Review Adagio – Archangels In Black

Frankreich mag ich nicht so besonders, aber das tut hier wenig zur Sache, denn Bands aus Frankreich mag ich aus irgend einem Grund ziemlich gerne. Die haben mich nämlich ein bis zwei Sachen gelehrt, nämlich, dass sie ziemlich innovative Musik schreiben können und selbst wenn sie sich in ausgetretenen Pfaden bewegen, dass sie dann qualitativ echt hochwertiges Zeug zusammen basteln. Unsere heutige Band, ADAGIO, kommt aus Frankreich, aus Montpellier um genau zu sein. Und geben tut’s die Knaben schon seit acht Jahren. „Archangels in Black“, das heuer erscheint, ist schon ihr viertes Album und ihr erstes über Listenable Records, die mir eher wegen ihren Releases im extremen Metal Bereich bekannt sind, aber wieso nicht mal eine progressiv symphonische Power Metal Band signen, wenn die denn was drauf haben?

Und drauf, das haben ADAGIO ganz sicher was. Die französische Band verstärkt vom finnischen Sänger Chris Palin (singt auch in einer der umpfzigtausend Jani Stefanovic „Gepriesen sei der Herr“-Power-Metal-Kapellen namens Essence of Sorrow) haut uns mit ihrem vierten Langspieler eine ordentliche Portion symphonischen Power Metal um die Ohren, der mich ein wenig an den der italienischen Kollegen von The Dogma erinnerte (die gibt’s schon ein Jahr länger, aber sie brachten erst später Alben raus, ich kenn ADAGIO jetzt auch nicht so gut, dass ich sagen könnte, ob sie diesen Sound schon länger fuhren oder ob sie sich jetzt erst dazu „entwickelt“ haben, aber im Zweifel für den Angeklagten oder so), nur mit einem kleinen Unterschied: Soli!

Gitarrero Stéphan Forté hat ein paar sehr fixe Fingerübungen an den sechs Saiten drauf, das muss man ihm lassen. So wird das Gesamtbild von „Archangels in Black“ immer wieder von ziemlich kernigen und auch sehr coolen Gitarren-Lead-Parts geprägt, die den Rücken von timingsicheren (aber eher unmemorablen) Drums und einer amtlich produzierten symphonischen Wand gestärkt bekommen. Das ist schön, das gefällt, das macht Freude. Auch die Vocals von Chris Palin haben ihren Reiz, der Mann klingt nicht perfekt, aber dieses Quentchen Unsicherheit und Zerbrechlichkeit, das er in seine (übrigens sehr eierlastige) Stimme bringt, das macht seinen Gesang irgendwie zu etwas ganz besonderem. Dazu gesellen sich gut bollernde Strophen und hymnenhafte Refrains die zum Mitsingen animieren, schön so weit…

Wenn nur Stéphan Forté nicht auch voll und ganz davon überzeugt wäre, dass er ein Gitarrengott ist. Versteht mich nicht falsch, der Mann ist echt stark an seinem Instrument. Dummerweise muss er das auch bei jeder Gelegenheit beweisen. Wenn melodiöse Lead-Arbeit gefragt ist, dann ist das kein Problem, dann erledigt Forté seinen Job geradezu anbetungswürdig gut. Aber dann kommt wieder ein Augenblick des Leerlaufs daher, in dem er sich einfach zu gut findet, um jetzt ein paar ordentliche Powerchords in die Landschaft zu hämmern. Also wird ihm langweilig und wenn Stéphan Forté langweilig wird, dann fängt er an zu solieren. Und es nervt. Es nervt ganz gewaltig, dass hier alle zehn Sekunden ein hyperschnelles und total sinnloses Solo aus dem Ärmel geschüttelt wird, als ob’s nichts wäre. Ja, Forté kann solieren, das merkt man schon, aber die Soli sind völlig pointless, wie der Engländer so schön sagt. Es gibt keine tolle Melodie darin, es geht nicht vorwärts dadurch, man will nur mal wieder zeigen, wie timingsicher und verflucht schnell man doch auf dem Griffbrett rumtappen kann. Und das schadet den Songs ganz empfindlich, denn so wird die schöne, runde symphonische Power Metal Nummer ganz schnell zu einem hässlich sperrigen Monstrum, das einerseits furchtbar enervierend ist, weil man aufgrund des gehetzten Rumgefrickels nicht mal kurz entspannen kann, andererseits durch diese Einwürfe ganz fürchterlich in die Länge gezogen wird. Die CD geht nur 47 Minuten, sie kommt mir aber ungefähr doppelt so lang vor…

Zu diesem Faux-Pas par excellence gesellt sich dann auch noch ein ganz merkwürdiges Kuriosum in Sachen Songwriting. Eigentlich gehen ADAGIO nämlich größtenteils sehr düster und melancholisch zu Werke, aber wenn’s dann in die Refrains rein geht, dann wird mit dem Holzhammer ein ganz anderer Grundtenor hier hereingeprügelt, dann wandelt sich die finster fiese Stimmung der Strophen innerhalb von Sekunden zu geradezu gloriosem Geschmetter, dass einem sofort die Zähne ausfallen wollen. Was ADAGIO sich dabei gedacht haben weiß ich nicht, viel… Nein, moment, diese Floskel hab ich schon viel zu oft benutzt. Fakt ist aber, dass es nicht passen will und das eigentlich schön eingängige, nett anzuhörende Songmaterial ziemlich ins Gemächt tritt. Gemeinsam mit den elenden Soli bleibt somit nur ein Urteil, das man (oder sagen wir mal „ich“) ziehen kann: ADAGIO haben definitiv Potential, das unter zu kruden Ideen und zu viel Selbstverliebtheit begraben wird. „Archangels in Black“ ist eine ganz nette Scheibe, könnte aber so viel besser sein.

Wertung: 6 / 10

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

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