Schwer und unregelmäßig atmet der Redakteur, seine Finger zucken im Schlaf und Schweiß rinnt ihm die Stirn hinab. Er wirft sich hin und her, verheddert sich in seinen Decken, stößt unartikulierte Laute hervor, unzusammenhängend aber doch irgendwie panisch. Seine Finger krallen sich in den Stoff der Laken, er schreit und versucht davor zu fliehen, stemmt sich in den Kissen hoch… Und plötzlich erwacht er, schnappt nach Luft und wischt sich den Schweiß von der Stirn. Was ein Glück, es war nur ein Albtraum. Aber nein, sein Blick fällt auf den CD-Stapel neben der Steroanlage… Sie ist noch da, der Albtraum ist wahr geworden. Da liegt sie, die Debut-CD der schwedischen Doom-Metaller SEMLAH…
Die heißt genau wie die Band, also „Semlah“ und ist nach zwei Demos das dritte Lebenszeichen der 2001 in Stockholm gegründeten Band, die oft und gern damit wirbt, ein waschechtes Mitglied der schwedischen Doom-Legende Count Raven, nämlich Bassmann Tommy „Wilbur“ Eriksson, dabei zu haben. So weit, so gut, haben wir die Rahmendaten der Veröffentlichung doch mal gut abgesteckt, aber eine Frage bleibt: Wieso nur nenne ich das gute Stück einen Albtraum? Ist sie wirklich so saumäßig schlecht?
Ne, ist sie nicht. Ganz im Gegenteil. Darum erkläre ich gerne das Wieso und Warum meines geplagten Schlafes. Sagenhafte CDs, grottenschlechte, sehr coole oder aber Alben der verschenkten Möglichkeiten, das sind alles Dinge, aus denen der findige Reviewer von Welt in kürzester Zeit eine ansprechende und mehr oder weniger informative Rezension stricken kann. Da reitet man mal auf ein paar Schwachpunkten herum oder lobt einzelne Aspekte eines Werkes über den grünen Klee und so weiter und so fort, kennt man ja. Das alles ist mir bei SEMLAHs „Semlah“ (wie das schon klingt) aber nicht möglich und ich tu mich echt schwer irgend welche deskriptiven Worte für dieses Werk zu finden, denn: Es ist einfach nur gut. Punkt, aus.
Versteht mich nicht falsch, ich habe kein Problem damit, dass die CD Spaß macht. Das macht sie, sogar gar nicht zu knapp. Aber ich kann einfach schlecht sagen wieso, außer indem ich es mit dem wenig aussagekräftigen Satz „Hier ist einfach alles ganz cool dran“ zusammenfasse. Coole, recht rockige Riffs, sehr coole, teils zweistimmige Gitarrensoli, ziemlich cooler Gesang, alles im grünen Bereich. Wohl gemerkt, nichts hier (oder sagen wir mal „wenig“, die „Perennial Movement“-Akustikparts sind schon dicht dran, vor Allem der zweite – fragt mich übrigens nicht, wieso die verkehrt herum numeriert sind, ich weiß es nicht) überschreitet die magische Grenze zur Genialität, das ist alles schlicht und ergreifend sehr solide Arbeit ohne Ausrutscher nach oben oder unten hin. Oh, pardon, was ich schon die ganze Zeit über vergaß… Was denn überhaupt?
Wie kann man den Stil von SEMLAHs Musik am Besten beschreiben? Hm… gar nicht so einfach, am ehesten wohl eine relativ rockige Variante des klassischen Doom Metals, wesentlich weniger behäbig als die Genreväter, rifforientierter, dadurch auch ziemlich eingängig und trotzdem hört die Musik sich wenn dann nur sehr langsam tot, Abwechslung sei’s gedankt (hin und wieder musste ich auch irgendwie an Astral Sleep denken, ich schwöre, ich erwartete des Öfteren, dass jeden Moment die Mundharmonika um die Ecke biegt…). Sänger Joleni klingt, wenn er ein wenig zurücksteckt (wie bei den akustischeren Parts), ein wenig nach Tim Owens, hat aber doch ein ziemlich charakteristisches Organ, das – ihr dachtet es sicher schon – ziemlich gut rüberkommt. Und auch das Songwriting macht einen durchdachten Eindruck, was will man mehr?
Ganz ehrlich? Keine Ahnung, aber trotzdem hätte ich mir von SEMLAH irgendwie mehr gewünscht. Vielleicht etwas mehr Experimentierfreude, etwas mehr stilistische Offenheit, etwas mehr… ja, mehr halt einfach. Nicht, dass SEMLAHs „Semlah“ schlecht wäre, das ist die Scheibe nämlich nicht. Nicht mal ansatzweise. Eben grundsolide, in jeder Hinsicht. Und leider sehr selten darüber hinaus. Trotzdem kann man als Fan eher aufgelockerten Doom Metals wesentlich schlechter fahren als mit den Schweden, darum:
Wertung: 7 / 10