Gjallar ist das Horn, mit dem der germanische Gott Heimdall Ragnarök einleitet. Nach einem weiteren Namen dieses germanischen Gottes sind die „German Heathen Metaller“ RIGER aus Frankfurt (Oder) benannt, die ihr mittlerweile viertes Album passenderweise mit „Gjallar“ betiteln. Blickt man auf das Cover, so fallen kaum Unterschiede zum genialen Vorgänger „Des Blutes Stimme“ auf, da es ebenfalls sehr schlicht, mit dem groß auf der CD prangenden kunstvollen Bandlogo von Riger, gehalten ist. Doch was zählt ist letztendlich die Musik und genau in diesem Punkt haben sich die Jungs und das Mädel um Ingo Tauer nicht lumpen lassen.
Keyboards sucht man seit „Des Blutes Stimme“ vergeblich bei RIGER, was sich wirklich positiv bemerkbar macht, da ja kaum eine Band im Pagan-Sektor noch ohne Tastengeklimper auskommt. Gleich der Opener „Zunft der Lügner“ vereint so ziemlich alle Stärken der Band und ist zudem das erste von zwei Stücken, mit denen RIGER ihre ganz persönliche Medienschelte vollziehen und sich von rechtsextremen Gedankengut abermals distanzieren, welches ihnen ja immer wieder nachgesagt wurde. Musikalisch treffen hier einprägsame Gitarrenriffs auf sauberes, druckvolles Drumming und Ingos Gesang, der auf „Gjallar“ so variabel wie noch nie klingt. Der Wechsel zwischen tiefen Growls, Gekeife und dem RIGER-typischen Flüsterpassagen belebt nicht nur „Zunft der Lügner“ sondern das gesamte Album. Mit einem fast schon beängstigenden Druck und Hass gehen die Heathen-Metaller hier ans Werk, dass es eine wahre Freude ist. Einige doomige Passagen sorgen hierbei nochmal für ein bischen mehr Abwechslung. Ohne den Hörer zu schonen, hält „Eisenhagel“ dann das, was der Titel verspricht und walzt quasi alles nieder, was sich versucht in den Weg zu stellen. Die noch deutlicher im Vergleich zum Vorgänger ausgeprägten Deathmetal-Anleihen gefallen mir ausgesprochen gut und erhöhen den Headbangfaktor der Band erheblich. Fälschlicherweise folgt nun nicht, wie auf der Rückseite des Digibooks gedruckt „Böser Glaube“, sondern „Siechtum im Glanze“ – egal, beide Songs wissen zu überzeugen, doch vor allem schafft es „Siechtum im Glanze“ die Brücke zwischen Eindringlichkeit, Druck, Hass und trotzdem vorhandener Eingängigkeit optimal zu schlagen.
Was „Auf die Ahnen“ für „Des Blutes Stimme“ war, das ist nun „Brandschiff“ für das aktuelle Album: Eine ideale Mitsinghymne für die leider viel zu seltenen Live-Auftritte von Riger, welche ein aus dem klassischen Heavy Metal stammendes, sich ins Gedächtnis fressendes Riff beinhaltet – Göttlich! Ingos hasserfüllter Gesang hingegen kommt bei der darauf folgenden Hymne „Angriff“ erneut voll zur Geltung, während „Sold der Inbrunst – Einherjer“ fast schon ruhigere Töne anschlägt. Erhaben, geradezu getragen und doch wütend und zornig, mit genialen Hooklines und Rhytmuswechseln, sowie einem schon von „Des Blutes Stimme“ gewohnt ausgereiften lyrischen Konzept kann dieser Song, welcher für mich das Highlight auf der CD markiert, aufwarten. Abermals holen Riger zum Schlag gegen die „Schöpfer der Hetze“ aus und machen ebenso mit „Spiegellos“ keine Gefangenen, ehe sie sich mit einem ansprechenden Outro verabschieden, welches zum Teil die Melodie von „Zunft der Lügner“ mit der Akustikgitarre wieder aufgreift.
RIGER haben sich mit ihrem vierten Werk „Gjallar“ erneut selbst übertroffen und zeigen wie „German Heathen Metal“ zu klingen hat. Die Entwicklung zeigt eindeutig stärkere Death Metal-Einflüsse, was dem treibend nach vorne gehenden Gesamtsound nun noch mehr Druck verleiht. Das Album klingt ebenso wie sein Vorgänger sehr eigenständig, ist schwer mit anderen Bands im Pagan Metal zu vergleichen und lässt wirklich kaum Wünsche offen, da es die Band versteht wie keine andere auch ohne Keyboards eine einzigartige Atmosphäre zu erschaffen. Auch jetzt – zwei Jahre nach der Veröffentlichung – wird „Gjallar“ nicht langweilig. Für Freunde vielseitigen Pagan Metals ohne jegliche Abstriche, die nichts gegen eine sehr große Portion Abwechslung und akustischer Aggression einzuwenden haben, eine mehr als nur empfehlenswerte CD, die sich auf dem hervorragenden Niveau von „Des Blutes Stimme“ befindet.
Wertung: 9 / 10