Review Overmars – Affliction, Endocrine… Vertigo

  • Label: Candlelight
  • Veröffentlicht: 2005
  • Spielart: Doom Metal

Es ist schon komisch. Manchmal bekommt man Promo-CDs die man einmal durchhört, danach hin- und hergerissen zwischen Begeisterung und Ablehnung ist, die Scheibe beiseite legt und sich dann nach langer Zeit quält den Silberling doch zu sprechen. So geschehen bei der franzosischen Band OVERMARS, lange Zeit ein Nebenprojekt von DONEFOR. Mit dieser ebenfalls unbekannten Band brachten Overmars dann auch eine Split-LP im Jahre 2002 und ein dutzend Monate später den nächsten Split-Output mit der Japano-Band FUGÜE heraus. „Affliction, Endocrine… Vertigo“ stellt daher das erste richtige Werk der Band dar. Leider war es mir nicht möglich die Namen der Mitglieder herauszufinden, weder Presse-Info noch Band-Website wollen es verraten.

Los geht’s noch recht konventionell. Heiser wirkendes Gegrunz-Geschrei oder wie man es auch nennen mag, gepaart mit Psycho-Core-Rock. Die Gitarren sägen, das Schlagezug hämmert.
Aber nicht doch, Schubladen sind bei dieser Band nun wirklich nicht angebracht, schnell wird man eines besseren belehrt: Ab der Mitte des Openers „Obsolete“ klingt die E-Gitarre aus und die Akkustik-Klampfe wird herausgeholt. Dadurch kommt ein wenig Atmosphäre auf, allerdings zerstört der Sänger die wiederum mit seinem Gegrunze zum Ende hin.Danach folgt in „This Is Rape“ gleichmal ein Metal-Stakkato-Takt, der einem seltsam bekannt von einer erfolgreichen Slipknot-Single vorkommt. Doch dann verfällt man in monotone Langweilerei. Ein paar Industrial-Effekte im Hintergrund und eine sich ständig wiederkehrende Instrumentierung wirken nervtötend, werden aber immer wieder durch kleine Ideen und Variationen erweitert. Mit Hilfe dieser Stilmittel baut man nach einem Drittel des 11(!)-Minuten-Stückes nun viel konstanter eine eindringliche Spannung auf. Alles in allem sehr düster bis hier hin und mit einigen unnötigen Längen ausgestattet.
Da kommt ein wenig Ruhe und eine nette Gitarrenmelodie im ersten Teil von „Destroy All Dreamers“ gerade recht, auch wenn der Gesang weiterhin als solcher nicht zu bezeichnen und zu gebrauchen ist. Zum Glück kommen menschliche Organe hier eh nur sporadisch zum Einsatz, die Platte wird von langen Instrumentalpassagen dominiert und getragen. Wie auch das vierte Lied, es passiert zwar nicht viel, wirkt aber sehr stimmig.„Buccolision“: Nervösmachendes Klaviergeklimper, gespenstisches Frauengeschrei, eine tiefe Männerstimme dazu, man kommt sich vor wie im Irrenhaus. Eins muss man ihnen lassen, Bilder erzeugt ihre „Musik“ auf jeden Fall. Die „Destroy All Dreamers“-Reihe hingegen versprüht weiterhin eine, wenn auch melancholische, Harmonie und Entspannung, die einfach nur überzeugen kann.
Songstrukturen habe die Franzosen nicht nötig, vielmehr leben sie von Soundcollagen, Arrangements, Versatzstücken und Klangteppichen, die sich überraschend innovativ präsentieren.

Schwermütig, klaustrophobisch, an den Nerven zerrend, komplex, monton, beklemmend, schön, wirr, chaotisch, tiefgründig, abwechslungsreich, entspannt – und vor allem faszinierend intensiv. Von Eingängigkeit bei weitem keine Spur. Dieses Album schreit nach aufmerksamen Hören, offenen Ohren und mehrmaligem Durchläufen. Das Konzept der Band geht definitiv auf. Overmars haben hier einen unbehaglichen Horror-Trip durch eine surreale Alptraum-Welt geschaffen, die manchmal ziemlich anstrengend ist, anfangs abstößt, schwer zu durchschauen, oftmals aber genial umgesetzt ist.
Kritikpunkte sind für mich lediglich der unnötig grausige Männergesang und die vielen Längen, die zwar eine tolle Stimmung aufbauen, in etwas gekürzter Manier doch wesentlich besser gewirkt hätten. So bekommen die Franzosen von mir den Auftrag auf dem Nachfolger die Dichte ihrer Geräuschwelt zu komprimieren.
Inzwischen versuche ich diesen Langspieler (fast 70 Minuten) irgendwo zwischen Industrial, Doom, Psycho und sonstigem Core/Metal, was auch immer einzuordnen und zu bewerten. Das fällt mir wirklich nicht leicht, denn irgendwo ist dieser „Weder Fisch noch Fleisch“-Gedanke vom ersten Probehören immer noch da. So seltsam wie diese Kritik anmuten mag ist auch das Album. Außerdem beschleicht mich das Gefühl, dass das hier von größerem künstlerischen Wert ist als ich einzuschätzen vermag. Schwierig, schwierig. Am besten nochmal anhören. Und wieder. Und wieder. Und wieder…

Wertung: 8 / 10

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

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