Konzertbericht: Saga

2005-12-09 Pirmasens, Quasimodo

Da sich der kanadische Fünfer relativ kurzfristig dazu entschlossen hatte, eine Live-DVD im Prattelner Z7 (Schweiz) aufzuzeichnen, kam ich dieses Jahr also doch noch in den Genuss meiner jährlichen SAGA-Konzertdosis: Wenn auch nur irgendwie möglich, nehme ich jede Tour der Jungs mit. Also nichts wie auf ins Rheinland-Pfälzische Städtchen Pirmasens, sind ja nur 280 Kilometer, es ist schließlich SAGA! Hier sollten die Jungs eines der sechs Weihnachtskonzerte im kleinen aber feinen Quasimodo geben. Sie kamen direkt aus der Schweiz und spielten exakt die Setlist des Prattelner Konzerts. Aber es war alles andere als ein normaler Abend!

Zunächst war da natürlich die Tatsache, dass der Gig erst um 22 Uhr losging. Das nimmt man aber gern in Kauf, wenn sich die Band vorher noch zu einem Meet&Greet mit den Fans überreden lässt. Ab 20 Uhr waren Michael Sadler, Jim Gilmour, Ian Crichton, Jim Crichton und der neue Drummer Brian Doerner für die versammelten Fans da, gaben bereitwillig Unterschriften auf den unterschiedlichsten Textilien, CDs und Postern aus jeder nur erdenklichen Bandphase. Ein wenig Zeit für Smalltalk war ebenso. Insgesamt wirkte das Ganze jedoch etwas sehr routiniert, Michael Sadler schien nur halb bei der Sache zu sein, Gitarrist Ian Crichton und Keyboarder Jim Gilmour wirken merkwürdig nervös. Trotzdem war es eine schöne Sache, mal ein paar Worte mit den Jungs wechseln zu können. Ich kann allerdings nicht unterschlagen, dass ich nach diesem kurzen Treffen mit der Band, die schon nach 30 Minuten wieder verschwunden war, ein relativ schlechtes Gefühl bzgl. des bevorstehenden Abends hatte.

Es sollte nun also noch ca. 90 Minuten dauern, bis die Jungs die Bühne entern würden. Währenddessen musterte ich Konzerthalle und Stage. Es stand uns wohl, wie erwartet, ein Konzert mit sehr kleinem Aufwand bevor. Als Merchandising hatte die Band lediglich die T-Shirts der letztjährigen Network-Tour mitgebracht, es schienen keine zusätzlichen Scheinwerfer und keine Leinwand angebracht worden zu sein. Alles deutete auf einen kleinen, puristischen, aber feinen Gig mit etwa 400 Zuschauern hin. Positiv aufgefallen war mir allerdings das Drumkit von Brian Doerner, auf dem endlich wieder der klassische SAGA-Schriftzug angebracht war und das zudem wieder um elektronische Komponenten ergänzt war, was ich seit dem Weggang von Steve Negus bei SAGA schmerzlich vermisst hatte. Der Steve Negus-Ersatz Christian Simpson hatte diese nie an Bord gehabt. Ich sicherte mir schnell meinen Platz in der ersten Reihe. Die Uhr strebt gegen die Zehn, nun kann’s aber auch mal losgehen!

Tatsache, kurz nach Zehn geht das Licht aus und atmosphärische Keyboardsounds mit sattem Bass kündigen die Show an. Die fünf Jungs kommen auf die Bühne und gehen direkt in – man glaubt es kaum – „Pitchman“ über. Das war schon mal eine Überraschung, sollte aber nicht die einzige des Abends bleiben! Lange hat man diesen Song schon nicht mehr gehört, erst recht nicht so impulsiv dargeboten! Mit dem nachfolgenden „Give’em The Money“ gehen SAGA zurück bis ins Jahr 1978. Ein Track vom Debüt, den ich noch nie live gehört habe und der ungemein gut rüberkam. Gleich die nächste Überraschung also! Bereits an dritter Stelle folgte der Dampfhammer „You’re Not Alone“, der wie immer lauthals vom Publikum mitgesungen wurde. Jenem kann man übrigens attestieren, an diesem Abend super gewesen zu sein. Es scheint tatsächlich was an dem Gerücht dran zu sein, dass SAGA im Süden besser ankommen als im Norden. Äußerst textsicher sangen die Anwesenden nahezu ununterbrochen mit. „See Them Smile“, ebenso wie „You’re Not Alone“ vom fantastischen „Images At Twilight“-Album, rockte sehr gut nach vorn. Hier wurde mir dann so langsam endgültig klar, dass die Band doch einen sehr guten Abend erwischt hatte. Ian Crichton und Brian Doerner scheinen sich blendend zu verstehen, die beiden rocken einfach, dass es eine wahre Freude ist. Nie war der Drumsound bei SAGA vitaler, variantenreicher und knackiger. Brian gibt den Songs ein ganz neues Heavy-Fundament, ohne die technischen Details und Fills zu unterschlagen. Ich äußere hiermit ganz offiziell den Wunsch, dass dieser Kerl bei der Band bleibt, einfach super! Ian scheint dadurch wahrlich beflügelt zu werden. Nie war seine Gitarre so heavy und laut, nie spielte er so viele Powerchords wie an diesem Abend, läuft von einer Bühnenecke auf die andere Seite, grinst breit vor sich hin und post sogar rum! Er wirkte äußerst fit, spielfreudig und schien auch wieder etwas abgenommen zu haben. Die beiden hatten definitiv ihren Spaß! Michael Sadlers Gesangsperformance war absolut fehlerfrei, routiniert und kraftvoll. Dieser Mann scheint nicht älter zu werden. Bassist Jim Crichton hat von allen immer noch am wenigsten zu tun und vertreibt sich die Zeit meistens mit Rumposen und ein bisschen Bassspielen. Keyboarder Jim Gilmour hatte seine acht Synthesizer auch wieder perfekt unter Kontrolle. Es versprach also doch ein bombiger Abend zu werden!

Mit „The Runaway“ kam dann ein neuerer Live-Lieblingssong der Band, der für mich nach wie vor verzichtbar ist. Dafür hätte ich z.B. lieber „Don’t Make A Sound“ vom aktuellen Studioalbum „Network“ gehört. Aber da darauf „Ice Nice“ folgte, war das alles schnell vergessen. Ein absolutes Juwel von einem Song, unheimlich rituell und einfühlsam performt und von Ian Crichton mit einem unheimlich gefühlvollen, epischen Gitarrensolo veredelt. Selten live gehört und deshalb ganz besonders wertvoll! Mit der Frage „Welcher ist euer Lieblingssong vom Album Worlds Apart?“ leitet Michael Sadler dann die Komplettaufführung des kommerziellen Höhepunkts der Band ein. Wie schon 2004, gabs das Album „Worlds Apart“ wieder ganz zu hören. Schön, wieder Jim Gilmour bei „No Regrets“ ein Oboensolo spielen zu sehen und dabei mit dem mitsingenden Publikum in fremde Sphären zu schweben. Das epische „No Stranger“ und das grandiose Instrumental „Conversations“ bilden für mich hier die Highlights, die absoluten Charthits „Wind Him Up“ und „On The Loose“ sind natürlich wieder ultimative Stimmungsmacher. Während „Wind Him Up“ kommen endlich wieder die E-Drums zum Einsatz. Leider scheint etwas mit den Dingern nicht ganz in Ordnung zu sein, Brian schlägt teilweise mehrmals äußerst stark darauf, ohne das ein Ton erklingt. Auch „Time’s Up“ wird diesmal in der klassischen Version dargeboten. Auch hier müssen wir also nicht auf die E-Drums, die hier gottseidank problemlos funktionieren – und auf das laute Publikum – verzichten. Selbst Songs wie „Amnesia“ werden mitgesungen. Das soll was heißen.

Nach den neun „Worlds Apart“-Songs gehen bis auf Jim Gilmour alle von der Bühne und jeder weiß nach seiner Anfrage „Do you feel like singing?“, dass nun „Scratching The Surface“ folgen muss! Im Anschluss gibt’s mit „Keep It Reel“ dann wieder einen Heavy-Song vom neuesten Album. Kommt mit dem neuen Schlagzeuger ungemein gut, ich bin überrascht! Und dann schon wieder eine Überraschung. Die E-Drums kommen schon wieder ausgiebig zum Einsatz: Man hat doch tatsächlich „We’ve Been Here Before“ aus der Trio-Pop-Phase der Band hervorgekramt und verwandelt das Ding zu einem 1A-Stampfer. Respekt!! Nun beginnt wieder der klassische Teil: Michael Sadler schnappt sich den Bass, d.h. für alle Fans: Jetzt kommt „Humble Stance“! Ohne Worte, ein Song für die Ewigkeit, ein Musterbeispiel für perfekten Progressive Rock in nur fünf Minuten. Ian gelingt das abschließende Gitarrensolo heute besonders gut, was auch nicht alle Tage der Fall ist. Und nun kündigt der Hihat-Schlag von Brian an, dass die ultimative SAGA-Hymne folgt: Es ist Zeit für „Don’t Be Late“! Traumhaft schön und wieder ungewohnt hart. Michael Sadler ist dank dem lauten Publikum kaum zu hören. Gut 1 ¾ Stunde ist wie im Flug vergangen, die Band verabschiedet sich vorerst von der Bühne.

Damit dürfte der Zugabenteil klar sein, dachte ich mir. „The Flyer“ und „Careful Where You Step“ fehlten eigentlich noch in der Riege der Klassiker. Doch erstens kommt es anders und zweitens, als man denkt! Zunächst kommt nur Brian zurück auf die Bühne und spielt sich mit einem kurzen, aber Eindruck hinterlassenden Schlagzeugsolo in die Fanherzen. Der Kerl hat’s drauf, wirklich! Wartet ab, wie fit der erst nächstes Jahr ist, wenn er alles im Schlaf spielen kann. Wenig später kommt Ian zurück auf die Bühne und soliert wild drauflos. Auch wenn das nur eine Fingerübung war – es ist ein weiterer Beweis für den neuen Weg, den SAGA beschreiten. Übrigens sei hier angemerkt, dass dies das erste SAGA-Konzert überhaupt war, auf dem ich Ian neben der Bühne habe rauchen und ihn „rocker-mäßig“ seine Zigaretten einfach auf der Bühne hab austreten sehen. Sehr seltsame Anwandlungen bei dem ansonsten so schüchternen Herren. Neuerdings will man also ne richtig derbe Rockband sein! Die Gitarrennoises gehen schließlich direkt in einen weiteren Song vom Debüt über: „How Long“! Auch damit hab ich kein Stück gerecht, da die Band den Song eigentlich seit ein paar Jahren aus ihrem Liveprogramm genommen hat. Umso schöner, ihn heute noch mal zu hören. Mit „Careful Where You Step“ geht dann ein toller Konzertabend zuende. Haben die doch tatsächlich das erste Mal auf meinen neun SAGA-Konzerten „The Flyer“ nicht gespielt.

Was bleibt ist die Erkenntnis, dass die Jungs ein super Publikum voller treuer, echter Fans hatten und das man für einen geilen Gig keine aufwändige Lightshow braucht. Ein paar festinstallierte Strahler reichen. Denn den Rest machen die Herren Michael Sadler, Ian Crichton, Jim Gilmour, Jim Crichton und Brian Doerner, der mit Ian mein persönlicher Held des Abends ist. Ein absolut netter, fröhlicher Geselle, der gut ins Saga-Team passt und spielerisch eine Glanzleistung abgeliefert hat. Es besteht kein Zweifel: Diese vollen zwei Stunden haben wieder einmal bewiesen, dass SAGA zu den besten Livebands unseres Planeten zählen.

Setlist:
– Intro
– Pitchman
– Give’em The Money
– You’re Not Alone
– See them smile
– The Runaway
– Ice Nice

– On The Loose
– Wind Him Up
– Amnesia
– Framed
– Time’s Up
– The Interview
– No Regrets
– Conversations
– No Stranger

– Scratching The Surface
– Keep It Reel
– We’ve Been Here Before
– Humble Stance
– Don’t Be late

– Drum Solo
– How Long
– Careful Where You Step

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