Tuomas Seppälä und Tommi Kuri spielten beide schon bei den finnischen neoklassischen Power Metallern von Virtuocity, allerdings lösten die sich irgendwann um 2004 rum auf. Die beiden Herren hatten aber längst noch nicht die Schnauze voll von dieser Art von Musik, also scharrten sie ein tapferes Häuflein Mitmusiker um sich, um ein neues Projekt dieser Art zu gründen. Mit der Intention hemmungslos Nightwish zu kopieren… äh… ich meine, ganz was innovatives auf die Beine zu stellen machten die beiden sich danach auf die Suche nach einer Dame mit klassischer Gesangsausbildung. Gesagt, getan. So eine Frau fand sich nämlich in Form von Heidi Parviainen (muss nur ich bei dem Namen an die Affen denken?) und schon war das Lineup komplett.
Komplett für AMBERIAN DAWN, den neuen Stern am finnischen Power Metal Himmel. Und 2008 steht nun das Debutalbum eben dieses Sterns mit dem Titel „River Of Tuoni“ in den Läden. Ich merke schon, wie die ersten Leute desinteressiert weglesen… Und mir war auch so zumute, ehe ich das Silberscheibchen zum ersten Mal in den Player steckte. Power Metal mit klassisch ausgebildetem Frontweib aus Finnland… Pff… Kann ja nix werden.
Und dann schallte der Opener und Titeltrack in Personalunion, „River Of Tuoni“, aus den Boxen. Und pustete mich glatt weg. Ehrlich: Das Ding ist geil. Von der musikalischen Untermalung her erinnert mich der erste Song der Platte eher an die Landsmänner von Eternal Tears Of Sorrow als an Nightwish. Flinkes Drumming, eingängige Gitarren- und Keyboard-Attacken, die schön im Ohr hängen bleiben und auch technisch auf ziemlich hohem Niveau sind. Und dann dazu Madame Parviainens Stimme… Die Nähe zu Tarja Turunen ist da, freilich. Aber: Ich finde Heidi wesentlich besser. Und das liegt nicht nur daran, dass mir Tarjas Gesang tierisch auf den Senkel ging, ne, die Frau kann was. Der Track ist eine richtig runde Sache. Macht viel Spaß, bleibt gut im Ohr hängen und ist mit einer Laufzeit von 3 Minuten und ein paar Sekunden eine richtig schön kurze knackige Sache, die man immer mal wieder zwischendurch hören kann. Lediglich der ziemlich bescheuerte Text zerrt etwas an meinen Nerven. Wie oft kann man das Wort „Son“ eigentlich in einen einzigen Song packen? Ne ne ne…
Naja, einige haben es an meiner Schreibart wohl schon bemerkt… Denn die CD dreht sich weiter und auf „River Of Tuoni“ folgt „Wings Are My Eyes“. Tja… und AMBERIAN DAWN verkacken’s. Nach dem genialen Hinhörer, mit dem die Scheibe beginnt, scheint der finnische Sechser all sein Pulver schon verschossen zu haben. Denn von da an geht es steil bergab. Langweilige Riffs, vorhersehbare Songstrukturen, musikalisch bei weitem nicht mehr so Anspruchsvoll wie noch beim Opener… Nachdem in den ersten drei Minuten der Platte so sehr bewiesen wurde, dass die Band es einfach kann, dass sie einfach gute eigenständige und verflucht spaßige Songs schreiben können, versucht man danach aus irgend einem völlig unerfindlichen Grund doch nur wieder Nightwish zu sein. Wieso frag ich mich? Warum lieber schlecht geklaut als gut selbst gemacht? Es ist frustrierend…
Die übrigen 33 Minuten der (ziemlich kurzen) CD langweilen AMBERIAN DAWN jedenfalls größtenteils nur noch. Und das ist nach so einem guten Auftakt fatal. Die ordentliche, wenn auch stellenweise etwas dünne Produktion kann da nicht mehr viel rausreißen. Spätestens bei der Halbbalade „My Only Star“ schlafen dem härtesten Zuhörer die Füße ein. Und während den letzten vier Tracks wachen die auch nicht mehr auf. Hätten AMBERIAN DAWN den Kurs, den der Opener vorgab, durchgezogen, was wäre das für eine Scheibe geworden… Aber so legen sie nur einen traumhaften Blitzstart hin, um sich dann nach den ersten zehn Metern der Strecke ordentlich auf die Schnauze zu hauen. Schade drum. „River Of Tuoni“ gibt’s auch auf der Myspace-Seite zu hören. Da reinlauschen, den Rest vergessen.
Wertung: 4 / 10