Review The Who – Who

  • Label: Polydor
  • Veröffentlicht: 2019
  • Spielart: Rock

Es war schon ein Paukenschlag, als THE WHO im Januar 2019 verkündeten, am ersten neuen Material seit 13 Jahren zu arbeiten. Dass Roger Daltrey und Pete Townshend als einzige verbliebene Mitglieder ihre Parts dafür getrennt voneinander aufnahmen und auf insgesamt acht Gastmusiker zurückgriffen, lässt vermuten, dass „Who“ eine sehr zerstückelte und wenig schlüssige Angelegenheit werden könnte – ähnlich wie das Artwork, das von Künstler Pete Blake designt wurde und verschiedene Motive wie Chuck Berry, den bekannten roten Londoner Bus, Baked Beans oder Muhammad Ali enthält.

Als Opener ist „All This Music Must Fade“ ein geradliniger, aber auch wenig spektakulärer Rocksong, der den typischen THE-WHO-Stil dennoch aufleben lässt. Da dieser Titel als Single ausgekoppelt wurde, lässt dies für die folgenden knapp 42 Minuten zumindest ein kleines Stirnrunzeln entstehen. Direkt in der Folge beweist die Band aber, dass sie es auch spannender können: „Ball And Chain“ ist ein Remake des Townshend-Solo-Songs „Guantanamo“, der hier mit reichlich Blues angereichert wurde. Dazu kommt eine gelungene Abwechslung aus ruhigeren und kraftvollen Parts, die diese Nummer zum ersten Highlight der Platte machen.

Auch im weiteren Verlauf ihres zwölften Longplayers schaffen es THE WHO die einzelnen Songs mit einigen Earcatchern anzureichern, die nicht nur für Abwechslung sorgen, sondern auch den mittlerweile gediegeneren Altherren-Rock etwas auflockern. So liefert „I Don’t Wanna Get Wise“ charakteristische Handclaps und „Hero Ground Zero“ bietet Streicheruntermalung und Rockoper-Atmosphäre. „Break The News“ wagt sich weit in den aktuellen Pop-Folk-Bereich à la The Lumineers und das abschließende „She Rocked My World“ überrascht mit Latin-Touch. So beschreiten THE WHO einen Weg, der von ihrer frühen Karriere bis hin zu modernem Klang reicht und auf diese Weise fast eine kleine Zeitreise darstellt.

Ebenfalls hervorzuheben sind das frech-rockende „Detour“, das eine Hommage an ihren früheren Bandnamen The Detours darstellt und die erfreulich unkitschige Ballade „I’ll Be Back“. In Sachen Produktion kann man den Mittsiebzigern sowieso wenig vorwerfen, haben sie erstens genug Erfahrung und zweitens mit Polydor ein Majorlabel im Rücken, das „Who“ einen Mix beschert, der wenige bombastische Momente, dafür aber einen ehrlichen Grundtenor ermöglicht. Unterstützung bekam Pete Townshend hier von Dave Sardy (Red Hot Chili Peppers, Helmet, Marilyn Manson) und Bob Pridden (Eric Clapton, David Bowie, Paul McCartney). Etwas dekadent war mit Dave Eringa (Manic Street Preachers, Idlewild) eine Person ausschießlich für Daltreys Gesang verantwortlich.

Natürlich sind THE WHO keine 20 mehr und dass sie hier reifere, weniger pubertär-trotzige Rockmusik abliefern, das sei ihnen vergönnt. Vor allem kann das Duo mit seiner langen Erfahrung und den weise gewählten Gastmusikern eine schlüssige Atmosphäre entstehen lassen. Das Album kann genug Abwechslung bieten und lässt den klassischen THE-WHO-Stil trotzdem immer wieder durchblitzen. „Who“ mag damit vielleicht nicht an Klassiker wie „My Generation“ oder „Tommy“ heranreichen, muss es aber auch gar nicht. Schön, dass einige Helden der alten Rockschule sich nochmal aufschwingen und dabei nicht blamieren. Für Fans der Band ebenso empfehlenswert wie für Freunde klassischer Rockmusik mit den typischen Einflüssen aus Blues und Folk. Als „letztes Hurra“ einer fünf Jahrzehnte überdauernden Band geht „Who“ mehr als in Ordnung.

Wertung: 8 / 10

Publiziert am von Christian Denner

Ein Kommentar zu “The Who – Who

  1. Absolut richtig! Ein sehr gutes Album!
    Und besonders schön ist es, dass auch die Konzerte nie zu einer „Blamage“ der Alten Helden führen. Sie rocken immer noch wie eh und je!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert