Die deutsche Progressive Metal-Szene ist eigentlich alles andere als unüberschaubar. Eine der wenigen Konstanten sind die Mannen von IVANHOE, die zugleich auch eine der dienstältesten Szenevetranen sind: Ihr Debut, „Visions And Reality“, erschien bereits 1994. Diese, sowie die folgenden Veröffentlichungen „Symbols Of Time“ (1995) und „Polarized“ aus dem Jahre 1997, brachten ihnen den Ruf als bessere Alternative zu Dream Theater ein. Das änderte sich jedoch schlagartig mit dem Ausstieg von Sänger Andy. B. Franck, der jetzt bei Brainstorm den Mikroständer schwingt. Die folgende Suche nach einem würdigen Ersatz sollte sich als komplizierter als erwartet herausstellen, erst gute sieben Jahre später brachte Mischa Mang (dessen Organ mich ein bisschen an Tobi Sammet von Edguy erinnert) frischen Wind in die Truppe. Man entwickelte sich nach seinen Einstieg weg von der Dream Theater–Ersatzdroge und reicherte seinen Sound mit mehr Power- und Symphonic Metal–Elementen an. Als dann das Comeback-Album „Walk In Mindfields“ 2005 endlich in die Regale kam, ging die Rechnung vollends auf: „Walk In Mindfields“ wurde von der gierigen Fangemeinde mehr als wohlwollend aufgenommen.
Nun schreiben wir Herbst 2008 und das zweite Album in dieser Besetzung steht in den Startlöchern. „Lifeline“, so der Titel, führt konsequent den Weg weiter, den IVANHOE vor drei Jahren eingeschlagen haben. Bereits der titelgebende Opener macht klar, dass sich auch hier wieder wunderbare Melodien mit hochkomplexen Arrangements treffen und noch mit einem dicken Schuss Bombast verfeinert werden. Man merkt der Truppe an, dass sie mit Spaß an der Sache dabei ist und niemandem etwas beweisen will, denn das haben IVANHOE absolut nicht nötig.
Mit „Mad Power“ folgt darauf ein recht düsteres Stück, welches jedoch, wie auch die nachfolgenden, das hohe Niveau problemlos halten kann. Überhaupt zieht sich ein sinisterer Faden durch die komplette Scheibe, was einige Fans vielleicht zunächst irritieren könnte, am Ende jedoch nie aufgesetzt oder gar gekünstelt wirkt. Ansonsten sind die Nummern alle sehr abwechslungsreich ausgefallen, mal dominieren imposante Keyboard-Kaskaden, ein anderes mal hingegen regiert die Doublebass und man geht fast schon thrashig zu Werke.
Nicht nur musikalisch, sondern auch textlich folgt „Lifeline“ einem gewissen Konzept, man behandelt hier die ägyptische Mythologie, um genau zu sein, deren finstere Seiten. Immer wieder schleichen sich Passagen ein, die an orientalische Musik erinnern. Da eine versteckte Melodie, dort ein morgendländisches Schlagzeug, viele dieser Spielereien bemerkt man erst bei genauerem Hinhören.
Hinhören sollte man übrigens nicht nur genau, sondern auch wiederholt. Es dauert nämlich eine gute Weile, bis die Songs richtig zünden. Zwar lohnt es sich, mir jedoch ist es dann doch irgendwann mal zu viel, wenn erst nach dem zehnten Durchlauf der Funken überspringt. Nichts gegen vertrackte Arrangements, aber man kann es auch übertreiben.
Mit „Lifeline“ haben IVANHOE ein Album vorgelegt, dass vielen Prog-Fans gut bekommen dürfte. Die Vergleiche mit Dream Theater sind ein für allemal passé, wenn, dann fühlt man sich eher an Symphony X oder Pagan´s Mind erinnert. Auch Queensryche blicken hier und da mal durch. Ägyptologen, die Spaß daran haben, sich richtig in ein Album hineinzuwühlen, schlagen zu, ansonsten sollte man vor dem Kauf den einen oder anderen Probehördurchlauf wagen, bevor man zuschlägt.
Wertung: 7 / 10