Review Paul Shapera – The Dolls Of New Albion: A Steampunk Opera

  • Label: Eigenproduktion
  • Veröffentlicht: 2012
  • Spielart: Entmetallisiert, Neoklassik

Steampunk als Genre oder (Sub-)Kultur ist in seinen Grundzügen so einfach erklärt, wie die konkreten Vorstellungen und Varianten davon divergieren. Der Grundgedanke ist die Kombination der Ästhetik des viktorianischen Zeitalters mit moderner beziehungsweise futuristischer Technologie. Aber wie genau die Umsetzung dann geartet ist, davon gibt es verschiedene Versionen. Vor allem aber handelt es sich dabei um ein Phänomen, welches eine lange Tradition besitzt, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht, und sich dennoch weitestgehend unter dem Radar der breiten Masse abzuspielen scheint. Dabei wird Steampunk eigentlich überall dort rezipiert, wo es denkbar ist: In Literatur, Filmen, Videospielen, Kleidung – und natürlich in der Musik. Mit „The Dolls Of New Albion: A Steampunk Opera“ schuf der britische Komponist PAUL SHAPERA 2012 ein rund 90 Minuten langes Werk, das eine zusammenhängende Geschichte in einem Steampunk-Szenario erzählt und unter anderem in Deutschland bereits live aufgeführt worden ist.

Die Handlung spielt im fiktiven New Albion, welches, so erzählt es die Geschichte, ursprünglich als Unterkunft für zwei Reisende entstanden ist und sich über Jahrhunderte zu einer belebten und geschäftigen Stadt entwickelt hat. Dort lebt Annabel McAlistair, die eine besondere sowie unheimliche Fähigkeit besitzt: Sie kann Tote wieder zum Leben erwecken. Diese Fähigkeit nutzt sie sogleich, um ihren verstorbenen Geliebten zurückzuholen, der dann eine willenlose Existenz im leblosen Körper einer mechanischen Puppe zu fristen hat. Eines Tages ist es auch für Annabel McAlistair an der Zeit zu sterben, aber ihre Formel zur Wiedererweckung der Toten geht nicht mit ihr, sondern wird von der nachfolgenden Generation wiederentdeckt…

Erzählt wird die Geschichte der Familie McAlistair in vier Akten und insgesamt 25 Stücken. Das ist eine geballte Ladung an Musik, doch PAUL SHAPERA hat es verstanden, das Gesamtwerk so anzulegen, dass es kaum langatmig wird. Mehrere Faktoren spielen dabei eine entscheidende Rolle: Zunächst gewann man mit den Sängerinnen Kayleigh McKnight und Lauren Osborn sowie dem Sänger Jason Broderick drei sehr gut gewählte Stimmen, die die Geschichte tragen, wobei Erstgenannte als Erzählerin fungiert und die anderen beiden in verschiedenen Rollen – je nach Akt – aus der Ich-Perspektive singen. Dies lässt die Erzählung lebendig wirken und sorgt dafür, dass vor dem inneren Auge des Zuhörers durchgehend bewegte Bilder entstehen, die die musikalisch dargebotene Geschichte wie einen im Kopf erlebten Film wirken lassen. Obwohl die Songs zusammenhängend erzählen, sind sie darüber hinaus so arrangiert, dass sie sich auch problemlos unabhängig voneinander hören lassen. Obwohl sich im Zusammenhang mit der Erzählung hie und da ein Part wiederholt, beinhaltet fast jedes Stück seine eigenen Gesangslinien und wunderbare Melodien, die mal anmutig, mal melancholisch, mal bedrohlich wirken, stets der jeweiligen Situation der Erzählung angepasst. Neben konventionellen Elementen wie Streichern, Trommeln oder Klavier kommen hierbei immer wieder auch mechanische Geräusche zum Einsatz, die dem Ganzen eine stimmige Steampunk-Atmosphäre verleihen. Obwohl man als Hörer natürlich, wie das bei so ziemlich jedem Werk und gerade bei solch einem ambitionierten Projekt der Fall ist, stärkere und weniger stärkere Momente erlebt, bleibt kaum ein Song uninteressant. Lediglich der dritte Akt, in welchem mit vielen Wiederholungen gearbeitet wird, fällt musikalisch ein wenig ab.

Schlussendlich ist es aber auch vor allem die Geschichte selbst, die von Anfang bis Ende spannend ist, die eine oder andere Wendung bietet, zum Nachdenken anregt und der man schlichtweg gerne zuhört, schon deswegen, weil man immer neugierig ist, wie es weitergeht – insbesondere nach dem Ende, welches eine Fortsetzung andeutet. Derer gibt es in der Tat zwei, aber das sind, wie es im letzten Stück „We Bid You All Adieu“ heißt, „Stories for another time“.

Obwohl „The Dolls Of New Albion: A Steampunk Opera“ durchaus seine Anhänger hat, kam das Projekt, wie es die generelle Tragik beim Steampunk zu sein scheint, nie groß genug raus, um von einer breiten Hörerschaft registriert zu werden. Somit muss das Werk als Geheimtipp gelten und ist als dieser mehr als nur empfehlenswert, da es nicht nur eine interessante Geschichte bietet, sondern auch ein Stück außergewöhnlicher Musik darstellt, die zwar eingängig ist, sich aber dennoch weit entfernt vom generischen Einheitsbrei bewegt. Bei der Ideenlosigkeit, die man Hollywood im Strom unnötiger Fortsetzungen bereits auserzählter Reihen und Remakes, die dem Original nicht ansatzweise gleichkommen, oftmals bescheinigen kann, wäre es empfehlenswert, eine hochwertig produzierte Verfilmung dieses Projekts anzugehen. Eine überaus vielversprechende Vorlage würde „The Dolls Of New Albion: A Steampunk Opera“ hierzu jedenfalls liefern – und dann möglicherweise auch die Aufmerksamkeit bekommen, die es verdient hätte.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Wertung: 8.5 / 10

Publiziert am von Pascal Weber

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert