Review Amalekim – Avodah Zarah

  • Label: Avantgarde
  • Veröffentlicht: 2023
  • Spielart: Black Metal

Es folgt eine kleine Geschichtsstunde: Die Amalekiter (hebr. „Amalekim“) waren ein räuberisches Nomadenvolk, welches im Alten Testament den Israeliten zum ersten Mal im Buch Exodus begegnet. Bei der berühmt gewordenen Schlacht zwischen beiden Gruppen behielten die Israeliten die Oberhand, solange Mose die Arme zum Segen oben hielt; verließen ihn die Kräfte und die Arme sanken, gewannen die Amalekiter an Kampfkraft. Über die Jahrhunderte begegnete man sich noch des Öfteren, und zwar in ausschließlich kriegerischer Absicht, bis die historische Überlieferung aus den Amalekitern die symptomatischen Erzfeinde der Israeliten schlechthin machte. „Bedenke, was Amalek dir antat“, warnen die Rabbiner, obgleich auch die Amalekiter demselben semitischen Urstamm aus Esau angehören wie die Iraeliten. Ein tödlicher Krieg unter Verwandten. Mit Amalek wurden im Lauf der Zeiten fast alle großen Feinde des jüdischen Volkes tituliert, vom ukrainischen Kosakenführer Bogdad Smielnizky, der im 17. Jahrhundert scheußliche Pogrome zu verantworten hatte, über Hadsch Amin al Husseini, den Mufti von Jerusalem, Hitler und das gesamte deutsche Volk bis zu Putin und den Palästinensern. Nicht nur angesichts der Ereignisse der letzten Monate und des (künstlerisch sicher sehr gelungenen) Covergemäldes eines Alten, der einen Jüngling opfert, bleibt zumindest ein Gschmäckle übrig bei der Namenswahl der italienisch-polnischen Formation, auch wenn die Internetrecherche keine gröberen Anhaltspunkte für verdächtige Umtriebe liefert.

So bleibt eine wohl eingehende Beschäftigung mit dem Okkulten, vor allem der jüdischen Kabbalah übrig, der sich AMALEKIM auf „Avodah Zarah“ (dt. „Götzendienst“) widmen. Und richtig, alle Songtitel beziehen sich auf Konzepte der jüdischen Mystik, vor allem der „anderen, bösen“ Seite der Kabbalah, der „Sitra Achra“. Wohlwollende Kollegen anderer Magazine haben in dem neuesten Output AMALEKIMs einen der spannendsten Melodic-Black-Metal-Releases des Jahres erblicken wollen. Hier bietet es sich nun an, etwas Wasser in den (vergifteten) Wein zu gießen.

Denn bereits der eröffnende Titeltrack macht Stärken wie Schwächen des Götzendienstes deutlich. Stark, weil mit melodiöser Vielfalt und technisch hohem Niveau eindrucksvoll eine okkulte Atmosphäre kreiert wird, die dem Anspruch des Konzeptalbums gerecht wird. Schwach, weil sich schon hier ein produktionstechnisch wie kompositorisches Manko zeigt, das einen Großteil des Albumgenusses zunichtemacht: das völlig mechanisch und künstlich überproduzierte Schlagzeug, das viel zu dominant im Soundgefüge thront. Das wäre an sich verschmerzbar, würden AMALEKIM ihren Songs eine stilistische Offenheit und Abwechslung gönnen. Doch das geschieht nicht. Egal, ob „Olam Teshuva“ oder „Mizmor Lequaim“ erklingen, die Drums und die Kompositionen hetzten durch die Stücke und gönnen Blastbeat und Doublebass keine Pause. Das halten nicht einmal mehr Marduk heutzutage so. Die Melodik orientiert sich hierbei sowohl an schwedischer als auch neuerer polnischer Schule, streift dabei jedoch auch oft die Herangehensweise der Amerikaner Uada – alles aber immer auf Hochgeschwindigkeit. Schnell entsteht, unterstützt durch den überdominanten Sound, ein Gefühl der Ermüdung, der Überforderung, zumal die stilistische Enge, die AMALEKIM ihren Kompositionen aufgezwungen haben, keine Ausflüchte zulässt. Zwar bleiben einzelne Passagen durchaus imposant und gut gemacht („Litrof Rekanut“), doch hetzt die Platte im Eiltempo am Hörer in immer gleicher Stilistik vorbei, um im von Behemoth beeinflussten Finale „Hester Panim“ zu münden. Mit dem „Verbergen des Angesichts“ endet eine stilistische Hetzjagd. Das alles ist sicher gut gemacht, aber eben langfristig nur schwer konsumierbar.

Wie leicht sich AMALEKIM dabei um den Erfolg bringen, macht ausgerechnet der Bonustrack „The Disease“ klar. Ohne das enge Korsett des Konzepts, melodisch wie rhythmisch frei aufspielend und mit viel Spielfreude versehen, zeigt der inoffizielle Schluss des Albums, wie AMALEKIM hätten sein können, wenn sie sich nicht so derart selbst beschränken würden: weit weniger okkult und um Atmosphäre bemüht, aber wesentlich authentischer und packender. Schade drum.

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Wertung: 5.5 / 10

Redaktion Metal1.info

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