Review Wrath – Viking

  • Label: Einheit
  • Veröffentlicht: 2005
  • Spielart: Black Metal

Das deutsche Label Einheit Produktionen ist schon eine interessante Horde. Gerade mal vor zwei Jahren gegründet, konnte sich die sympathische junge Plattenfirma bereits mit allerhand hochgelobten Veröffentlichungen einen Namen machen und brachte insbesondere mächtig frischen Wind in den heidnisch geprägten Metal-Bereich. Die neuesten Werke von Bands wie Black Messiah, Nomans Land und Odroerir darf man hier wohl getrost für sich sprechen lassen. Mit dem Album „Viking“ der Ein-Mann-Kapelle WRATH flattert uns nun ein weiter mutmaßlicher Leckerbissen ins Haus, welcher schon lange Zeit im Voraus auf der Label-Homepage beworben wurde. Hinter dem Projekt verbirgt sich ein Musiker mit dem Pseudonym Nazgul, der die Band im Jahre 1998 in Kapstadt, Südafrika aus der unchristlichen Taufe hob, anlässlich der Albumaufnahmen in seine Heimat Deutschland zurücksiedelte und sich mittlerweile im englischen Königreich niedergelassen hat.

Ungeachtet von Herkunft und Wohnsitz des Protagonisten, verspricht das Beiblatt jedoch kalten, urwüchsigen Schwarzmetall, der da stilistisch voll und ganz den eisigen nordischen Klüften der frühen Neunziger entsprungen zu sein scheint, was selbstverständlich einen gewissen Nostalgiebonus vermuten lässt. Wenn dann noch Querverweise wie Burzum und Bathory fallen, dürfte das bevorstehende Glück eigentlich garantiert sein, sollte man meinen. Mit „Pagan Hordes“ wird einem aber gleich mal eine skurrile Introduktion geboten, welche weder Atmosphäre oder Bombast noch Eier besitzt und dem Hörer allenfalls ein müdes, gequältes bis gar mitleidvolles Lächeln entlocken kann. Etwas primitive Percussion und monotones Kriegsgetrommel, dazu ein bisschen Synthiegedudel. Zum Gähnen. Obendrein blinzelt die Nummer viel zu explizit in Richtung von Mayhem’s legendärem „Silvester Anfang“.

Das nachfolgende Titelstück „Viking“ geht gut nach vorne und funktioniert auch mit nur vier simplen Riffs absolut blendend! Die Stromklampfe schreddert in bester Rasierapparat-Manier vor sich hin und das einfach gehaltene, aber wuchtig anmutende Schlagwerk treibt den Song kompetent und stoisch im durchgehenden Midtempo voran. Nazgul beweist sich als geübter Varg Vikernes-Imitator und krächzt ebenso amtlich wie der Count in seiner musikalischen Frühphase. Nichtsdestotrotz ist das Lied in meinen Ohren eher ein leicht morbider Stimmungsmacher, als eine kranke burzum’sche Depri-Nummer. „No Mercy“ ist nicht minder spartanisch aufgebaut und so lassen sich die Riffs erneut an einer Hand abzählen, was der Sache jedoch keinen Abbruch tut: Der Track kommt einfach herrlich unkompliziert und unbekümmert retrospektiv daher.

„Spirits Of Darkness“ stellt lediglich ein kleines Intermezzo dar, welches permanent von einer akustischen Schlechtwetterkulisse hinterlegt ist, vor der Herr Nazgul bedrohlich finster knurrt, faucht und zynisch lacht. Ansonsten passiert in diesen amüsanten zweieinhalb Minuten nichts. „Beasts Of The Darkwoods“ weicht keinen Millimeter von dem Schema der ersten drei Stücke ab – solider, standarisierter Black Metal, griesgrämig, treibend, aber nie rasend. Mit „Grey Skies“ erwartet uns wieder ein nettes Zwischenspiel, das mit mystischem Windesrauschen, leicht hallendem Klargesang und charmantem, minimalistischem Akustikgitarrenspiel viel nordische Lagerfeuerromantik versprüht und unmissverständlich an den Anfang von Bathory’s „A Fine Day To Die“ angelehnt ist. Eine herrliche Hommage!

Neben den alten Werken von Burzum und Bathory scheint vor allem das fast vergessene „My Mourningstar“-Album der ehrwürdigen deutschen Legenden Mayhemic Truth den Sound von Wrath entscheidend mitgeprägt zu haben, wenngleich Nazgul weniger schnell und hasserfüllt zu Werke geht. Das tolle „Forgotten Forest“ atmet aber nicht zuletzt dank dem zeitweilig eingesetzten, sehr zarten und dezenten Hintergrundgesang den melancholischen Geist von dem Spitzenstück „Long Forgotten Cries“ der erwähnten, uralten schwäbischen Black Metal-Randfichten. Bis einschließlich zu diesem Lied deutet tatsächlich alles auf ein ordentliches und handfestes, wenn auch stark unterproduziertes und kaum spektakuläres Black Metal-Album hin, jedoch tritt nun – nach nur zwanzig Minuten Spielzeit – eine zutiefst enttäuschende Wendung ein: Gesang, Gitarre, Bass und Schlagzeug werden komplett von der Bildfläche verdrängt, die Platte verliert sich in endlosen Synthielandschaften mit psychedelischer Ausrichtung und sphärischem Charakter, wie sie klinischer, uneffektiver und ausdrucksloser kaum sein könnten.

Merklich beeinflusst von neuerem Burzum-Material, wird hier über eine halbe Stunde lang kompositorische Luft dargebracht, durchsetzt von dichtestem Dunst der Belanglosigkeit. Uninspiriert wirkende und nur selten wirklich experimentelle Keyboardflächen kreieren in Verbindung mit sparsam platzierten Noise-Elementen äußerst zähe Momente, nichts weiß den Hörer wirklich zu tangieren, die Musik hat keine Tiefe, keinen Reiz und keine Seele und eignet sich allenfalls zum „Nebenbeihören“ oder gepflegten Amüsieren.

Um es also auf den Punkt zu bringen: Der Black Metal-Anhänger, welcher zweifellos das eigentliche Zielobjekt von Nazgul sowie dem hinter ihm stehenden Label ist, wird mit diesem Album schlicht und einfach abgezockt. Neben zwei klasse Intermezzi sind auf „Viking“ lediglich vier richtige Schwarzmetall-Nummern zu finden, die zwar vollends klischeeüberfrachtet, jedoch absolut gelungen sind. Der überwiegende Rest ist nichts weiter als abgedroschenes, synthetisch erzeugtes Füllmaterial, ausgenommen das ruhige „Germanic Tribes“, welches mit sanften Naturgeräuschen und akustischem Gitarrenspiel aufwartet und sich somit positiv abheben kann. Liebhaber des Black Metals werden mit diesem Album aufgrund der zweiten Hälfte nicht klarkommen, Freunde von Ambient, Psychedelic und Noise in Reinform, sollten sich besser zu Neptune Towers oder den neueren Burzum-Werken langweilen.

(Daniel H.)

Wertung: 4 / 10

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

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