Die keltische Sagenwelt begegnet einem im Pagan Metal ja durchaus seltener als die nordische, vielleicht, weil sich kein keltischer Stamm „heldenhaft“ dem Christentum widersetzt hat, vielleicht auch, weil der Bekanntheitsgrad einfach geringer ist. BRAN BARR aus Gallien sind nun jedenfalls seit 15 Jahren dabei und wandeln auf Cernunnos‘ Pfaden, dieser Tage kommt das bereits 2005/2006 eingespielte zweite Album „Sidh“ in die Regale.
Die Musik der Franzosen ist im Gegensatz zu ihrem nordischen Ableger Nydvind recht verspielt. Die Liste der Gastmusiker deutet schon an, dass keiner, der bei Folkinstrumenten Zahnschmerzen bekommt, die Platte auch nur anrühren sollte. Die Ausgangsbasis von BRAN BARR liegt zwar im Black Metal, welcher phasenweise auch ganz schön knüppeln kann. Dennoch wird gleich bei den ersten Takten des Intros klar, dass die Sackpfeife und verschiedene Flöten zum Klang dieser Truppe gehört wie die Sichel zum Druiden. Parallelen zur Frühzeit der Iren von Cruachan sind keineswegs zu leugnen und gewiss auch gewollt.
Ihre ganze Spannweite präsentieren die Gallier schon beim zweiten richtigen Lied „Fury – Exile Of The Orphan“. Mit beeindruckender Leichtigkeit verpacken BRAN BARR drei grundverschiedene Stimmungen in einen Song, so dass man von wilder, schwarzmetallischer Raserei über ausgelassene Feierklänge bis hin zu verträumten Akustikpassagen und auch locker wieder andersherum bewegt. Ein absolut großartiges Stück Musik, das gleich den Höhepunkt der ganzen Platte markiert.
Die folgenden Stücke fallen keineswegs ab, wenn man mal von dem sehr eigenwilligen „ Profedïez“ absieht. Das kürzere Stück in bretonischer (!) Sprache besteht aus kehligem Gesang , der zwar irgendwie schon ins Ohr geht und im Zusammenhang mit der prägnanten Rhythmik auch ganz schön hängen bleiben kann. Dennoch hat die Nummer eine (freiwillige?) Komik, die nicht einmal zu der sonst schon recht heiteren Platte passt.
Ein echtes Großereignis ist allerdings noch das lange „Journey – The Grand Quest For The Magical Acorn“. Insbesondere wenn in der zweiten Hälfte die irische Sackpfeife ein ergreifendes Solo spielt und zusammen mit Gitarren und Gesang eine großartige Leadmelodie anstimmt, stellt sich wieder sämtliche Körperbehaarung in einem wohligen Schauer auf.
BRAN BARR ist eine Band, die man mögen MUSS, wenn man sich in dem Genre, das man MÖGEN muss, heimisch fühlt. Durch eine sehr populäre Schweizer Band wird sicherlich der ein oder andere mehr auf den Geschmack gekommen sein, was keltische Folklore in Verbindung mit Metal anbelangt. Der Vergleich zieht allerdings nur bedingt, denn die Franzosen gehen noch eine ganze Spur härter und ursprünglicher zu Werke, auch wenn man auf der sprachlichen Ebene nicht so punkten kann. Kurzum, auch wenn kein zweites „Bellum Gallicum“ auf „Sidh“ entfacht wird und die relativ ausgelassene Grundstimmung mit den manchmal etwas schrägen Folkeinlagen nichts für Puristen ist, so ist BRAN BARR doch ein hochbeachtliches Stück keltischen Pagan Metals gelungen.
Wertung: 8.5 / 10