Leute mischen ja die komischsten Sachen. Gurken mit Honig (davon hörte ich bislang nur…), Rotwein mit Cola (Kollege Döll bewies, dass es solche Banausen auch bei uns in den eigenen Reihen gibt… die gute Cola), Nutella mit Frischkäse (schuldig im Sinne der Anklage) oder halt auch mal Death Metal mit Gothic. Gut, zugegeben, diese Mischung ist nicht so pervers, wie das andere Zeug, das ich aufgezählt habe. Aber meistens sind genau diese Vermischungen irgendwo halbherzig. Dark Tranquillity lassen das immer irgendwo anklingen, Insomnium haben auch hin und wieder einen Gothic-Touch, ja gut, es gibt einige Bands (vor Allem im Doomdeath-Sektor), die eins spielen und Einflüsse aus dem anderen ziehen, aber eine wirkliche Vermischung, die kannte ich bislang eigentlich noch nicht so wirklich. Bis ich mal wieder über eine MP3 gestolpert bin, die ich vor ewigen Zeiten mal von einer Bandhomepage heruntergeladen hatte, und endlich mal ordentlich zuhörte. Und kurz darauf die zugehörige CD kaufte.
Matthias Kupka war wahrscheinlich gern bei Suidakra. Und das obwohl seine Involvierung bei eben dieser Band nicht auf ungeteilte Gegenliebe stieß. Nachdem Gitarrist und Sänger Marcel 2004/2005 vor/während/nach (wer weiß es nur so genau) den Aufnahmen zu „Command to Charge“ nämlich (zeitweise) ausgestiegen war, durfte Matthias dessen Posten auf Tour übernehmen. Für die „Caledonia“ war Marcel dann aber wieder dabei und Matthias zurück bei seiner eigentlichen Band, STILL IT CRIES. Aber Blut hatte er wohl geleckt, beim Sound der Kollegen. Allerdings nicht nur da. Denn was er dann 2006 mit seinen Kollegen unter dem Titel „Take Leave“ auf CD bannte, das lässt sich wohl am Besten beschreiben als eine Mischung aus dem Sound von Suidakra zu Zeiten von „Signs for the Fallen“ und „Command to Charge“, sowie alten und neuen Werken von Sentenced und einem kleinen Quentchen Killswitch Engage.
Klingt kurios, trifft den Nagel aber ziemlich sehr auf den Kopf. Schon die ersten Takte des Openers „Mischief“ machen klar, wo’s lang geht. Versiertes, gitarrenorientiertes Melodeath-Geriffe (hier und da mal mit einem kleinen Spritzer Metalcore) eröffnet die CD, dazu gesellt sich Matthias keifender Gesang, der Arkadius doch schon recht nahe kommt. Dann ein Break, eine hochmelodische, sehr ergreifend Lead-Gitarre kommt daher, das Tempo wird gedrosselt und gemeinsam mit theatralischem Klargesang wird ein Refrain der Marke Sentenced eingeleitet. Und obwohl das jetzt irgendwie leicht merkwürdig klingt: Es passt verdammt gut zusammen.
Und so geht es auch erst mal eine ganze Weile weiter. Die Texte drehen sich um Hass, Schmerz, Depressionen, Selbstmord und solche Geschichten, kommen Sentenced auch schon recht nahe, wenn auch der bitterböse Humor der Finnen etwas fehlt, die Musik entschädigt dafür aber voll und ganz. Knallige Riffs treffen auf Ohrwurmrefrains par excellence. Und egal ob STILL IT CRIES ihre Einflüsse vermischen oder aber auch mal Songs schreiben, die nur einem ihrer „Vorbilder“ gut zu Gesicht gestanden hätten („Demon Of My Curse“ könnte man genau so gut auf der „Signs for the Fallen“ finden, das geniale „End Of All Things“ mit dem markanten Riffing hätten auch Sentenced auf ihre „Crimson“ oder „Frozen“ packen können, oder halt den Titeltrack auf die „Amok“), die Rheinländer gehen immer extrem überzeugend zu Werke.
Ein wenig von ihrer Wucht verlieren die Songs von STILL IT CRIES leider, weil sie sich teilweise zu sehr an das alte Strophe-Refrain-Strophe-Refrain-Gerüst klammern, schon der Opener tut sich beim Einleiten des zweiten Kehrverses ein wenig schwer, so bleiben großartige Überraschungen im Soundbild natürlich aus, so schwer fällt der Punkt aber nicht ins Gewicht.
Ganz im Gegensatz zu dem Kritikpunkt, den man STILL IT CRIES hier entgegen halten könnte, den ich schon die ganze Zeit mit anklingen ließe: So nett das Quartett auch klingt, eigentlich schaffen sie es ja nicht wirklich, eigene Akzente zu setzen. Die Vermischung von Sentenced und Suidakra mag jetzt innovativer klingen, als wie wenn man nur den Stil von einer von beiden Bands immitieren würde. Aber wirklich eigenständig wird die Musik von STILL IT CRIES dadurch im Umkehrschluss natürlich nicht.
Aber eben auch nicht schlechter. Wenn man sich von zwei so großen Bands inspirieren lässt, das nötige handwerkliche Geschick hat und dann auch noch so viel Herzblut in die Musik legt, dann kann ja eigentlich gar nix schlechtes dabei rauskommen, oder? Kann vielleicht schon, tut’s in dem Fall aber absolut nicht. Die mangelnde Eigenständigkeit kann am emotionalen Impact der Musik und an ihrer objektiven Klasse einfach nichts ändern, das Ding ist von vorne bis hinten rund und ein paar hammergeile Songs, vor denen selbst die Northernmost Killers den Hut ziehen müssten, sind auch drauf. Durchgehend erreicht man die Qualität der Vorbilder zwar nicht, aber ein absolut tolles Album, das ich jedem Fan der genannten Bands oder von Melodeath und Gothic Metal im Allgemeinen dringend ans Herz lege ist „Take Leave“ trotzdem geworden.
Wertung: 8.5 / 10