Konzertbericht: Styx w/ Kansas

2005-06-08 Hamburg, Laeiszhalle

Was für ein Package: Zwei große und immer noch vitale Bands der 70er laden zu einem symphonisch-progressiven Abend in die edle Laeiszhalle, nachdem die Veranstaltung vom Stadtpark hierhin verlegt worden war. Und die Halle hatte es wahrhaftig in sich: Tolle Atmosphäre zwischen Theater & Oper, freundliches Personal, warmes Licht, eine riesige Bühne und natürlich mein Sitzplatz in der zweiten Reihe der sündhaft teuren Preiskategorie I (ca. 50 Euro).

Dabei sah es lange Zeit so aus, dass ich diesen einmaligen Abend gar nicht miterleben könnte. Eigentlich war ja Arbeiten angesagt, durch pures Glück hatte ich nun doch die Möglichkeit erhalten, dem Event beizuwohnen und in letzter Minute mein Ticket per Expressversand geordert. Kam mir doch sehr entgegen, denn schließlich kann man sich nie sicher sein, ob man nochmals die Gelegenheit bekommt, die Jungs live zu sehen, wenn man ihr hohes Alter bedenkt.

Das Konzert war von mir von Anfang an als Duo-Headliner-Show verstanden worden, so wie es auch auf der Karte stand (Styx/Kansas) – mit der stillschweigenden Annahme, dass Kansas der zweite Act des Abends werden würde. Beide Bands hatte ich zuvor schon live gesehen und für gut befunden, zu Kansas jedoch seither mehr Bezug aufgebaut.Umso schockierter war ich dann, als ich feststellen musste, dass die Band scheinbar als Erste spielte. Steve Walshs Kurzweil-Keyboard und Phil Eharts Yamaha-Drums waren im Vordergrund der Bühne aufgebaut – das war Hinweis genug. Bereits hier erhielt der so sehr ersehnte Abend also schon einen ersten Stimmungsknick. Als die Fünf dann allerdings mit den Tönen von „Belexes“ und der traditionellen Ansage „Good evening and welcome to KANSAS!“ die Bühne betraten, war dies schnell vergessen und pure Faszination machte sich breit. Violinenspieler Robby Steinhardt hat es vielleicht mit seiner Ansage am besten in Worte gefasst: „Just because you’re 55 years old that doesn’t mean you’re not able to rock!“.
Steve Walsh präsentierte sich äußerst fit, hüpfte immer noch hinter seinen Keyboards herum und sang sich die Seele aus dem Leib. Wenn dieser Mann auf der Bühne steht, ist er völlig weggetreten, geht völlig in seiner Musik auf und lebt sie (und das ohne Drogen!). Billy Greer am Bass machte seinen Job gewohnt souverän, Drummer Phil Ehart ist das Uhrwerk vor dem Herrn mit einem absolut klaren, druckvollen Sound. Gitarrist Richard Williams trägt jetzt nicht nur Augenklappe, sondern auch Brille und spielte ungewohnt heavy. Nach zwei, drei Songs war klar, dass die Jungs einen verdammt guten Abend erwischt hatten. Sie spielten mit höchster Perfektion, tight und druckvoll nach vorn. Neben epischen Longtracks wie „Song For America“ bestand die Setlist auch aus Klassikern wie „Point Of Know Return“, „Dust In The Wind“ und „Carry On My Wayward Son“. Die letzten beiden wurden unter frenetischem Beifall und mit nahezu komplett stehendem Publikum als Zugaben dargeboten. Im Mittelteil des Sets gabs eine ausgedehnte Rock’n’Roll- / Bluessession auf der Grundlage von „Bringin’ It Back“. Als man nach den Zugaben die Bühne räumte und die Pausenmusik ertönte, wagte ich einen vorsichtigen Blick auf die Uhr, zumal ich die Zeit während der phänomenalen Performance der Herren vergessen hatte. Es war doch erst etwas mehr als eine Stunde vergangen. Damit nahmen KANSAS also wohl doch nur den Opening-Act-Status ein. Sehr schade. Der wichtigste Teil des Abends war damit für mich bereits vorbei.

Nach gut einer halben Stunde Pause enterten STYX dann die Bühne, welche ihnen auch die nächste 1 ¾ Stunde gehören sollte. Die Band war in den vergangen Jahren immer mehr zerfallen, Bassist, Schlagzeuger und Keyboarder waren jedenfalls ausgetauscht bzw. ersetzt worden. Mit Tommy Shaw und James Young waren aber zwei wichtige Köpfe dabei. Im Studio konnte man immer noch respektable Resultate erzielen, Alben wie „Brave New World“ waren seinerzeit durchaus hörenswert. Live hingegen schienen sie die Magie nicht rüberbringen zu können. Zwar war die Setlist mit Songs wie „Miss America“, „Boat On The River“, „Lady“, „Crystal Ball“ und „Snow Blind“ durchaus mit Highlights ausgestattet, die auch richtig Spaß machten, dennoch blieb die große Begeisterung (nicht nur) bei mir aus.
Der neue Drummer Todd Sucherman machte seinen Job, genauso wie der neue Bassist Ricky Phillips, durchaus respektabel, wirkte aber ein bisschen wie ein Holzfäller und hatte unter dumpfem Sound zu leiden. Generell war der Sound gegenüber KANSAS um einiges schlechter, da breiiger und vielmehr auf Breitwand als auf Perfektion und Details ausgelegt. Größtes Problem des Abends war jedoch nicht der Sound oder die musikalische Darbietung der Band, sondern die Art und Weise, wie sie sich auf der Bühne gaben. Gewollte, aber unecht wirkende Rockposerei und stumpfe Ansagen führten bei mir schnell zu mangelndem Interesse an dem Auftritt. Den Vogel jedoch schoss der neue Keyboarder Lawrence Gowan ab, der in musicalähnlichen Klamotten, mit blöden Grimassen und einem 360°-Drehkeyboard mit Leuchtschild „Styx“ die totale Komikfigur darstellte. Er verhielt sich jedenfalls nicht seinem Alter entsprechend und wirkte sehr unsympathisch auf mich. Sein ach so tolles, aber in Wirklichkeit total banales Bar-Pianosolo, welches auch noch über etliche Minuten gestreckt wurde, hätten sich STYX ebenso sparen sollen, wie die beiden Coversongs „I’m The Walrus“ (Beatles) und „I Don’t Need No Doctor“ von ihrer neuen Studio-Coverplatte „Big Bang Theory“. Mit Big Bang war da gar nichts. Der Keyborder machte mich irgendwann so wahnsinnig, dass ich mich entschloss, nur noch die Musik zu genießen und mich wieder hinzusetzen – da inzwischen alle Leute um mich herum aufgestanden waren, war ich zwangsläufig dazu verdonnert worden, mitzuziehen. Applaus gabs von mir übrigens nur bei den oben erwähnten Highlights. Das Medley aus 18 STYX-Songs war nicht nur ziemlich schlecht performt, es enthielt ausschließlich nichtssagende Passagen aus höchstens mittelmäßigen Songs der Band und nahm somit einen viel zu langen Teil des Sets ein.
Einziger Lichtblick war der Ursprungsbassist Chuck Panozzo, der nach gut der Hälfte der Songs sich zu der Band gesellte und (ab und zu) mitspielte. Das führte dazu, dass der „neue“ Bassist nun ebenfalls Gitarre spielte. Man hatte nun also drei Gitarristen, die klangen wie ein einziger.

Fast wie ein Versöhnungsangebot kam dann die Aktion „Styx geben euch ein persönliches Präsent auf ihrem Konzert, da ihr so ein geiles Publikum ward“. Da gab es massenhaft Schlagzeugstöcke, Luftballons und Frisbeescheiben. Schuldigung, aber das war einfach nur lächerlich und höchstens nett. Ich nehme den Jungs absolut nichts ab, ich glaube nicht, dass sie in irgendeiner Weise hinter ihrer Musik stehen und Spaß daran haben.
Somit lässt sich zusammenfassend wohl sagen, dass hier klar die falsche Band im Vorprogramm spielte und die Reihenfolge andersherum hätte sein müssen (Styx-Fans nennen das: „Kansas darf man natürlich nicht als Opener wählen – die sind doch viel zu heavy!“). Selbst Styx-Fans wirkten teilweise sehr enttäuscht. Umso schlimmer, dass die mit KANSAS beste Liveband des Planeten, SAGA, demnächst ebenfalls in Kanada für STYX eröffnen wird. Das Geld war größtenteils in den Wind geschossen, da Leute aus den günstigeren Platzkategorien sich irgendwann vor die erste Reihe stellten. Andererseits muss man klar sagen, dass die eine Stunde KANSAS Power pur bedeutet hat und mit zu dem besten zählt, was ich in meiner recht ausgiebigen Konzertbesucherkarriere schon sehen durfte.

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