Review Dioramic – Technicolor

Drei Knaben aus Kaiserslautern die eher nach dem örtlichen Matheclub als nach ernstzunehmenden Musikern aussehen (bzw. sich so geben) veröffentlichen unter dem Namen DIORAMIC diese Tage ihr Debutalbum „Technicolor“. Auf dem soll sich eine wüste Sceamo, Post-Metal Mischung mit künstlerisch verkopftem Einschlag finden: Die Band nennt das selbst Art-Core. Mal im Ernst: Diese drei Bübchen aus der deutschen Provinz wollen hier mit Gitarre/Bass/Schlagzeug die große Progkante fahren und dabei noch ordentlich though rüberkommen? Mir kam bei der ersten Betrachtung mehr was in Richtung weinerlicher Hardcore mit schiefgestimmten Gitarren in den Sinn. Dabei lag ich so verdammt falsch wie schon lange nicht mehr!

Schon die ersten Takte zeigen dass hier nicht nur der „Ghost in the Machine“ sondern auch der Teufel im Detail steckt: Wuchtig schräger Rhythmus, melodisch leicht schief aufgelöst und schon startet die massive Achterbahnfahrt. Dezent unterlegt mit echt schicken Bassläufen knallt einem das Trio hier ein amtlicher Postcore Brocken nach dem anderen um die Ohren. Unzählige Teile, mal derb begrwolt, mal weinerlich (also doch ;) ) in feinster Screamo Manier besungen sind die Zutaten aus denen die drei Herrschaften die schnellsten drei Miunten meines Lebens zaubern. Spätestens wenn dass leicht progressive und tonnenschwere Hardcore Riff mit Teamshouts bei „Black Screen Goodbye“ von einem verspielt süßlichen (diesmal mit Kopfstimmengesang) Zwischenteil abgelöst wird, ist klar: Hier sind echte Könner am Werk. Zu verwunderlich ist die hohe Qualität, die sich fast ausnahmslos so auf der Platte fortsetzt bei genauerer Betrachtung auch wieder nicht. Gegründet wurde die Band nämlich bereits 2002. Wer also 7 Jahre an einem Album bastelt und zwischenzeitlich noch etliche Rückschläge (die Bandbiographie spricht hier nebulös von einem beschwerlichen Weg) einstecken muss, der muss Großes vorhaben, sonst tut er sich das nicht an. Und Großes passiert hier wirklich: Von punkigem Britpop („Eluding The Focus“) über psycholdelischem Rock mit leichten Queenanleihen („Lukewarm Remains“) bis hin zu knüppeldem Todesblei im Stile von Meshuggah („Doom“) und Westernatmosphäre („The Lone Gunman“) ist wohl alles an Musik der letzten Jahre zu einem derart fiesen Süppchen verkocht worden, dass man sich ständig fragt wie das die drei Knaben um die Brüder Zaslavski eigentlich jemals live umsetzen wollen. Hätten wir hier einen von jahrelanger Erfahrung gestählten Ami-Fünfer vor uns, wär ich beeindruckt, so bin ich über weite Strecken einfach nur ungläubig, dass das so live funktionieren kann. Vielleicht ist das aber auch gar nicht nötig und außerdem hätte ich mir vor dem ersten Hören auch niemals diese Album vorstellen können.
Bei aller Güte, braucht es dennoch Zeit bis sich einem die Kompositionen erschließen. Denn was einem hier zugemutet wird ist bedingt duch die ungeheure Vielschichtigkeit und den großen Abwechslungsreichtum gewiss keine leichte Kost. Glücklicherweise verzichten die drei jedoch auf überlange Songs (das eher ruhige „Debris“ mit 8 Minuten mal ausgenommen) und zwingen der Platte so ein gewisse Struktur auf die den Einstieg leichter macht. Wirklich berühren tut sie einen dennoch nie. „Technicolor“ ist einfach zu distanziert und vor allem zu technisch geworden um die großen Emotionen hervorzurufen. Ein durch und durch ausgereiftes Werk als Debut ist ja aber auch nicht nötig, die Luft nach oben ist so immer noch dünn genug.

„Technicolor“ ist das originellste und eigenständigste Album des noch jungen Jahres geworden. Wer es so überzeugend schafft die gefühlten 371 Tempi und Teile derart geschickt zu verknüpfen, dass es zu kaum einer Sekunde zerfahren klingt hat eure Aufmerksamkeit verdient. Teilweise fühl ich mich bei dem Mut mit dem die Kaiserslauterner zur Sache gehen an Mourning Rise mit ihrem Debut „Five Ways To Illuminate Silence“ erinnert. Wer harte, anspruchsvolle Musik in modernem Gewand mag, muss hier ein Ohr riskieren!

Wertung: 9 / 10

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