Review Wormfood – France

„Frankreich erleben… und sich übergeben!“ So könnte wohl der Werbespruch für WORMFOODs drittes Album „France“ heißen. Die Franzosen machen die Musikwelt ihres Landes seit 2001 unsicher und nehmen dabei kein Blatt vor den Mund. Statt stumpfer Misanthropie oder primitivem Religionshass widmet man sich den Missständen der eigenen Gesellschaft, natürlich nicht ohne eine grosse Portion schwarzem Humor. Kein Wunder, dass El Worm und Alexis, dessen Künstlername Alex Wursthorn lautet – klasse Idee für ein Musikinstrument übrigens – schon bei ihren ebenso abgedrehten wie gesellschaftskritischen Kollegen von Carnival In Coal aushelfen durften. Es scheint also doch nicht alles Friede, Freude, Crêpe zu sein in unserem Nachbarland.

Keine Sorge, auch wenn man einige Songtitel eventuell nicht übersetzen kann, vertiefte Kenntnisse in der französischen Sprache sind hier nicht benötigt um zu wissen worauf man anspielen will in den Texten, welche zur Hälfte auf Englisch und zur Hälfte auf Französisch geschrieben sind. Einen Titel wie „Le Vieux Pédophile“ dürfte man auch so verstehen. Wenn mal nicht gesungen wird, sondern man mit abstrakten Szenarien aus dem französischen Leben, wie es laut Wormfood so ist, auf das nächste Thema bzw. den nächsten Song hinleiten will, dann wäre ein bisschen Ahnung von der Sprache natürlich an sich nicht verkehrt, aber so wirklich wichtig alles zu verstehen ist es auch nicht, die Musik ist ja letztendlich das Entscheidende.

Nachdem man in der „Leçon de Français“ also Bekanntschaft mit dem wahrscheinlich auf der Strasse lebenden und ziemlich betrunkenen Jacques gemacht hat, beginnt auch die musikalische Seite von „France“. Nach dem eher behäbigen Anfang mit schweren Riffs, die schon fast ins doomige abdriften wird das Tempo dann ein wenig angezogen und El Worm darf auch mal seine Stimme zum Einsatz bringen. Diese erinnert erfreulicherweise so manches Mal an Peter Steele von Type O Negative, dessen Einfluss man auch daran erkennen kann, dass es auf der Japan-Edition von „France“ eine Coverversion von „Christian Woman“ gibt. Bei „Bum Fight“ trifft man zuweilen wieder auf Jacques, mit dem man in Begleitung eines Akkordeons ein Tänzchen wagt. Leider muss Jacques dann auch bald wieder gehen, er wird in einem Krankenwagen abtransportiert. All das hört man bei „Bum Fight“ im Hintergrund während weiterhin die Gitarren ihren Dienst verrichten, bevor man dann am Ende ins Manische verfällt.

Was Wormfoods grosse Stärke ist, ist gleichzeitig auch oftmals ihre Schwäche: Zwar schafft man es gekonnt den Humor durch diverse Geräusche und Aktivitäten neben der Musik zu vermitteln, aber manchmal verfällt man dann etwas zu sehr ins Exzentrische und vernachlässigt bzw. unterbricht die Musik etwas zu oft. Bei den Tracks 1,3,5 und 7 handelt es sich jeweils um kleine Zwischenstücke, die zwar unterhaltsam sind, aber den Fluss des Albums so ein wenig unterbrechen. Man legt viel Wert auf den atmosphärischen Aspekt bei der Präsentation des französischen Lebens, aber dafür ist „France“ dann auf Dauer doch manchmal etwas anstrengend für den Hörer, nicht wegen der Komplexität der Stücke, sondern weil es nun mal ein ganz bestimmtes Konzept auf dem Album gibt, zumindest bis „Vieux Pédophile“. Danach folgen nur noch richtige Songs. Eben genannter Song erschien übrigens schon auf dem Vorgänger, wie auch viele andre Songs von „France“. Doch davor hatte man noch kein Label und veröffentliche seine Sachen selber, so dass man an die ersten beiden Alben wohl auch nicht mehr rankommen wird.

Um mal wieder auf die Musik an sich zurückzukommen:
Wenn sich El Worm mal nicht grade mit tiefen Klargesang aufhält, dann brüllt er in gleicher Tonlage ins Mikrofon und mimt den Death-Metal-Frontmann, allerdings ohne allzu abartiges Growling von sich zu geben. Im Falle von „Vieux Pedophile“ mutiert also der nette Mann von nebenan, der Kindern ein heiteres, traditionelles Lied vorsingt, zum fleischeslüsternen Monster, das zwischen Wahnsinn und Wollust pendelt. Richtig schön dreckig beginnt der Song also auch im flotteren Tempo, wobei man nur kurzzeitig wirklich schnell wird, Blastbeats wird man hier kaum finden. Dazu ist die Inszenierung der Situation einfach köstlich, immer wieder wechselt man zwischen dem freundlichen, aber leicht psychopathischen Herrn und dem Teufel höchstpersönlich. Wie auch bei Carnival In Coal ist das einfach eine Art des Humors, die mich total anspricht. Es gibt sogar eine Anmerkung zu diesem Song hinter dem Text, in der man ausdrücklich schreibt, dass der Inhalt von „Vieux Pédophile“ vollkommen kritisch gemeint ist und wirklich niemanden, der Opfer einer solchen Neigung geworden ist, verletzen will.

Und so vergehen 47 Minuten des musikalischen Irrwitz, der zwar manches Mal ein wenig langatmig ist, aber blendend unterhält. Zu den Themen, die auf „France“ angesprochen werden lässt sich sagen, dass es sich nicht wirklich um rein französische Probleme handelt, sondern um solche die man überall mehr oder weniger vorfindet. Aber die französische Art der Satire ist eine wirklich vorzügliche, derer sich zu meiner Freude inzwischen auch ein paar Musiker der härteren Gangart angenommen haben. Auf weitere Schandtaten von Wormfood bleibt damit nur zu hoffen.

Wertung: 8 / 10

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

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