Review Camerata Mediolanense – Vertute, Honor, Bellezza

Ich möchte diese Review mit eine Hommage an den leider kürzlich verstorbenen Literatur-Kritiker Marcel Reich-Ranicki eröffnen: Ist das hier überhaupt Metal? Nein, ich denke nicht!

Tja, wie landet die neue Platte von CAMERATA MEDIOLANENSE auf dem Schreibtisch eines Metalredakteurs? Die Frage wird sich eher nicht beantworten lassen, die nach der Qualität von „Vertute, Honor, Bellezza“ hingegen schon. Bei dem Album handelt es sich um die erste reguläre Veröffentlichung der Italiener seit 1999, wenn man EPs, Singles und Compilations einmal ausklammert.
Federführend bei dem Sextett ist die studierte Komponistin Elena Previdi, die mit ihrer Band angeblich Post Punk und Wave spielt. Angeblich deshalb, weil man für diese Bezeichnung schon einige Phantasie aufbringen muss. Folk, vermischt mit (neo-) klassischen Klängen etwa aus der Renaissance oder dem Barock trifft es dabei sicher besser.
Warum sollte sich ein Metalhörer also für CAMERATA MEDIOLANENSE interessieren? Ein Blick über den Tellerrand ist sicher nötig, aber dann gibt es schon ein paar spannende Aspekte zu entdecken. Beispielsweise ausgesprochen versierte Musiker, Lieder voller Innovation und ganz allgemein Klänge, die man nicht aller Tage hört. Hilfreich wäre vielleicht ein Faible für die sehr klassischen Parts von Bands wie Haggard, auf den Einsatz von E-Gitarre, Bass und Schlagzeug wartet man aber vergebens.

Maximal einige Percussions kommen zum Einsatz und erschaffen so neben dem relaxten Grundfeeling der Songs, die sich durchaus als lockerer Feierabendkonsum anbieten, eine leicht bedrohliche Atmosphäre. Ein gutes Stichwort, natürlich setzt man auf die Wirkung von Stimmungen auf den Hörer, ein gewisser esoterischer Hauch tut sein Übriges und schon wird aus dem entspannten Hörerlebnis auch mal ein apokalyptischer Ritt (die männlichen Vocals mit den doomigen Percussions in „Canzone All `Italia“ erinnern stark an das erste Raventhrone-Album „Malice In Wonderland“).
Ein Satz noch zur Eingängigkeit. Man kann sich vorstellen, dass es bei einer solchen Art von Musik für den genrefremden Hörer mitunter etwas anstrengend sein kann, die Feinheiten zu entdecken und man sollte sich gewiss sein, dass es eine Weile dauern mag. Eigentlich kein Problem, denn auf eine mir bisher unergründbare Art und Weise schaffen es CAMERATA MEDIOLANENSE, mit jedem Durchlauf neu zu faszinieren.

„Vertute, Honor, Bellezza“ ist eine Platte, der man Zeit geben muss und sollte. Gerade im hinteren Teil verbergen sich einige Perlen, „Vago Augelletto“ und „Vergine Bella“ glänzen mit zuckersüßen weiblichen Gesängen, die in allen Sphären die Töne absolut exakt treffen. Vielleicht ist die Musik nicht nur kein Metal, sondern sogar Kunst, qualitativ in jedem Fall hochwertig, aber man muss sich darauf einlassen können. Auf eine Bewertung verzichte ich deshalb, mag sich der Interessierte lieber selber einen Eindruck verschaffen von einer ganz anderen Art von Musik.

Keine Wertung

Publiziert am von Jan Müller

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