Handyfilmen auf Konzerten: Phone ja – aber bitte smart

Seit vor bald 20 Jahren das Smartphone erfunden wurde, gehört das Fotografieren und Filmen zum Konzerterlebnis dazu – sei es nun aktiv, um Erinnerungen zu erschaffen, oder aber passiv, als Ärgernis. Nach unserem sarkastischen Einstieg in der letzten Kolumne wollen wir uns dem Thema nochmal von der rationalen Seite nähern: ein Kompromissvorschlag zur Güte.

Irgendwas passiert, irgendwer hat’s gefilmt. Auf diesem simplen Konzept basiert ein nicht unwesentlicher Teil des Entertainment-Molochs namens „Internet“. Das gilt auch für Konzerte: Der Sänger fällt von der Bühne, dem Gitarristen fällt der Song nicht mehr ein oder der Drummer fällt ins Schlagzeug? Oder aber auch: Ein Kind darf auf die Bühne, ein Fan spielt das Solo seines Lebens, eine Ansage zwischen zwei Songs bewegt die Menschen. Immer wenn dergleichen passiert, kann man sich sicher sein: Irgendwer hat’s gefilmt. Und irgendwer anderes – unter Umständen Millionen Menschen – hat später im Internet damit seine Freude.

Was natürlich genauso vorkommt: Nichts (Unerwartetes) passiert und trotzdem hat’s jemand gefilmt. Jemand, das sind dann in der Regel eine Menge Menschen, oft älteren Semesters, aber gerne auch sehr jungen Alters, die aus zunächst nicht ganz ersichtlichen Gründen einfach mal draufhalten. Ganze Songs, oder schlimmer noch, so schreit der „innere Monk“, nur Teile: Die erste Hälfte. Das letzte Drittel. Fünf Siebtel des Songs. Also eigentlich schon fast ganz, aber das Intro hat es nicht mit drauf geschafft und irgendwann wurde der Arm schwer …

Zu Recht fragt man sich, insbesondere als die Person hinter einem solch verhinderten Live-Film-Regisseur: Braucht’s das? Die intuitive Antwort lautet natürlich zunächst einmal nein. In einer Zeit der medialen Überflutung, in der selbst von der kleinsten Band professionelle Content-Creators super fancy Bewegtbildmaterial kreieren, mit 360°-Kameras, von vor, neben, hinter der Bühne und (gefühlt) noch aus dem Ohr des Musikers heraus, braucht natürlich niemand den Fünf-Siebtel-Song-Clip von Klaus aus Bottrop. Vermutlich nicht mal seine Kumpels in der gemeinsamen Whatsapp-Gruppe „Konzerte & Bier-Freunde“.

Andererseits bieten solche Handyvideos bisweilen ein objektiveres Bild des Geschehens als die auf Hochglanz polierten Marketingvideos: Dass METALLICA wohl das Drumming von Lars Ulrich für die Live-Bootlegs geraderücken, wäre nicht so fundiert zu diskutieren, gäbe es nicht auch unabhängig entstandenes Videomaterial. Ganz allgemein geben gerade Amateuraufnahmen oft ein aussagekräftiges Bild der Qualitäten einer Band oder – etwas nerdiger – eines Musikers ab. Zumal, auch das muss man leider anerkennen, moderne Smartphones heutzutage völlig ausreichen, um durchaus ansehnliche Clips zu produzieren.

So bitte nicht: grelle Handybildschirme raus aus dem Blickfeld der anderen!

All das sind natürlich Argumente aus der Warte des oder der Daheimgebliebenen, die sich freuen, am PC oder Smartphone an den Erlebnissen anderer Leute teilhaben zu können. Weniger erfreulich und leider auch oft das eigene Erlebnis schmälernd ist die Filmerei ohne Zweifel für diejenigen, die selbst dabei wären – wäre da nicht das Smartphone des Vordermanns (oder der Vorderfrau) in ihrem Blickfeld.

Hier ist aber nicht das Smartphone das Problem, ja, nicht einmal der Wunsch zu filmen oder Fotos zu machen – sondern schlichtweg Unbedarftheit oder, drastischer formuliert, Rücksichtslosigkeit. Und dagegen hilft, wie wir in unserer Gesellschaft derzeit an diversen Stellen beobachten können, ganz gewiss keine Bevormundung.

Der trotzige Musiker, der Fans Handys aus der Hand schlägt oder damit droht, seine Show abzubrechen, macht sich lächerlich: Wer sich auf eine Bühne stellt und (sehr viel) Geld dafür verlangt, ist nicht in der Position, den Fans vorzuschreiben, wie sie sich zu verhalten haben. Zumal die gleichen Künstler über Handys im Publikum absolut happy sind – wenn nämlich bei der Ballade alle mit ihren Handytaschenlampen für romantische Atmosphäre sorgen. Genauso lächerlich ist es, wenn Musiker (wie Randy Blythe von Lamb Of God) lauthals über Smartphone-Filmer bei ihren Konzerten schimpfen, bei Shows anderer Bands dann aber selbst vom Bühnenrand aus „live gehen“. Und ob sich die radikalen Lösungen – also „Phone-Free-Concerts“, bei denen alle Handys mechanisch verriegelt werden, oder Handy-freie Zonen (dürfte genauso gut funktionieren wie das Ruheabteil in der Deutschen Bahn) – über spezielle Events hinaus im großen Stil durchsetzen werden, ist mehr als fraglich.

Was helfen würde, und das viel niederschwelliger, wären hingegen Anstand und Diskurs. Für ersteres würde es reichen, einige wenige, aber elementare Regeln zu beachten:

  • Maßvoller Smartphone-Einsatz: So wenig wie möglich, so viel wie nötig!
  • Displayhelligkeit auf ein Minimum reduzieren – die Qualität ist die gleiche, der Störfaktor Licht minimiert.
  • Handy vor den eigenen Körper halten – wenn es selbst dich nervt, ist es Zeit, aufzuhören.
  • Handyklappen nach vorne halten – das reduziert die Sichtbeeinträchtigung der Dahinterstehenden um 50 %!

Und auch zweiteres, der Diskurs, sollte immer eine Option sein: So wie man den Fan vor sich darauf hinweisen würde, wenn dieser in Ekstase sein Bier auf die Umstehenden verspritzt, oder dem ratschenden Nebenmann zu verstehen gibt, dass er bitte leise möge, sollte man auch nicht davor zurückschrecken, penetrant filmende Personen darauf hinzuweisen, dass sie ihre Mitmenschen stören – beziehungsweise entsprechende Kritik als Filmender nicht als Beleidigung aufzufassen, sondern zu akzeptieren. Wenn selbst innerhalb der Metal-Szene dieses Mindestmaß an Verständigung und Verständnis nicht mehr vorausgesetzt werden kann, haben wir ganz andere Probleme als Handys auf Konzerten.

Display-Helligkeit reduzieren und das Handy nur kurz hochhalten hilft, Störungen zu vermeiden.

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