Wer hätte denn gedacht, dass sich Europas neue Gothic-Sensation so anhört? Ich nicht, denn dafür hätte ich mir etwas mehr gewünscht, aber vielleicht das Ganze erst mal der Reihe nach. OMEGA LITHIUM stammen aus der düsterschmiedenden Gothichochburg Kroatien und legen mit „Dreams In Formaline“ ihr Debütalbum vor. Ungleich dicker trägt man mit den Informationen über die Band auf, immerhin, ein plausibles Konzept ist vorhanden („die Band versuchte sich vorzustellen, was in Formalin eingelegte Menschen träumen, gibt es etwas, das unsere Gedanken konserviert). Selbstverständlich wird dies alles von außergewöhnlich begabten Musikern intoniert und, und, und.
Nach dem wahrhaftig mehrfachen Genuss der Scheibe sitze ich etwas ratlos vor den Tasten und so recht wollen sich die Worte nicht auf den Bildschirm begeben. Was läuft da falsch? Die ehrliche Antwort: ich habe keine Ahnung. Man kann den Kroaten nicht vorwerfen, dass sie uneigenständig zu Werke gingen. Zwar schimmern immer mal wieder einige gängige Aspekte der gotischen Szene durch und es wird auch gar nicht verschwiegen, dass Freunde von „Evanesence“ oder auch „Lacuna Coil“ Gefallen an der Musik der drei Herren plus Dame finden könnten. Dennoch klingt die Musik für mich nicht ausgesprochen neu, sondern viel mehr so, als wenn sie sich in die ohnehin schon extrem knappen Nischen der vollgerammelten Welt der dunklen Seelen quetschen würde. So zwar noch nicht gehört, aber dennoch bekannt. Die Abwechselung versucht man nicht krampfhaft, aber schon etwas bemüht hochzuhalten. Dies gelingt auch nicht wirklich schlecht, die Songs unterscheiden sich voneinander. Mal steht die Gitarre mit abgehackten Rhythmen im Vordergrund, dann – und dies geschieht recht häufig – übernimmt das Keyboard das Kommando, teilweise wird auch mit extrem fetten Wänden aus Gitarre, Bass und Schlagzeug gearbeitet. Der Vorteil, unterschiedliche Geschlechter ans Mikro zu bringen, ist gerade bei dieser Art von Musik nicht von der Hand zu weisen, mal intoniert die ansehnliche Frontmieze Mya, die mit ihren nicht mal 20 Jahren sicher eine passable Zukunft vor sich hat. Dann röhrt aber auch Malice Rime, Hauptsongwriter und hauptamtlicher Gitarrist, munter drauf los, seine Anteile am Gesang sind für einen Backgroundakkrobaten schon reichlich ausgeprägt. Nicht schlimm, er macht es ja gut.
Das Haarbüschel in der Suppe ist immer noch nicht gefunden, forschen wir also weiter: die Songs an sich stehen sicherlich immer unter Generalverdacht, wer hier Quatsch macht, muss sich nicht wundern, wenn der Spaß hinterher nur im geringen Umfang daherkommt. Vielleicht stimmt das hier tatsächlich, die Spielzeiten sind zwar alle antikommerzunverdächtig knapp gehalten, elf Lieder bringen es auf gerade einmal gute 35 Minuten, was kein Wunder ist, wenn nicht eine Nummer die vier Minuten überdauert. Trotzdem fehlt einfach die für ein grandioses Album notwendige Quote rasch zündender und überdauernder Lieder. Alle elf Lieder kann man bequem am Stück runterspulen, letztlich tun sie nicht besonders weh, aber der Abschiedsschmerz ist eben auch nicht zu hoch, wenn danach eine neue Scheibe in den Player wandert.
Meine Güte, irgendwie drehe ich mich gerade so oft im Kreis wie es die CD in meinem Autoradio getan hat. Und da in dem Fall auch bei anhaltender Fortdauer nicht mehr viel dolles rauskommt, belasse ich es hier auch mal endlich dabei. Ich hoffe, dass meine negative Sichtweise nicht zu drastisch erscheint, das Album ist weit davon entfernt, ein absoluter Flop zu sein, aber leider auch fast so weit davon, der Meilenstein, den man mir hier verkaufen will, zu sein. Image und Ausrichtung sind total in Ordnung, aber um nicht schon bald wie Lithium, das mit Wasser in Berührung gerät, zu verdampfen, braucht es beim nächsten Mal schon eine handvoll mehr Songs, die man gerne öfter hören möchte.
Wertung: 6.5 / 10