Review Saralee – Damnation To Salvation

Ihr kennt mich, ich liebe und verehre die großen Sentenced von ganzem Herzen und auch jetzt, knapp dreieinhalb Jahre nachdem sie von uns gegangen sind, habe ich nichts da draußen gefunden, was diese Lücke, die ihr Ende hinterlassen hat, hätte füllen können. Aber in regelmäßigen Abständen kommen irgend welche zweitklassigen finnischen Bands an, die denken, dass sie das locker bewerkstelligen könnten. Vor kurzem erst konnten End of You eine kinoreife Bruchlandung für sich verbuchen, als „Mimesis“ im übertragenen Sinne knapp zwei Meter fufzig hinter der Startlinie über die offenen Schnürsenkel stolperte und die Nase gekonnt in die Aschebahn bohrte, glückwunsch an dieser Stelle noch mal dazu. So ist das halt, wenn man Sentenced gut findet, aber nie wirklich verstanden hat, worauf sich ihr Erfolg und ihre Genialität gründete… Auf jeden Fall stehen mit SARALEE jetzt schon die nächsten Knaben aus dem Land der erfolgreichen Skispringer und horrenden Alkoholpreise in den Startlöchern und versuchen diesen Titel für sich zu erobern. Und jetzt soll mir mal keiner mit „Vielleicht wollen sie ja gar nicht Sentenced sein“ kommen, denn zur Hölle noch mal, jeder wäre ja wohl gerne Sentenced, oder?

Egal, SARALEE heißen sie jedenfalls, das Bandfoto im Booklet der CD „Damnation To Salvation“ sieht sehr Kurios aus. Vor allem der dicke Glatzkopf (den die Bandwebsite uns als Schlagzeuger Clansman verkauft) und der Typ in der Mitte mit dem schicken Lidschatten (Sänger Joonas, wie könnte es anders sein) provozieren schon den einen oder anderen Schmünzler, aber auch was man sonst so in dem schick bebilderten Schmöker ließt ist nicht von schlechten Eltern. Darf ich mal die ersten Textzeilen der CD zitieren? Darf ich? Darf ich? Ach, ich mach’s einfach: I got a feel/It is so unreal/I need some power to steal. Wenn das keine hohe poetische Kunst ist, dann weiß ich’s auch nicht. Naja, das hier vielleicht: Look up yourself/Don’t be shy/I let you heißt es in Track 5 „Crimson Sky“. Ja, Texter Joonas hat das Vorschulenglisch wohl mit ganz großen Löffeln gefressen, Hut ab dafür. Na bei so einem katastrophalen Anlauf ist der bodenlose Reinfall doch schon so gut wie vorprogrammiert, nicht oder?

Nicht. Ja, ich hab mich oft und gerne über die CD lustig gemacht, eh sie zum ersten Mal in den Player wanderte. „Kann ja gar nix werden“, schoss es mir durch den Kopf. „Die verkacken’s, aber so richtig.“ Auch beim Opener „Scars“ war ich da noch relativ sicher, der ist zwar nicht schlecht, aber so wirklich was Besonderes auch nicht. Rockig geht’s hier zu, erinnert mehr an die zweite Poisonblack-CD als an Sentenced, allerdings ohne deren Klasse zu erreichen. Wobei Joona von Zeit zu Zeit dem guten Ville klanglich schon recht nahe kommt. Die Texte bleiben blöd, hören sich aber wesentlich besser als sie sich lesen. Und die zumindest anständige Musik hilft auch darüber hinweg zu hören. Aber wie oft erlebte ich es in letzter Zeit schon, dass Bands nach einem ganz guten ersten Track ordentlich ins Klo greifen? Manzana und Amberian Dawn kommen mir da in den Sinn und – Überraschung – die sind ja auch beide aus Finnland. Also, abwarten und Tee trinken.

Bei „Forsaken“ geht es ganz ähnlich weiter, die Qualität bleibt konstant, die Genialität aber weiterhin aus. SARALEE fahren geschickt im Mittelfeld herum, ohne mit irgend welchen ganz großen Idiotien zu kollidieren. Aber je länger das Lied läuft, desto weniger klingt das eigentlich noch wie eine uninspirierte Sentenced-Kopie. Klar, ähnliche Grundmotive sind da, aber irgend etwas ist anders. Vielleicht das irgendwo sehr weit im Hintergrund herumdümpelnde Keyboard, das nur selten wirklich das Ruder ergreift, aber irgendwie immer da ist und die Gitarren gut unterstützt… Und da kommt ja auch schon Growl-Gesang um die Ecke. Der gefällt gar nicht so übel, zumindest nicht als kurzer Einschub zwischen den sehr guten klaren Gesangspassagen, nette Auflockerung.

„Sleeping in the Fire“ gibt dann aber endlich den Ausschlag in eine Richtung. Dümpelte „Damnation to Salvation“ bislang auf dem schmalen Grad zwischen Gut und Schlecht herum, so reißt der Song die Scheibe endlich in eine Richtung. Und zwar – aufgepasst – in die Gute. Das Intro des Songs ist große Klasse, die Gitarristen schrubben Powerchords herunter und während dessen spielt das Keyboard (es klingt ein wenig nach Hammond-Orgel, aber ich bin mir nicht ganz sicher, wo ich den Klang einordnen soll) eine glasklare, extrem sehnsüchtige Hookline darüber. Und an der Stelle war es um mich geschehen. Ja, SARALEE, mit diesem Part habt ihr mich überzeugt.

Danach geht es weiter wie gehabt, die Songs bleiben gutes Easy-Listening-Material, das schön im Ohr hängen bleibt und ein paar starke Mitsing-Refrains hat. Hin und wieder wird der Kitschfaktor etwas zu hoch gehalten, allgemein gehen die Jungs aber einen gesunden Mittelweg zwischen Hoffnung und Verzweiflung. Nach Sentenced oder Poisonblack klingt das alles irgendwie nicht mehr, ab diesem Zeitpunkt scheinen die Finnen ihren eigenen Sound gefunden zu haben, der sich nur noch minimal an die großen Vorbilder anlehnt. Hier ein kerniger Gitarren-Lead-Part, da ein wenig rotziger zu Werke gegangen, noch ein kleines epischeres Keyboard-Arrangement in den Hintergrund gemischt, das gefällt alles sehr gut.

Zugegeben, über weite Strecken ist der Rest der CD dann doch eher gleichförmig, hier wird nach gleichbleibendem Rezept gekocht, aber das auf hohem Niveau. Nicht musikalisch gesehen, da sind die Kompositionen doch eher gute Hausmannskost, aber was den Unterhaltungsfaktor angeht eben. „Damnation to Salvation“ macht viel Spaß und das auch beim umpfzigsten Durchlauf noch. Und nach der Glanztat „Sleeping in the Fire“ werden SARALEE sogar gleich noch einmal genial, nämlich bei Track 7 „Nights (We’re Living For)“, einer fast komplett akustischen Nummer mit ein paar absolut herzergreifenden Lead-Einsprengseln und Gesangslinien. Ganz klarer Anspieltipp von meiner Seite. Und „Last Day Alive“ endet dann auch schön episch, so dass man eigentlich rundum glücklich sein kann mit dem, was SARALEE abliefern, oder?

Naja, bei all den Lobeshymnen hier werden die Texte immer noch nicht besser und das hört man leider teilweise ziemlich deutlich, vor allem beim vorletzten Song „Remains of Carmen“, der einen so uninspirierten Refrain hat, dass man sich fragt, wieso Joona diesen eigentlich bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit wiederholt. Aber gut, das sind nur kleinere Ausrutscher auf einer ansonsten bestens gelungenen Platte. Wer mit gefühlvollem, ehrlichen Gothic Metal was anfangen kann und Texte für nicht ganz so wichtig hält, sowie eine gewisse Kitschresistenz mitbringt, der kann mit SARALEEs zweiter CD „Damnation to Salvation“ eigentlich gar nicht viel falsch machen. Weiter so, Jungs, da könnte was Gutes draus werden…

Wertung: 8.5 / 10

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

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