Konzertbericht: Nebiros w/ Temple Of Oblivion

11.12.2015 Jena, Rosenkeller

11_12_2015_jena - Kopie

Black Metal ist in der Thüringer Studentenstadt Jena wenig begehrt. Im Getümmel des Stadtbildes wuseln barfußgehende Gewandträger zu einer Vorlesung des Soziologischen Institutes und Sportstudenten rasen auf ihren Rädern und mit Club Mate in der Hand vorbei an den Rudeln von adoleszenten Hipstern, aber eine kleine Truppe Kuttenträger, deren Patches nahezu unlesbare Namen tragen, tritt selten zutage. Das junge Label Necro Genocide Records möchte genau das ändern, in dem es sich anschickt, unter dem Banner des Necrotic Flames Of War die Bühne des Rosenkellers in regelmäßigen Abständen mit Black-Metal aus In- und Ausland zu bestücken. 

iron kndl pest logo

Den Startschuss hierfür liefert das Necrotic Flames Of War I, welches nicht nur fünf Bands, sondern auch die Hoffnung im Gepäck hat, dass dieses Unterfangen einen guten Einstand hinlegen wird. Während des Auftritts des sympathischen Openers IRON KINDL PEST, einem Berliner Trio, scheint das eher weniger der Fall zu sein: Die nicht vielen Besucher scheuen nicht nur körperliche Aktivität, während dieses dynamische Black/ Thrash-Gemisch mit seinen knappen Songs nach vorne prescht, sondern auch die Interaktion, welche die charismatischen Jungs stets suchen. Auch wenn IRON KINDL PEST nur wenige Zuschauer hatten, boten sie diesen ein Set, welches das Herz eines jeden Genre-Grenzgängers erfreut.

MDCLXVI logo

Apropos erfreuen: Die Instrumente sind in diesem Kellergewölbe, welches schon so manches Konzert in einen lauten, dumpfen Brei hat münden lassen, erstaunlich gut abgemischt, was der nachfolgenden Band MDCLXVI natürlich entgegenkommt. Weniger zuvorkommend: Die Unart des Rosenkellers, auf dem ersten Floor völlig deplatzierte Musik vom Band laufen zu lassen, so laut, dass man das Konzert auf dem zweiten Floor, welches dahinter liegt, schlichtweg überhören und somit verpassen könnte.

Denn auf eben jenem bemühen sich die Berliner von MDCLXVI, den Raum mit ihrem straighten Black Metal langsam zu füllen, während in nur geringer Entfernung Jazz-artiges Gedusel läuft. Ein schwieriges Unterfangen, sodass diese Truppe, die mit ihrem Corpsepaint verdeutlich, dass der Black Metal Einzug im Rosenkeller gefunden haben sollte, ihr akkurates Spiel im guten Soundgewand wieder nur wenigen Besuchern präsentieren kann.

THROMOS logo

Bei THROMOS ändert sich dieses Bild langsam, was sich vielleicht auch mit der Neugier der Zuschauer erklären lässt, denn die Band setzt auf ein großes Arsenal an Kerzen und Räucherstäbchen, welches erst überall auf der Bühne verbaut wird, ehe die lange Kutten tragende Kombo ihre Instrumente in die Hand nimmt. Aus diesen holen die Black Metaller alles heraus, indem die nahezu regungslos ihre Songs in feinster Raw-Black-Metal-Manier durchknüppeln und dabei an ihre finnischen Kollegen von Behexen und Sargeist erinnern.

Es ist unmöglich, sich den Takt des Drummers auch nur irgendwie zu nähern, so schnell prügelt er über die Felle! Und umso verstörender ist es für den Zuschauer, dass in der Umbaupause sanft dahinplätschernde Musik, teils jazzig, teils elektronisch, aus den Boxen dröhnt und das gerade erlebte gute Gedresche von THROMOS schnell vergessen lässt.

TEMPLE OF OBLIVION logo

Erst als die ebenfalls Corpsepaint und lange Gewänder tragenden Chemnitzer von TEMPLE OF OBLIVION ihr Intro anstimmen, wird dem Hörer wieder klar, wofür er nochmal die 15€ bezahlt hat: für Black Metal! Und dieser tritt bei TEMPLE OF OBLIVION in seiner epischsten Form auf, denn das Quintett fesselt von der ersten bis zu letzten Minute mit Songs, die abwechslungsreicher und spannender kaum sein könnten!

Boten die beiden Bands zuvor viel repetitives Riffing, erklingen nun sich steigernde Klanglandschaften sowie martialische Samples von der Bühne; zwar wirkt jeder Song einmalig und in sich geschlossen, dennoch ist das gesamte Set von TEMPLE OF OBLIVION ein homogenes Stück Musik, das fesselt und die Zuschauer – endlich und wohlverdient – zum Headbangen verführt. Mit Abstand stellen die Chemnitzer das bisherige Highlight des Abends dar, vordergründig, aber nicht nur musikalisch, sondern auch dank ihrer Aufmachung, weil die Schminke, die Kerzen, die Fahnen und die Kutten genau zu dem passen, was TEMPLE OF OBLIVION auf der Bühne präsentieren.

nebiros logo

Nachdem der gefühlte Headliner die Bühne verlässt, legen diese die Messlatte für den eigentlichen Co-Headliner, NEBIROS, sehr hoch an. Und nicht nur das: Dank eines völlig aus dem Ruder gelaufenen Zeitplanes beginnen die Polen nicht wie vorgesehen halb zwölf mit ihrem Auftritt, sondern ganze zwei Stunden später. Nachdem viele Besucher nach TEMPLE OF OBLIVION das Konzert verlassen haben, werden auch die Augen der restlichen Zuschauer stetig schwerer und NEBIROS stehen nun vor der undankbaren Aufgabe, mindestens so mitreißend wie ihr direkter Vorgänger zu sein und vor einem stark geschrumpften Publikum zu spielen.

Und obwohl die vier Musiker erst kurz nach halb zwei ihren ersten Song anstimmen, wirken NEBIROS noch absolut vital. Aber das müssen die Polen auch sein, schließlich sind ihre Songs wahre Riff-Giganten, die dank ihrer starken technischen Schlagseite stellenweise eher im Tech Death beheimatet sein könnten als im Black Metal. Die Fingerakrobatik der Saitenspieler sowie das flinke Drumming gefallen den noch wenigen Zuschauern, können aber leider nichts daran ändern, dass NEBIROS den Schaden für die enorme zeitliche Verschiebung zu tragen haben.

Ein Abend mit fünf Bands, bei der jede musikalisch etwas zu bieten hat und keinen Zuschauer zum Gähnen animiert, ist selten. Ein Abend, an dem nur Black Metal gespielt wird, aber zwischen den Bands eine derart unpassende Musik in den Umbauphasen läuft, dass man sich glatt auf dem falschen Konzert wähnt, allerdings auch. Toleranz für alle Genres hin oder her, ab einem gewissen Ticketpreis sollte der Zuschauer auch das bekommen, wofür er löhnte, und zwar durchgängig. Wenn dieser Makel beim Necrotic Flames Of Hell II aufgehoben und das Billing erneut mit so guten Bands bestückt sein wird, besteht für Jena eine reele Chance, sich zumindest in regelmäßigen Abstand als Bleibe für einige Schwarzträger etablieren zu können.       

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