Die schweizer Metalszene ist größer als ich dachte. 651 Bands listen die Metal Archives, gut, verglichen mit den über 7.000 aus Deutschland ist das jetzt nicht so beeindruckend, aber wir haben auch etwa zehnmal so viele Einwohner wie unsere südlichen Nachbarn, deswegen relativiert sich das etwas. Dennoch bin ich etwas erstaunt, dass letzten Endes so viele der doch eher als ruhig und gemütlich verrufenen Schweizer sich entschließen, Gitarre und Bass zur Hand zu nehmen und extreme Musik zu machen. Naja, wirklich groß raus kommen auch nur die wenigsten davon. Oder wer kann mir außer Samael noch aus dem Stehgreif eine schweizerische Extrem Metal Band nennen?
ATRITAS wären da vielleicht noch, die zwar noch nicht wirklich zu Weltruhm gelangt sind, aber doch durchaus eine solide Fanbase besitzen dürften. Ich kannte die 1997 in Basel gegründete Band noch von ihrem 2004 erschienenen Debut „Where Witches Burnt“, das recht schmerzfrei konsumierbaren Melodic Black Metal mit ein paar nett epischen Augenblicken enthielt, ansonsten aber nicht wirklich was bieten konnte, was man nicht so oder so ähnlich schon irgendwo her kannte. Ein paar zu laute Keyboards, ein wenig zu dudelig, ganz okay, letzten Endes aber doch nur gehobenes Mittelmaß. Nach dem (hier und da recht hoch gelobten) Nachfolger „Medium Antigod“ setzen ATRITAS jetzt zum Nachschlag an. „Celestial Decay“ heißt ihr aktuelles, nunmehr drittes Album, das ihnen also endlich den großen Durchbruch verschaffen soll?
Ohne jetzt zu viel vorweg zu nehmen: Die ganz große Rockstarkarriere wird mit dem Teil wohl nicht eingeläutet. Dazu findet sich auf „Celestial Decay“ immer noch zu wenig Eigenständigkeit. Nach dem kurzen Intro „Ultimate Downfall“ (das mich an eine Mixtur aus dem Intro zu Algaions genialer Scheibe „Oimai Algaion“ und einem Spritzer The Axis Of Perdition erinnert) legen ATRITAS nämlich direkt mit hochgeschwindigkeits Melo-Black-Metal los, der größtenteils wie schon mal gehört klingt. In ihren besten Augenblicken erinnern die Schweizer dabei etwas an Carach Angren mit zurückgefahrenem Keyboard-Anteil (was im Gegensatz zum eigenen Debut den Vorteil mit sich bringt, dass man nicht mehr alle Nase lang die Gitarren platt macht), ansonsten aber meistens wie die aufgelösten/umbenannten Kollegen von Misteltein (vor allem gesanglich kommt Giers schwankendes Gekreische relativ dicht an Seron heran). Und ähnlich wie die Schweden auf ihrem 2000er Album „Rape In Rapture“ schaffen ATRITAS es hier über weite Strecken einfach nicht, besonders interessante Riffs zu schreiben. Das geht alles ganz gut ins Ohr, beleidigt wohl auch keine Geschmacksnerven, aber einen bleibenden Eindruck hinterlässt „Celestial Decay“ über weite Strecken leider nicht.
Was nicht heißt, dass das Ding hier frei von Höhepunkten wäre. Das theatralischere „All Celestial – Ruins & Ashes“ hört sich schon verdammt gut, das morbide „Peste Sacrale – Sang Pour La Vie Eternelle“ mit tieftönendem französischem Gesang (bei dem Gier etwas an Mortuus von Marduk und Funeral Mist erinnert) ist sogar noch etwas besser und auch „His Presence – Satanic Divinity“ gefällt sehr gut, auch wenn hier die Reminiszenzen an irgend etwas (beim besten Willen, ich komm einfach nicht drauf, wenn es jemand rauskriegt, sage er es mir gerne) den Eindruck etwas trüben. Wirklich ins Klo greifen tun ATRITAS überraschenderweise aber nur einmal und das noch im selben Track, das ewige „Praise satan“ Gekeife gegen Ende nervt nämlich ganz mächtig.
Davon abgesehen bewegen ATRITAS sich auf „Celestial Decay“ aber auf relativ sicherem Boden, gehen keine Experimente ein und liefern eine rundum solide Platte ab, die allerdings abgesehen von den genannten Tracks (ganz besonders eben „Peste Sacrale – Sang Pour La Vie Eternelle“) absolut nichts weltbewegendes zu bieten hat. Ein paar nette Melodien, die aber niemanden vom Hocker reißen dürften, hier und da etwas gepflegte schwarzmetallische Raserei, die aber einfach viel mehr Intensität nötig gehabt hätte, ein bißchen morbide Atmosphäre, die aber leider viel zu selten auftaucht… „Celestial Decay“ ist ein kompetentes aber leider alles andere als aufregendes Album geworden. Darum auch nur:
Wertung: 6 / 10