„The bombastic Debut of Timo Tolkki (ex Stratovarius) new Power Metal band!“ verspricht ein Aufkleber auf „New Era“, dem ersten Album von REVOLUTION RENAISSANCE und erhöht seine hochprofessionelle Wirkung noch durch seine Dreifarbigkeit. Immerhin erwähnt er Michael Kiske (ex-Helloween, inzwischen Unisonic) und Tobias Sammet (Edguy, Avantasia) als Gastsänger. Der ebenfalls beteiligte Pasi Rantanen (Thunderstone) hingegen fehlt auf dem Sticker, vermutlich weil er weniger bekannt ist und nicht als Werbeträger taugt. Aber hat Tolkki bunte Aufkleber nötig? Tolkki, das Mastermind hinter Stratovarius? Der Reihe nach.
Die Jahre ab 2004 waren sicher keine gute Zeit für den finnischen Ausnahmegitarristen: eine schwere psychische Erkrankung wird diagnostiziert, er überwirft sich mit Stratovarius, versöhnt sich mit Stratovarius, trennt sich nach einem Album samt Tour wieder von Stratovarius – REVOLUTION RENAISSANCE sollte der Befreiungsschlag für den wankenden Virtuosen werden. Wurde dieses Debüt noch mit Gastmusikern aufgenommen, entstand später eine vollwertige Band, die zwei weitere Alben hervorbrachte, aber fast keine Live-Auftritte absolvierte und sich nicht etablieren konnte. Warum, kann man leider schon an dem Debüt erkennen.
Auf „New Era“ befinden sich zehn Songs: fünf schnelle Nummern, zwei Balladen, drei Midtempo-Lieder. Mit wenigen Ausnahmen sind sie ca. viereinhalb Minuten lang. Das Songwriting ist leider ebenso schematisch geraten, fast immer mit einfacher Abfolge à la „Strophe – Refrain – Strophe – Refrain – Bridge – Refrain“. In einigen Fällen wurde gar auf eine zweite Strophe verzichtet, nur ein etwas längerer Instrumentalteil eingebaut oder der Refrain öfter wiederholt. Dabei sind nicht alle diese Lieder schlecht: Der Opener „Heroes“ kracht gut los, das Wiederhören mit Michael Kiske auf „I Did It My Way“ (nein, kein Sinatra-Cover) vermag zu gefallen und das noch aus Stratovarius-Altbeständen übernommene „Last Night On Earth“ ist ein ordentlicher Ohrwurm. Bei manchen anderen Liedern aber zuckt der Finger reflexhaft Richtung Skiptaste – die Ballade „Angel“ hätte es nicht gebraucht und der unendlich dumme Text von „Glorious And Divine“ wirft die Frage auf, ob sich Tobias Sammet eigentlich sehr befremdet fühlte, als er ihn einsang. Der Rest des Albums ist leider einfach nur belanglos. Verwunderlich noch dazu, wie wenig Tolkki die Gelegenheit eines quasi-Soloalbums nutzt, um das Griffbrett exzessiv zu bearbeiten – stattdessen ist die Gitarrenarbeit nicht selten minimalistisch. Man hätte bei dieser Gelegenheit etwas mehr erwartet.
Insgesamt wird man das Gefühl nicht los, es hier mit einer Art Resteverwertung zu tun zu haben. Ohne die wirklich guten Gastsänger – auch Pasi Rantanen schlägt sich gut – wäre das Album wohl abgestürzt. Inzwischen ist man aber selbst dann nicht mehr auf solch randständige Scheiben angewiesen, wenn man Michael Kiske hören will. Für wen also ist „New Era“ gemacht? Der eingangs zitierte Aufkleber suggeriert: Tolkki-Fans, Stratovarius-Fans, Fans von allem, was Sammet und Kiske gemacht haben. Nein, tut mir leid. Selbst Stratovarius-Fans kann das Album nur dann vorbehaltlos empfohlen werden, wenn sie besonders große Anhänger der beiden „Elements“-Alben waren, an die hier angeknüpft wird – und das dürfte eine Minderheit sein. Ich gebe solche Empfehlungen normalerweise nicht, weil ich ein großer Freund des Alben-Zusammenhangs bin, aber: Hier könnte es sich tatsächlich mal lohnen, nur einzelne Tracks online zu kaufen.
Wertung: 5 / 10