Review Blackmore’s Night – The Beginning

Die ersten Gehversuche einer musikalischen Legende – BLACKMORE’S NIGHT präsentieren 16 Jahre nach ihrer Gründung nun die Anfänge ihrer Karriere. Und was könnte die damalige Situation besser beschreiben als die beiden ersten Alben und passend hierzu zwei DVDs mit Konzertszenen derselben Schaffensphase? Die edle, mit Silberdruck gestaltete Samtbox bildet einen würdigen Rahmen, um „The Beginning“ mitzuerleben, als wäre man selbst Teil dieser Geschichte gewesen.

Mit „Shadow Of The Moon“ brachte die damals fünfköpfige Truppe im Jahre 1997 erstmals ihre Vorstellung von mittelalterlicher Musik auf den Markt, die weniger aus Dudelsäcken, Lauten und Drehleiern besteht, sondern vielmehr an Renaissance- und Mittelalter-Pop erinnert. Doch was darf man sich darunter vorstellen? Romantische Geschichte längst vergangener Tage, erzählt vom klaren Gesang einer Candice Night. Ihre Stimme wird untermalt mit beschwingten und mitreißenden Klängen wie beispielsweise in „Be Mine Tonight“ oder „Magical World“, aber auch melancholischen und nachdenklichen Melodien, hervorgebracht von (E-)Gitarren und Keyboard. Beispielhaft hierfür sind „Ocean Gypsy“ und „Spirit Of The Sea“.
Hört man die durchaus rhythmischen Songs, erscheint es umso faszinierender, dass das Album komplett ohne Percussions auskommt, abgesehen von einem Tamburin. Womöglich fällt dies auf „The Beginning“ nicht so sehr ins Gewicht, da hier eine perfekte Abstimmung der Backgroundsänger zur Leadstimme gelungen ist, wodurch ein sehr voluminöser und warmer Klang geschaffen wurde und das zunächst etwas ungewohnte Genre des Renaissance- und Mittelalterpop zu durchaus angenehmer Musik macht. Was etwas abschreckend für Fans der traditionelleren Mittelaltermusik klingt, kann mit seinem ganz eigenen Stil überzeugen. Auch die Vielfalt wird durch abwechselnde Instrumentalstücke wie „Memmingen“, „Mond Tanz“ und „Minstrel Hall“ und Songs, die beispielsweise mit Tempobreaks überraschen („Play Minstrel Play“), garantiert.
Selbstverständlich dürfen bei diesem runden Gesamtpaket Ohrwürmer nicht fehlen. „No Second Chance“ hat hierfür Potenzial. Eine echte Überraschung und gleichzeitig der einzige Knick im stimmigen Bild ist „Writing On The Wall“. Hier wurde tief in die Trickkiste der Elektro-Instrumente gegriffen und ein schon beinahe technoähnlicher Sound geschaffen, der trotz des Stilbruchs eine gewisse Faszination ausübt. Doch ganz wird der Unwissende nicht ins kalte Wasser geworfen, denn gewisse Melodiefolgen aus „Greensleeves“ oder auch Schwanensee dürften jedem bekannt sein und somit den Einstieg in diese musikalische Neuwelt etwas vereinfachen. Selbstverständlich darf man sich von den poppigen Mittelalternummern keine instrumentalen oder gesanglichen Höchstleistungen erwarten. Doch grundsolide ist die Leistung allemal und macht neugierig auf die gleichnamige DVD.
In diesem Teil von „The Beginning“ darf die junge Band bei einigen ihrer ersten Auftritte in Deutschland bewundert werden. Während viele der heute herkömmlichen Konzert-DVDs lediglich einen besonders gelungenen Gig zeigen, erwartet den interessierten Hörer hier ein Potpourri aus Live-Mitschnitten, Jam-Sessions sowie Pseudo-Mittelalterszenerien. Durchzogen wird der Komplex von kurzen Interviewsequenzen mit den beiden Köpfen der Kombo zu diversen Hintergründen der Band. Rein optisch und akustisch würde die Scheibe keinen Blumentopf gewinnen. Historisch gesehen sind die Aufnahmen allerdings durchaus wertvoll und besonders für Liebhaber ein Muss. Selbstredend herrscht bei den Auftritten, im Vergleich zum gleichnamigen Album, eine ganz andere Dynamik vor. Lebendiger und weniger steril wird die teilweise identische Songauswahl präsentiert. So sind hier keine Technotöne zu hören, sondern eine rockigere Variante von „Writing On The Wall“, ebenso wie ausführlichere Versionen einzelner Songs.

Wagt man auf „The Beginning“ den Sprung ins Jahr 1999, begegnet man „Under A Violet Moon“, dem Nachfolgeralbum der amerikanischen Formation rund um die Eheleute Blackmore und Night, die zu diesem Zeitpunkt bereits einige Besetzungswechsel durchlaufen hat und nun ein wesentlich größeres Instrumentarium aufweisen kann. Keine große Kunst, wirft man einen Blick in das Booklet. Neben den Songtexten werden hier unter anderem 21 (!!!) Gastmusiker genannt. Mit minimalen stilistischen Veränderungen und ebenso etwas komplexeren, dafür auch weniger eingängigen Songkonstrukten wagen sich das Ex-Deep-Purple-Mitglied und Konsorten erneut ins akustische Mittelalter und eröffnen mit dem Titeltrack ihr zweites Werk. Im Anschluss findet sich hier erneut eine Mixtur aus ruhigen und besinnlichen Klängen in „Castles And Dreams“ sowie „Beyond The Sunset“ und etwas anregenderen Titeln, wobei der Grundtonus insgesamt etwas bedächtiger und noch poplastiger wirkt. Wie beim Vorgänger gibt es auch hier wieder einen Knick im Gesamtbild. Geradezu exotisch wirkt „Spanish Nights (I Remember It Well)“ an dieser Stelle, bleibt aber, getreu dem Titelzusatz, tatsächlich im Gedächtnis hängen. Etwas weniger positiv wirkt „Wind In The Willows“, was beinahe schon unangenehm an einen englischen Schlager erinnert.
Hat man immer noch nicht genug vom Mittelalter-Pop, kann man sich auf „The Beginning“ die passende DVD „Under A Violet Moon Castle Tour 2000“ zu Gemüte führen. Die musikalische Weiterentwicklung kann allerdings nur visuell erfasst beziehungsweise akustisch erahnt werden, da die Tonqualität hier noch mehr zu wünschen übrig lässt. Beinahe während der gesamten Spielzeit ist ein unangenehmer Nachhall bedingt durch die Akustik deutscher Freiluft-Burgbühnenlocations zu hören, ausgenommen die Szenen abseits der offiziellen Show. A propos Abseits: Ein besonderer Augenschmaus ist ein in ein deutsches Fußballtrikot gezwängter Ritchie Blackmore, mitten im Spiel mit den Bandkollegen. Daneben lockern ein neues Interviews und Szenen einer heilen Mittelalterwelt, inklusive Lagerfeuerromantik und Feuerkünstlerin, das Gesamtpaket etwas auf. Alles in allem ist der Aufbau jedoch äußerst ähnlich und auch nicht mit erwähnenswerten Highlights gespickt. Punkten kann hier nur die pure Nostalgie.

Betrachtet man diese Darbietung rückblickend, kommt man sehr schnell zur Erkenntnis, dass es wohl kaum eine andere hochkarätige Band gibt, die es auf derart romantische Weise versteht, das Mittelalter ein wenig zu verherrlichen. Wer sich der Herausforderung einer zugegebenermaßen äußerst angenehmen Pop-Version mittelalterlicher Musik stellen will oder sich einfach die Idealvorstellung einer sauberen, bunten, kuscheligen und romantischen Epoche beibehalten möchte, der kann mit dieser Sammlung an historischen Artefakten nur gewinnen. Ebenso wie die Fans von BLACKMORE’S NIGHT, die bei „The Beginning“ ebenso etwas für sich herausziehen können: nämlich tiefgehende und teils private Einblicke in den Werdegang einer einzigartigen Band.

Wertung: 8 / 10

Publiziert am von Uschi Joas

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