Review Apotheosis – Farthest From The Sun

Was wäre die Metalwelt nur ohne ihre Exoten? „Farthest From The Sun“ stellte sich für mich als wahrer Glücksgriff heraus, da ich vorher nur ein paar Kritiken gelesen und nicht weiter in die Musik reingehört habe, und so erwarb ich meine erste maltesische CD. Zwar ist der gute Herr Sauron bei der Wahl seines Pseudonyms nicht ganz so kreativ gewesen, musikalisch ist das Ein-Mann-Projekt APOTHEOSIS dafür umso mehr. Man sollte ja meinen, dass es sich bei 4 Tracks auf 50 Minuten Spielzeit entweder um sehr zähes, schleppendes Material handelt oder um eine ziemlich frostige, schwarzmetallische Angelegenheit. Aber von wegen, hier wird eine bemerkenswert grosse musikalische Bandbreite abgedeckt und je weiter das Werk voranschreitet, desto öfter muss man sich doch verwundert die Augen reiben angesichts solcher Spielfreudigkeit.

Ein tiefes Summen erklingt und wird kurz darauf begleitet von vielseitiger Instrumentierung, wie Flöten, Akkustikgitarre, Harfe und ähnliches, während im Hintergrund gehaltenes Tribal-Drumming dem Ganzen fast schon einen orientalischen Touch verleiht. Nach zwei Dritteln des Intros „Victory“ wird man durch Fanfaren und einem Marschrhythmus auf die Schlacht eingestimmt. An dieser Stelle könnte man sich sogar vorstellen, dass es ohne die elektrifizierte Gitarre weitergeht, aber im Nachhinein stellt man fest, dass man die metallische Seite von „Farthest From The Sun“ auch nicht missen möchte.

„The Maimed God“ spannt einen dann mit Violinenklängen nochmal kurz auf die Folter, bevor dann endlich Vollgas gegeben wird: Vorwiegend hält man sich im höheren Tempo-Bereich auf und artet manchmal in eine solche Raserei aus, dass man umso erstaunter ist, dass hier scheinbar kein Drum-Computer zum Einsatz kommt, jedenfalls hört es sich nicht danach an und das Booklet gibt auch keine genaue Auskunft, da die Instrumente nicht einzeln aufgelistet sind. Stilistisch befindet man sich teils im symphonischen Black-Metal-Bereich, d.h. die Gitarren fallen nicht ganz so frostig aus, auf der andren Seite könnte man auch manches Mal ABORYM mit ihrem Industrial-Einfluss zum Vergleich heranziehen, schon hier zeigt sich, dass „Farthest From The Sun“ alles andre als gewöhnlich ist. Wenn Sauron bei den Danksagungen unter andrem auch Samoth von EMPEROR als Unterstützer und Inspirationsquelle nennt, dann nimmt man ihm das angesichts dieser Kompositionen auch zweifellos ab.
Im ersten Drittel des Sechzehminüters sorgt vor allem an einer Stelle das im Gleichschritt gallopierende Schlag-, Saiten- und Tastenwerk für viel Heiterkeit, bevor nach sieben Minuten Zeit zum Durchatmen gegeben wird, es wird ein wenig folkloristisch mit Flöten und Trommelschlägen. Doch dieses kurze, fast als fröhlich und ausgelassen bezeichenbare Intermezzo währt auch nicht ewig und so legt man wieder los, als hätte es das Break gar nicht gegeben. Erwähnenswert ist noch ein leicht psychedelisch angehauchtes Solo und zum Schluss driftet man fast schon in spacige Regionen ab. Ein wahrlich grandioses Stück, aber das Schönste daran ist: Es warten nochmal zwei Songs in diesem Ausmaße auf den Hörer.

„Raise The Dragon Banner“ kommt immerhin auf zwölf Minuten Spielzeit und sorgt zunächst nur für Kopfschütteln. Für wildes, unkontrolliertes Kopfschütteln. Thrash Metal heisst das Zauberwort, vor allem kommen mir jedoch schnellere MINISTRY in den Sinn und da ist der Spass vorprogrammiert. Da gehen die Keyboardspielereien nebenbei beinahe unter, aber elf Minuten durchgängiges Dreschen wäre wohl etwas zu viel des Guten und somit dürfen Piano und Synthesizer dann doch noch eine gewichtigere Rolle spielen. An den letzten fünf Minuten sollten besonders Anhänger von ARCTURUS ihre Freude haben, zwar sind die Arrangements etwas schlichter gehalten, aber emotional sind sie allemal, da geht einem richtig das Herz auf. Zwei Seiten bietet dieses Stück also, ganz so abwechslungsreich wie bei „The Maimed God“ geht es allerdings nicht mehr zu.

Um ein grosses Königreich zu würdigen, bedarf es auch einer ebenso grossen musikalischen Darstellung. So widmet man sich in den letzten sechzehn Minuten von „Farthest From The Sun“ der Darstellung eines wahrhaftig majestätischen, prunkvollen Königreichs. „Kingdom“ erinnert mich ein wenig an „The Tower“ von GOLEM, wenn auch nicht was die Musik angeht. Es geht nur noch kurz mal so zügig zu wie in den beiden Songs zuvor und man verzichtet sogar gänzlich auf Vocals. Alle Elemente, die das Album zu einem solch interessanten und epischen Werk machten dürfen sich hier noch einmal in aller Ausgiebigkeit präsentieren, ruhige Instrumentalpassagen wechseln sich mit symphonischen Kompositionen ab, ausuferndes Gitarrenspiel fehlt ebenso wenig wie exzessive Tastendrückerei oder das muntere Abklappern der Tonleiter durch die Harfe. Nicht zu vergessen, der stilechte Ausklang in Form von Meeresgeräuschen, vielleicht soll ja die Insel Malta selbst eben jenes Königreich sein.

Bei all den Lobpreisungen wirken vermeintliche Schwächen und Kritikpunkte in Anbetracht der Tatsache, dass es sich hier um das Debüt-Album eines einzigen Menschen handelt, wirklich wie Kleinigkeiten. Man hätte ruhig etwas öfter das Tempo drosseln können, der Metal-Anteil auf „Farthest From The Sun“ wirkt insgesamt betrachtet ein wenig gehetzt. Ausserdem wären cleane Vocals eine nette Abwechslung gewesen zu der doch recht eintönig eingesetzten Stimme von Sauron. „Raise The Dragon Banner“ kommt zudem nicht ganz an das Niveau der beiden andren vollwertigen Songs heran, ist aber immer noch weit vom Durchschnitt entfernt. Bleibt nur noch zu hoffen, dass man von APOTHEOSIS bald wieder hört, sechs Jahre sind seit der Veröffentlichung ins Land gezogen und bisher wurde nichts Neues angekündigt, doch das Projekt existiert noch. Sollte eine Weiterentwicklung nicht ausbleiben, dann darf Sauron Apotheosis, die Vergöttlichung, bald mit Recht auf sich selbst beziehen.

Wertung: 9 / 10

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

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