen Klargesang oder elektronische Elemente. Was denkst du dazu?
Ich war viele Jahre lang einer dieser Puristen, aber das ist einfach nur alberner Reaktionismus. Man kann Tausende von Bands finden, die das gleiche, alte Schema spielen und sich daran erfreuen, also kann es nur gut sein, wenn andere Bands die Grenzen des Genres verschieben. Es gäbe gar keinen Black Metal, wenn nicht ein paar Kids vor drei, vier Jahrzehnten beschlossen hätten, die Grenzen des Thrash und Death Metal zu erweitern. Labels sind gut, um Ideen zu vermitteln, aber uns als Künstler durch sie zu beschränken, ist kontraproduktiv.

Was sind deine nächsten Pläne für AT THE ALTAR OF THE HORNED GOD?
Es gibt einen Song, den ich vor den „Heart Of Silence“-Sessions aufgenommen habe und der diesen Sommer als Teil einer Compilation erscheinen soll, und auch das Vinyl des Albums sollte bald erhältlich sein. Ich werde wahrscheinlich nach dem Sommer anfangen, über das dritte Album nachzudenken, aber wie immer wird es fertig sein, wenn es fertig ist, da ich nichts erzwingen will.

Gehen wir noch kurz ein Brainstorming durch. Was fällt dir zu den folgenden Schlagworten ein?
Satanismus: Freiheit von den Fesseln des Dogmatismus und der Tradition.
Progressive Rock: Langweilige Musik, die in der Regel von sehr talentierten Musikern gespielt wird, die mit ihrem Talent etwas Besseres machen könnten.
Pathos: Etwas sehr Gegenwärtiges in meinem Leben, da die Schwere des Lebens und der allgegenwärtige Schatten des Todes die ganze Welt schwarz färben.
Alleinsein: Die beste Art, produktiv zu sein, und der einzige Weg, um nach innen zu gelangen und zu verstehen, wer wir sind.
Perfektionismus: Der Fluch vieler Künstler. Ich muss zugeben, dass ich nicht besonders perfektionistisch bin und es oft bereue. Ich weiß, dass ich manchmal etwas besser machen könnte, aber normalerweise will ich mir die Mühe nicht machen.
Ohrwurm: Der neueste Ohrwurm, der mich nachts plagt, ist „Wanderer Of Times“ von Frozen Dawn.

Gibt es noch etwas, das du den Lesenden zum Abschluss auf den Weg geben möchtest?
Danke für das Interview, es war schön, zur Abwechslung mal ein paar originelle Fragen zu beantworten.

Publiziert am von Stephan Rajchl

Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
Zur besseren Lesbarkeit wurden Smilies ersetzt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert