Interview mit Dennis von Eisheilig

Der Sommer geht, die Tage werden kürzer – ein klares Indiz, dass es Zeit für ein EISHEILIG-Album ist. Nachdem die Wittener Gothic-Formation im letzten Jahr mit ihrem Drittwerk „Elysium“ für Aufsehen gesorgt hat, warfen sie nun mit neuer Besetzung und differenziertem Stil „Auf dem Weg in Deine Welt“ in die Waagschale. Grund genug für uns, ein paar Worte mit Frontmann Dennis zu wechseln, der auch sogleich ausführt, wie es zu der neuen Konstellation gekommen ist.

„Niklas, der von Beginn an Bass bei uns gespielt hat, ist nicht mehr dabei. Er ist vor kurzem zum ersten Mal Vater geworden und möchte sich nun verständlicherweise mehr um seine Familie kümmern.“ Ersatz war in Markus Vogler rasch gefunden, die Frage, ob er „verantwortlich“ für den neuen Sound ist, verneint Dennis aber: „Als Markus in die Band kam, waren die Songs praktisch bereits alle fertig. Wir waren diesmal sehr schnell, was daran lag, dass wir nach „Elysium“ einfach den Kopf voller Ideen hatten. Wir hatten die finstere, schwermütige Seite von EISHEILIG voll ausgekostet und waren bereit, der Band einen anderen Ausdruck zu verleihen. Wir orientierten uns 2007 mehr an Rockmusik im eigentlichen Sinne, als wir es bei den früheren Alben getan haben.“ Passend dazu zierte ein Zitat von Gitarrist Till Maiwald das Infopapier, in dem er den Standpunkt vertritt, dass EISHEILIG alles Negative inzwischen gesagt haben. Meine anfängliche Befürchtung, dass EISHEILIG damit ihre ganz eigene Melancholie eingebüsst haben, konnte bereits durch die neue CD wiederlegt werden und auch Dennis ist es wichtig zu betonen, dass die melancholische Ader weiterhin vorhanden ist. Jedoch gebe es jetzt halt auch diese kämpferische, beinahe wütende Atmosphäre, man sei einfach abwechselungsreicher geworden. Aus dieser Position betrachtet macht das Cover (das geflügelte Pferd „Pegasus“) natürlich Sinn, verkörpert es doch diese Aufbruchsstimmung der Band. Ich persönlich finde das Cover nach dem großartigen „Elysium“-Artwork etwas dürftig. Dennis sieht die naturgemäß anders: „Hm, ich finde das irgendwie ganz lustig, für die einen ist es grauenvoll, während andere finden, dass es unser bestes Cover überhaupt ist.“

Es polarisiert und polarisiert und polarisiert

Schaut man sich bisherige Rezensionen an, fällt auf, dass diese im Bezug auf EISHEILIG lange nicht mehr so differenziert ausgefallen sind. Etlichen positiven Resonanzen stehen beinahe ebenso viele negative Meinungen gegenüber. Da soll uns Dennis doch mal erklären, warum „Auf dem Weg in Deine Welt“ dennoch das bisher beste Album der Wittener ist. „Ja, es ist natürlich klar, dass eine Band subjektiv immer meint, ihr aktuellstes wäre das beste Album, immerhin entspricht es ja dem Status-Quo ihrer Entwicklung und spiegelt den Ist-Gemütszustand wieder. Zugegebenermaßen wird es für uns aber nicht leicht, ein repräsentatives Live-Repertoire zusammenzustellen, da sich die Alben doch sehr unterschieden.“ An dieser Stelle harke ich natürlich nach, wie wird die Umsetzung des neuen Konzepts auf der Bühne sein? Bei „Elysium“ war die Bühnenshow ja ganz auf das Album abgestimmt. „Es wird diesmal auch so sein, dass auf der Bühne Bezug auf das Album nehmen, jedoch nicht so bildgewaltig wie zuletzt, das würde zu den neuen Songs auch gar nicht passen. Uns schwebt da eher eine Rockshow im klassischen Sinn vor.“
So wird das Auftreten der Band wohl auch diejenigen bestätigen, die das neue Material als Schritt in eine sanftere Richtung sehen, doch auch die Fans, die sich über eine willkommene Weiterentwicklung freuen, haben eine berechtigte Stimme. „Wie gesagt, es polarisiert extrem, aber in Zeiten, wo Kommerz aufgrund von Charterfolgen von Metallica oder Rammstein ohnehin neu definiert werden muss, ist mir so was eigentlich egal.“ Ohne Frage, einige Rechte muss man einem Musiker zugestehen, trotzdem komme ich nicht umhin, Dennis nach dem Sinn des Hidden-Tracks zu fragen, der zu allem Überfluss erst nach Minuten der absoluten Stille ertönt. „An sich bezwecken wir da nichts Bestimmtes mit. Ich als Hörer finde es selber immer ganz nett, wenn da irgendwo noch was versteckt ist, das liegt wohl daran, dass ich als Kind immer so gerne Ostereier gesucht habe, haha.“

Große Worte, große Bilder – kleine Worte, große Taten

Ostereier sind ein gutes Stichwort, konnte man in den bisherigen Alben immer wortgewaltige, pathosreiche Bilder voller Opulenz finden, sucht man diese inzwischen mit der Lupe. Ein klares Resultat der Freiheit, die sich Dennis genommen hat, als er die Lyrics verfasste. „Ich habe den Rahmen dessen, was bei EISHEILIG passieren „darf“ und was nicht einfach gelockert. Es war mir einfach das Bedürfnis, gewisse Ketten, die ich mir selber angelegt habe, zu sprengen.“ Das Ergebnis sind einfachere Texte auf der einen, persönlichere Texte aber auf der anderen Seite. „Sie haben einen direkteren Zugang zu mir und meinen Gedanken. Des weiteren beschäftige ich mich weiterhin mit religiösen Thematiken, obwohl ich kein wirklich religiöser Mensch im konventionellen Sinn bin.“ Zwar werden die Texte auch in Zukunft aller Voraussicht nach auf Deutsch verfasst, da „EISHEILIG eine deutsch-textende Band ist“, allerdings schließt Dennis einen englischen Text nicht aus: „Wir haben mit „Love Street“ von den Doors bereits ein englisches Coverlied gemacht (auf dem Debüt „Eisheilig“, Anm. d. Verf.). Ich kann mir schon vorstellen, mal den einen oder anderen Song auf englisch zu machen, einfach mal so Spaß an der Sache.“ Apropos Texte, Kollege Sascha Blach vom Legacy hat nicht nur den Infotext auf der EISHEILIG-MySpace-Seite, sondern auch das Begleitschreiben zur neuen CD verfasst. „Wir kennen Sascha nicht wirklich. Ich denke mal, dass er vielleicht Gefallen an unserer Musik gefunden hat, außerdem kann er gut schreiben, und so hat die Plattenfirma ihn beauftragt, einen Infotext über uns zu schreiben.“

Wie sehr schmerzen illegale Downloads, wenn man 400.000 CDs verkauft

Diese Frage stellte ich Dennis ebenso, auch wenn sie etwas anders lautete. Immerhin bietet das Internet gerade für mittelmäßig bekannte Bands wie eben EISHEILIG diverse Plattformen, um mit wenig Aufwand eine große Zahl potentieller Käufer zu erreichen. Erstaunlicherweise wiegelt Dennis jedoch ab: „Ich bin mir nicht so sicher, ob das Internet kleinen Bands mehr Möglichkeiten bietet…Die Masse ist inzwischen so groß, dass Einzelne auch wieder unterzugehen drohen. Natürlich sind Seiten wie „MySpace“ eine schicke Erfindung, um kostenlos ein bisschen Aufsehen zu erregen, aber letztlich kaufen nur deswegen nicht mehr Leute Deine CDs.“ Zum Thema illegale Downloads gibt er sich allerdings recht aufgeschlossen: „Diese Downloads betreffen natürlich auch größere Bands, nur ist der Verlist halt anders zu bewerten, weil über den normalen vielleicht noch 400.000 CDs verkauft werden. Ich fand kürzlich eine Aktion zu dem Thema von „Radiohead“ sehr gelungen: die Band stellte ihr neues Album ausschließlich ins Netz und bot den Downloadern an, so viel Geld dafür zu zahlen, wie ihnen das Album wert ist. Ein Drittel der Hörer zahlte gar nichts, zwei Drittel gaben Geld, geniale Aktion!!“ Meine Meinung ist da ein wenig anders, erstens kann man so was natürlich nur durchziehen, wenn man eine bekannte Band ist und zweitens finde ich es generell schade, wenn Musik nur über das Netz zu beziehen ist, irgendwie will man ja doch auch die CD als solche in den Händen halten.
Eine Sache, die man so oder so real erlebt, sind Konzerte. Und wie jede Band, die ein Album auf den Markt geworfen hat, werden natürlich auch EISHEILIG im Anschluss daran live aktiv sein. Bisher spielten sie zwar keine neuen Lieder, aber dies wird sich im Dezember ändern, wenn es mit „Letzte Instanz“ durch die Lande geht. Leider wurde diesmal auf eine Release-Party verzichtet, die hier in Witten sicher wieder für einigen Wirbel gesorgt hätte. „Tja, das hat sich halt nicht ergeben, wir hatten einfach zu viel um die Ohren mit unserem Management und so, so dass die Tour mit den Labelkollegen der Einstand mit „Auf dem Weg in Deine Welt“ sein wird. In erster Linie werden wir natürlich neue Songs spielen, aber ich denke, dass wir sogar „Tanz mit mir“ wiederbeleben werden, was wir ohnehin vor hatten und nun mit dem neuen Material passt es sicher auch ganz gut. Einige Online-Magazine hatten diesbezüglich über verloren gegangene Härte geklagt, aber so was kann ich absolut nicht nachvollziehen. Muss ich aber auch nicht…;-).“ Die Frage Club-Konzert oder Festival ist hingegen weniger leicht zu beantworten. „Ich finde, das hat beides seinen Reiz! Festivals sind halt immer sehr stressig und unpersönlich, weil meist eine Band die andere ablöst und alles schnell gehen muss. Dennoch ist es natürlich eine schöne Abwechselung, auch mal vor 1000-2000 Leuten zu spielen, zumal dann auch größere Bands dabei sind.“

Zukunftsmusik

Ebenso vage sind die mittelfristigen Planungen. Zunächst einmal steht die angesprochene Tour mit „Letzte Instanz“ an, danach will die Band zwar möglichst viele Festivals und Gigs mitnehmen, spruchreif ist da aber noch nichts. „Zu einer neuen CD kann ich jetzt noch gar nichts sagen, wir werden so schnell wie möglich daran arbeiten.“ Dies ist allzu verständlich, wenn man bedenkt, dass die Herrschaften natürlich auch regulären Jobs nachgehen müssen. „Musik machen benötigt extrem viel Zeit und es schlaucht sehr, wenn man zweigleisig fahren muss. In unsrer Stilrichtung sind Bands, die von ihrer Musik leben können, die absolute Ausnahme. Ich bin immer sehr erstaunt, wenn manche Leute denken, nur weil man im Saturn eine CD im Fach hat, hat man es „geschafft“ oder ist ein „reicher Mann“. Das hat mit der Realität nichts zu tun. Wir könnten nicht mal im Ansatz und mit viel gutem Willen von EISHEILIG leben.“ Hmm, ehrlich gesagt hatte ich nicht erwartet, dass so viele Menschen so denken, Dennis‘ Ausführungen sind da doch wesentlich realistischer. Bevor ich ihm die obligatorischen letzten Worte erteile, kommt er aber um das (diesmal recht entschärfte) Wortspiel aber nicht herum.

Herbst: macht nachdenkliche und gute Laune
Politik: keine Macht für Niemand
Witten: rockt!
Pils oder Alt oder Weizen oder…: Pils
Finnen-Rock: rocken auch

„Wir danken Euch, unseren Hörern, für den langen Weg, den Ihr mit uns gegangen sind und hoffen sehr, Euch auf der kommenden Tour im Dezember zu treffen. Vielen Dank für das Interview und auf das eine oder andere Getränk im Klimbim die Tage!“

Publiziert am von Jan Müller

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