SINTECH. Hinter diesem Namen versteckt sich eine nunmehr fast zwölf Jahre alte Kombo aus (Nähe) Coburg, u.a. bestehend aus Managarm und Hati von Varg, die in den letzten Jahren auf Grund Betzungsmangels etwas eingeschlafen war und nun mit ihrer vierten Scheibe den Anfang einer neuen Ära starten will. Dabei ist der Name der Band Programm. Serviert wird, um es mal präziser in eine Schublade zu schieben, „Sinthetic Death Metal“. Das gute neue Stück heißt „Schlampenfeuer“ und glänzt auf jeden Fall mit einem: einer ungeheuren Variabilität in Text und Ton. Was dem Ganzen, der Titel führt es vor Augen, gemein ist? Ob nun bissig direkt Welt und Gesellschaft anklagend oder reimtechnisch wie inhaltlich so flach, dass man stellenweise beschämt wegschauen möchte, der gemeinsame Punkt liegt in der Provokation und das schafft der Longplayer definitiv auf ganzer Linie.
Das Intro wirkt durch den einleitenden Flüstergesang fast mystisch, bevor es nach einem netten „Vater Unser“ mit ein paar noch feineren höhnischen Anrufungen zum ersten und gleich Titeltrack „Schlampenfeuer“ übergeht. Hier steigt man sogleich fett mit ordentlich Doublebass in die Eisen. Unterlegt wird mit passenden Synths, die hier schön die eigentliche Songstruktur unterstreichen, ohne sich dabei zu sehr in den Vordergrund zu drängen. Dadurch kommen Sprocs aka Managarms prägnante Vocals, hier unterstützt durch Thomas Gurraths (Debauchery/ Big Ball) mächtig unverkennbares Growlorgan, bestens zur Geltung. Mal ein hübsches Duettchen der anderen Art. Der langsamere Mittelpart lässt den Song dabei anschließend nicht langweilig werden, sorgt für entsprechende Kontrastierung und baut nochmal zusätzlich Spannung auf. Diesen letzten Satz kann man verallgemeinert eigentlich auf das ganze Album beziehen, denn langweilig wird es durch die hohe Variabilität in und zwischen den einzelnen Tracks definitiv nicht. Das folgende „Avantgarde“ setzt auf mehr Melodik, ein wenig Keys hier, ein paar Chorelemente dort kreieren einen beinahe epischen Touch. Auch hier wird wieder elegant im Tempo variiert, ohne das Lied dabei zerstückelt wirken zu lassen. Diese Symbiose haben Syntech auf jeden Fall drauf.
Schneller, rasanter, mit festbeißendem Rhythmus kommt „Hassorgasmus“ daher. Der Text ist eingängig aber nicht plump, überhaupt nicht so flach wie man aufgrund des Albumtitels oder dem Motto à la „Feuer, Sex und Nikotin“ vermuten würde.
Allerdings wechselt der lyrische Anspruch ziemlich stark. Während das Werk bei „Jünger Des Nichts“ seine interessanten, textlich markanten Stellen hat, sackt man bei „Feuer“ in ein gefährliches Loch nach Motto: „Reimen auf Teufel komm raus“, niveautechnisch vergleichbar mit einer Mischung aus Eisbrechers „Adrenalin“ und „Willkommen Im Nichts“. Aber seine Meinung über alles und nichts der Welt direkt ohne Schnörkel ins Gesicht zu kotzen ist hier wohl als weiteres Markenzeichen zu nennen.
Abwechslung bleibt auch weiterhin Casus Knacktus bei der musikalischen Gestaltung. Angezogener Tempostrang plus irgendwie unpassendes paganähnliches Gedudel zu Anfang bei „Feuer“ (wohl schwächster Song der Platte), dicker Griff in die Elektrokiste mit voller Ladung an differenzierter Songstruktur bei „Geistgeschwür“, straightes Tempo mit live-dauerbrennerartigem Refrain bei „Narbenacker“, Fokus Sprechgesang bei „Mein Reich Komme“ oder eingebettete Zitate von Johnny Depps deutscher Synchronstimme bei „Frost“. „Totenkleid“ ist als absoluter Anspieltipp hervorzuheben, da dort nochmals alle Kunstfertigkeiten der Varianz vereint werden, ohne dass diese sich gegeneinander ausspielen. Das letzte, langsam dahin rollende „Narrenbrut“ entlässt den Hörer am Ende mit freundlich zynischem Grinsen aus dem Melodic-Dark-Death-Patchworkmuster.
Fazit: SINTECH zeigen mit ihrem Silberling unabstreitbar eine Menge Potenzial und schaffen es, markante Elemente aus allen Richtungen zu einem neuartigen, charmanten Sound zu fusionieren. Diese Variabilität wirkt allerdings an manchen Stellen ein wenig zu divergent, was wahrscheinlich der Tatsache zu verschulden ist, dass das Album innerhalb der letzten fünf Jahre entstanden ist und damit in gewisser Weise auch eine Entwicklung erzählt. Bleibt fest zu halten: Wer auf Dimmu Borgir auf Death, Rammstein auf Speed, Eisbrecher zackiger und ohne Pop oder auch Eisregen auf Synths oder generell bissige deutsche Texte steht, sollte in „Schlampenfeuer“ auf jeden Fall einmal reinhören.
Wertung: 8.5 / 10