Review System Of A Down – Mezmerize

Vier lange Jahre ließen SYSTEM OF A DOWN die inzwischen riesige Fangemeinde auf neues Material warten. Zwischen „Toxicity“ und heute hörte man abgesehen von der Recycling- und Überbleibsel-Scheibe „Stel This Album!“ kaum etwas von der Band. Nun aber war, fast schon wie gewohnt, gleich wieder Material für zwei Alben da. Auf den zweiten Teil namens „Hypnotize“ muss man sich noch bis Oktober gedulden, seit dem 23. Mai allerdings kann man sich schon an „Mezmerize“ erfreuen. Beim ersten Blick auf die Spielzeit mag man allerdings schon etwas enttäuscht sein… Da bringen die ein Doppel-Album raus und die erste CD dauert nur 36 Minuten! Qualität ist jedoch auch in der heutigen Zeit noch mehr wert als Quantität.

Von der Qualität des neuen Materials konnte man sich im Vorfeld schon anhand zweier zu Promotionszwecken verwendeter Lieder ein Bild machen. An erster Stelle wäre hier „B.Y.O.B.“ das mit einem punkig-rotzigem Auftritt und vielen Tempo- und Stilwechseln glänzt. Gegen den Boygroup-mäßigen Refrain müssen auch die zurückgekehrten Backstreet Boys erstmal ankommen, die Riffs wechseln zwischen Punk- und Thrash-Gekloppe und der Härtegrad ist erfreulich hoch. Ein verrücktes Lied, das man so wohl nicht ganz erwartet hätte und vielleicht gerade deswegen sehr stark ist. Da wäre dann auch noch „Cigaro“, eines der härtesten Stücke von System Of A Down überhaupt. Hier hat Serj seinen größten Auftritt auf dem Album, hier darf er so richtig aus sich herausgehen und wütet sehr heftig mit seinen Stimmbändern herum. Außerdem bietet das Lied einen der lustigsten Texte der letzten Zeit, da haben SOAD aber ja immer einige zu bieten.

Warum ich hier extra erwähne, dass Serj das ganze Lied über voll aus sich heraus gehen kann? Kollege Daron schleicht sich auf „Mezmerize“ nämlich immer mehr in den Vordergrund. Verständlich, dass er neben dem Gitarrespielen, dem Schreiben aller Instrumentalteile sowie der meisten Texte sowie der Produktion auch ein wenig singen will. Auf der einen Seite ist das ein wenig schade, da Serj so folglich etwas mehr Gesang abgeben muss und seine Stimme vor allem in den klar gesungenen Pasagen göttlich ist. Auf der anderen kommen hier eben auch mehr Abwechslung und auch mal „Gesangsduette“ zustande. Daron ist ja auch nicht schlecht, er hat eben nur einen komplett anderen Stil als Serj. Eigentlich kommts einem so vor, als würde er das ganze Album über nur weinen und schreien, was auch etwas amüsantes an sich hat. Nach spätestens zwei Durchläufen hat man sich aber daran gewöhnt und mag den Kontrast gar nicht mehr missen. Und wenn wir schon beim Thema Härte sind: Mit dem leider nur zweiminütigem „This Cocaine Makes Me Feel Like I’m On This Song” wird noch mal ein fieses Brett abgeliefert, bei dem Serj noch ein geniales Gesangssolo zum Besten gibt.

Was hier ebenfalls relativ neu ist, sind die absolut ohrwurmigen Refrains und häufigen Lalalala-Attacken, welche an allen Stellen überaus genial sind. Die Laut-/Leise-Spielereien sind zwar seit jeher ein wichtiges Element im Sound von SOAD, hier wird das aber noch erweitert und verbessert. Beim teilweise mit galoppierendem Thrash-Riffing daherkommenden „Revanga“ kommt das erstmals zum Einsatz, „Radio/Video“ führt das mit einem folkigen Refrain weiter, bei dem live das ein oder andere Erbeben erzwungen werden könnte, da man hier einfach mithüpfen und –klatschen muss. Der dritte Song in diesem Bund ist das überaus geniale „Violent Pornography“ mit einem unglaublich spaßmachendem Schunkelrefrain. Wie auch bei „Revenga“ lässt Serj seine klassischen Schnell-Rap-Parts vom Stapel.

Im zweiten Drittel des Albums werden dann auch mal ernstere Töne angeschlagen. „Question!“ könnte mit seinem Refrain als kleiner Bruder von „Arials“ durchgehen. „Sad Statue“ kann hier eine der wenigen reinrassigen Bangstellen auf dem Album bereit halten und dazu noch mit einem tollen ruhigen Refrain aufwarten, hier gefällt mir auch der Text besonders gut.
Mit dem abschließenden Doppel wagen sich die Armenier zudem noch in weitere neue Regionen auf. „Old School Hollywood“ ist wohl als Experiment zu verstehen, bei dem man elektronische Einflüsse mit dem typischen SOAD-Gewand verwursteln wollte. Dazu möchte ich nur sagen, dass das absolut geglückt ist! Dazu kann man sich auch noch an einem herrlichst sinnfreiem Text erfreuen, bei dem es nicht nur Tony Danza und den 10 Fuß großen Jack Gilardi geht, sondern auch mal eben zehn mal hintereinander die Zeile „Old school hollywood baseball“ wiederholt wird. Gesanglich duellieren sich der kleine Schreihals Daron und der genial auftrumpfende Serj mit klarer Stimme, bei „Lost In Hollywood“ traut sich Daron sogar mal ganz alleine ran… Und das klappt auch noch! Hier versucht er erstmals sogar richtig zu singen, und das klappt sogar wunderbar, der Kerl kann durchaus beeindrucken. Trotz einiger Experimente ist das hier wohl trotzdem das Stück, das am meisten überrascht, wirkt irgendwie wie eine Mischung aus einer Limp Bizkit-Ballade und einem ruhigem Green Day-Song. Wer das nicht mag, kann ja einfach wieder von vorne beginnen, dafür steht das Lied ja auch an letzter Stelle. Ich jedenfalls hör das immer wieder gern und es ist irgendwie zu einem meiner Lieblingssongs der Band geworden.

Wenn ich jetzt abschließend noch schreibe, dass auch die Produktion hervorragend geworden ist, mag das wie eine Jubelreview aussehen. Aber was will man schon machen, wenn sich kein erwähnenswerter Makel auf dem gesamten Album findet? Keine berauschende Quantität, aber sehr überzeugende Qualität, und das ist es doch, was wir als Fans hören wollen. Ob „Mezmerize“ nun besser als „Toxicity“ ist, möchte ich jetzt nicht behaupten… Beide Alben sind klasse und unterscheiden sich in vielen Punkten. Und auch mit ihrer Weiterentwicklung auf „Mezmerize“ bleibt der System Of A Down-Stil zu 100% erhalten. An dieser „Progressive Thrash-Pop“-Scheibe (gnihihi) dürften auch Nicht-Metaller ihre Freude haben. Vor allem aber eben die tolerante Metalgemeinde sollte an diesem Album Freude haben, da man in allen Stilrichtungen wildert und der Härtegrad erfreulich hoch liegt.

Mit einem abschließendem „Vorsicht, akute Suchtgefahr“ möchte ich mich verabschieden und noch viel Spaß mit diesem großen Album wünschen.

Wertung: 9 / 10

Geschrieben am 5. April 2013 von Metal1.info

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