„Seelenreiter“… Ich hab ehrlich gesagt keinen blassen Schimmer was das ist oder wie man überhaupt auf einer Seele reiten können soll. Aber eine gewisse morbide Faszination wirkt dieses Wort doch auf mich aus. Genau wie das Coverbild unserer heute zu besprechenden CD. Ein seltsames Ding das aussieht wie eine Mischung aus Cthulhu, einem Elefanten, Michael Myers und irgend jemandem mit einer sehr erschütternden Frisur. Wenn das ein „Seelenreiter“ sein soll, dann will ich dem lieber nicht im Dunkeln begegnen, aber eigentlich noch viel weniger gern im Hellen.
Jedenfalls stießen die fünf Potsdammer LOCO (die sich im Promozettel als die „fünf apokalyptischen Reiter der Neuzeit“ bezeichnen) bei der Suche nach einem geeigneten Namen für ihr Debutwerk auf eben dieses Wörtchen, „Seelenreiter“. 1999 gegründet veröffentlichte die Band bislang nur eine 5-Track-EP mit dem Titel „Clown“, die von der Presse doch relativ wohlwollend aufgenommen wurde. Schon den 2005er-Kurzspieler konnte man über die Bandhomepage wahlweise käuflich erwerben oder direkt runterladen, auch das eigens eingeprügelte und herausgebrachte Erstwerk beschreitet diesen Weg (auch wenn bei der Download-Variante so weit ich das sehen kann sowohl das Intro als auch der siebte Track, den ich hier nicht ausschreiben kann, weil ich dafür das falsche Keyboard bei der Hand habe, fehlen). Na gut, dann wollen wir doch mal schauen, was uns hier erwartet.
Der Promozettel verspricht uns vollmundig „New School Thrash Metal mit Hardcoreeinflüßen und ausschließlich deutschen Texten“. Ersteres würde ich jetzt nicht gerade unterschreiben, aber letzteres stimmt sogar fast. Im Intro begrüßt uns eine leicht irre klingende Stimme die was von Medikamenten brabbelt und das auf Englisch, aber gut, wir wollen jetzt mal nicht pingelig sein, das klingt stark gesampelt, also kein wirklicher Text. Und abgesehen von ein paar „Come on“s hier und da bleibt Sänger Suhl wirklich immer in deutschen Gefilden, was schon mal sehr nett ist, denn welche Combo dieses Genres singt schon auf Deutsch? Naja, Hämatom vielleicht…
Und an die musste ich irgendwie hin und wieder sehr stark denken. Das ist kein Kompliment, ich finde Hämatom ziemlich scheiße. Aber irgendwie schlagen LOCO in Sachen Musik und Texte schon recht stark in diese Richtung. Um mal diese wahnwitzige These aufzustellen: Was hier musikalisch und gesanglich geboten wird klingt in etwa wie eine Mischung aus Slipknot, Hämatom, den Apokalyptischen Reitern (irgendwie erinnert Suhls Stimme mich ziemlich oft an Fuchs im Refrain von „Warum“) und einer kleinen Priese Schwedendeath. Das ist konfus, das ist rein theoretisch auch irgendwie gar nicht so gut…
Glücklicherweise sind Theorie und Praxis zwei Paar Schuhe. Denn irgendwie funktioniert das Ganze im Endeffekt dann doch… Fragt mich nicht wie, aber über weite Strecken ziehen LOCO sich ziemlich gut aus der Affäre. Das typische Hardcore-Genöle von Suhl nervt zwar auf dauer (die cleanen Vocals klingen irgendwie leicht schief, aber trotzdem – oder vielleicht gerade deswegen – ziemlich cool, kommen aber etwas zu kurz) und auch die Musik ist nicht gerade einfallsreich, besteht größtenteils aus typischem 08/15-Nu-Metal-Powerchord-Geschrubbe bis der nächstbeste Breakdown um die Ecke kommt, aber dann tauchen eben hin und wieder die Melo-Death-Einflüsse auf und so unspektakulär die eigentlich aufgezogen sind, im Kontext funktionieren sie. Denn bei den abwechslungsarmen (aber aus irgend einem Grund nicht ungefälligen) Riffs haut jeder artenfremde Einschub gleich dreimal so gut rein.
Natürlich ist trotzdem nicht alles Gold was glänzt und vor allem in einer Hinsicht sind LOCO auf eine wahre Pyrit-Ader gestoßen: die Texte. Deutsche Lyrics schön und gut, aber… äh, gut ist irgendwie anders. Denn in vielen Fällen („Kuckuck“ sei hier besonders erwähnt) klingt das ganze irgendwie nicht böse, wie es wohl beabsichtigt sein sollte, sondern eher lächerlich. Klar, die Jungs können auch gute (oder sagen wir mal annehmbare) Texte schreiben („Land Unter“ und der beste Song des Albums, „Medusa“, seien hier mal hervorgehoben), aber wirklich brillant wird hier eigentlich nie gearbeitet.
Was kann man noch zu „Seelenreiter“ sagen? Gute frage, ich sitze hier und lausche der CD gerade zum zehnten oder elften mal innerhalb von zwei Tagen und… Irgendwie stellt sich bei mir Ratlosigkeit ein. Die Musik ist so simpel, die Texte sind teilweise so doof, der Gesang nervt von Zeit zu Zeit einfach nur… Wieso also gefällt mir die CD eigentlich so sehr? Ich weiß es ehrlich nicht, nur das verdammt coole Cover und der tolle Albentitel können’s doch nicht sein, oder? Aber irgendwas muss dran sein, denn ich wage mal zu behaupten, dass LOCO eigentlich gar keine so gute Band sind, aber sie gefallen mir trotzdem. Jeder der sich selbst ein Bild davon machen will, sollte die CD auf jeden Fall mal downloaden, denn für ein kostenloses Produkt kann man absolut nicht meckern.
Wertung: 6.5 / 10