Sie ist Frontfrau, Musikerin, Traurednerin, passionierte LARPerin und vieles. In unserem Interview, dem zweiten aus der Reihe „Frauen im Folk“, spricht Christine „Tini“ Rauscher ausführlich über all ihre Facetten und wie diese zusammenpassen. Warum auch im wachsenden Folk-Bereich Sex zunehmend sellt, wieso sie offen in Sozialen Medien über ihre Krebserkrankung gesprochen hat und vieles mehr, das erfahrt ihr in unserem Interview.
Hallo Tini! Vielen Dank, dass du ebenso Teil von „Frauen im Folk“ sein willst. Du hast dich wegen des Themas an uns gewandt. Hat dich ein spezielles Ereignis dazu verleitet oder dein allgemeines Interesse?
Tatsächlich bin ich zufällig über euer erstes Interview mit Johanna gestolpert, und hab es direkt gelesen – weil mich das Thema schon länger und natürlich auch persönlich interessiert. Es ist spannend zu hören, welche Erfahrungen andere Musiker-Kolleginnen im MA-Folk-Bereich so machen, wie sie die Szene wahrnehmen und das (Front-)Frau- und Musikerin-Sein. Es ist ja nicht gerade ein „gängiger“ Job und stellt einem durchaus gewisse Herausforderungen.
Wie bewertest du das Standing von Frauen bzw. die Rollen von Frauen in der weit gefassten Folk-, Gothic- und Mittelalterszene?
Insgesamt betrachtet ist das Standing meiner Erfahrung nach gut. Musiker(in) ist erst einmal gleich Musiker(in), auch wenn in Musik und auf der Bühne sehr viel mit männlich-weiblich-Stereotypen gespielt wird. Es gibt trotzdem immer noch nur relativ wenige Frauen in der Szene, vor allem in der Front-Reihe – was wirklich schade ist! Wir haben kürzlich zum Weltfrauentag eine kleine Umfrage auf Facebook mit meiner Band PurPur gemacht. Dabei sollten unsere Fans reine Frauenbands nennen – am besten aus der Mittelalter-Folk-(Gothic)-Szene, aber gerne auch darüber hinaus. Wie sich schnell herausgestellt hat, war diese Erweiterung auch bitter nötig, denn sonst wäre das kleine „Spiel“ schnell vorbei gewesen. Reine Männer-Bands dagegen gibt es deutlich mehr und natürlich auch gemischte Gruppen, aber auch da sind es – gefühlt? – meistens mehr Musiker als Musikerinnen.
Und woran liegt das deiner Meinung nach?
Die Gründe dafür sind sicher vielfältig, angefangen mit dem teilweise geringeren Selbstvertrauen ins eigene Können vs. die Eier, die man schon braucht, um sich auf einer Bühne oder in der Szene durchzusetzen. Mädchen werden noch immer dazu erzogen, hübsch und nett zu sein, zu gefallen – anstatt Anerkennung oder Aufmerksamkeit für ihr Können zu fordern. Und wenn sie es tun, heißt es deutlich schneller abwertend „Zicke“ oder „Diva“ als bei Männern. Die sind erst einmal lange tough, ehrgeizig oder eben selbstbewusst.
Kommt noch etwas erschwerend hinzu?
Der Faktor „Eye-Candy“ spielt – natürlich – außerdem eine wesentlich größere Rolle als bei den Herren Kollegen. Da unterscheidet sich das MA-Folk-Genre aber leider nicht groß von anderen Musikrichtungen. Gut zu sein genügt als Frau seltenst in der Musik, Optik ist ein großer Teil der Miete, und ich spreche da weniger von Inszenierung, Bühnenoutfits oder ähnlichem. Wenn man dann noch den Faktor bedenkt, dass man als Frau oft über kurz oder lang vor der Wahl steht: Kinder oder Musik – gerade in einem Alter, wo Können und Erfahrung zusammenkommen und damit langfristiger, solider Erfolg möglich wird – sind die Zahlenverhältnisse vielleicht schon nachvollziehbarer.
Du bist in ganz verschiedenen Projekten mit mehr oder weniger ausgeprägtem mittelalterlichem Bezug, z.B. PurPur, den Scarlet Sisters oder Heiter bis Folkig. Dabei spielst du mit vielen anderen männlichen und weiblichen Musikern zusammen. Wie waren deine persönlichen Erfahrungen bisher?
Natürlich gibt es Unterschiede in der Zusammenarbeit. Diese sind aber eher in den jeweiligen Persönlichkeiten zu finden als darin, ob mir ein Kollege oder eine Kollegin gegenübersteht. Bei Heiter bis Folkig bin ich z.B. aktuell ja die einzige Frau in der Kernbesetzung. Das hat seine Vor- und Nachteile. Manchmal hab ich schon das Gefühl, für meine Jungs die Bandmama zu sein und wir nutzen natürlich das Mann-Frau-Gegenüber auf der Bühne auch für Frotzeleien passend zu den Songs. Da steckt ja auch viel Komik drin! Aber ich habe auch den Vorteil, aufzufallen: Ich bin eben die einzige Frau(enstimme) auf der Bühne. Mein Eindruck ist insgesamt, wie vorhin angedeutet, aber schon, dass Musikerkollegen viel selbstbewusster auftreten, sich bei gleichem Können deutlich selbstverständlicher präsentieren und auch verkaufen. Ich kenne kaum eine Solo-Spielfrau, aber diverse Spielmänner, z.B. was Ritteressen etc. angeht. Vielleicht sollte ich das endlich einmal aktiv ändern…
Du bist außerdem als Sängerin in unterschiedlichen Rollen und auch als „Wortkünstlerin“, z.B. als Moderation oder Hochzeitsrednerin, aktiv. Wodurch unterscheiden sich diese Disziplinen für dich?
Überraschenderweise in gar nicht so vielen Aspekten. Bei beidem kann ich meine Leidenschaft und meine Interessen (z.B. Menschen zu unterhalten, aber auch keltische Tradition und Musik, oder Fantasy- und Nerd-Kultur) einbringen, wenn auch auf unterschiedliche Weise. Es geht für mich im Kern immer darum, die Anwesenden zu erreichen und zu berühren, mit Stimme, Worten, „Präsenz“. Als Sängerin stehe ich allermeistens als Teil einer Band auf der Bühne. Das ist deutlich weniger anstrengend, weil man sich die Bälle zuwerfen kann und nicht ständig 100 Prozent geben muss bzw. alle Augen auf einen gerichtet sind. Und man hat ein eingeübtes Repertoire. Als Freie Traurednerin z.B. ein Handfasting zu halten, ist deutlich persönlicher, individueller und damit intensiver. Man hat 30 bis 45 Minuten, und letztlich geht es nicht um dich als Performer, sondern eben um die zwei Menschen vor dir. Wesentlicher Teil eines derart wichtigen Tages zu sein ist für mich noch immer etwas Besonderes. Meistens singe ich während einer solchen Zeremonie aber natürlich auch – die Grenzen sind also wieder fließend.
Gibt es auch – basierend als welches Alter Ego oder in welcher Funktion du auftrittst – unterschiedliche Reaktionen auf dich?
Meine aktiven musikalischen Alteregos unterscheiden sich nicht sooo extrem. Als Miss Janie von den Scarlet Sisters (eine Wild-West-Saloon-Girl-Truppe) bin ich leider kaum noch unterwegs, da passende Events rar sind und viele meiner Mädels mittlerweile ihren Fokus deutlich mehr auf Job und Privatleben legen, als noch vor ein paar Jahren. Trotzdem würde ich sagen, dass ich als „Gabria die Gabenreiche“ bei Heiter bis Folkig frecher bin als bei PurPur, klassischer eine Mittelalter-Markt-Spielfrau: trink- und feierfreudig, ironisch und auch mal etwas anzüglich; eben das Gegenüber meiner männlichen Spielmannskollegen. PurPur ist insgesamt leiser, tiefgründiger, weniger ‚Rolle‘. Dort geht es uns ja darum, Geschichten zu erzählen, die noch immer Gültigkeit haben: von Liebe, Tod, Krieg und Verlust, Abenteuerlust und ja, oft auch starken Frauen. Wir sind uns bewusst, dass wir als Frauen-Duo in der Mittelalter-Folk-Szene eine relativ seltene Spezies sind und versuchen, diesen anderen, durchaus emanzipierten, weiblichen Blickwinkel auch immer wieder in unseren Songs zu haben: z.B. im Prinzessinnen-Lied, wo endlich einmal der Topos „Ritter befreit Prinzessin aus Drachenhand“ aus ihrer Perspektive beleuchtet wird; oder wenn wir bei „Der Fluch“ auf unserem aktuellen Album „MaidenWerk“ zunächst scheinbar klassisch von einer Fürstentochter und der Flucht vor einer erzwungenen Ehe singen, diese aber am Ende nicht dem Barden verfällt, sondern dem Versprechen von Freiheit und Selbstbestimmung, die seine Lieder besingen. Und die Reaktionen auf unsere Texte und Lieder bestätigen uns darin.
Wie fließend kannst du in andere Rollen schlüpfen?
Sehr leicht, ich habe da sehr viel Übung! Ich bin seit fast 15 Jahren begeisterte Live-Rollenspielerin und liebe diesen kleinen Urlaub von mir selbst. Natürlich kommt man – im wahrsten Sinne des Wortes – letztlich nie völlig aus seiner Haut, aber man kann einzelne Aspekte und Eigenschaften hervorheben, herausstellen, sich ausprobieren. Das hat mir als Künstlerin beim auf der Bühne stehen sehr geholfen, aber auch umgekehrt hat die Bühne mich viel gelehrt, das ich im LARP und natürlich in meinem sonstigen Leben (z.B. im Alltag, aber auch in meiner Arbeit als Traurednerin) nutzen kann: das freie Sprechen vor Menschenmengen, das Selbstvertrauen und den nötigen Habitus, um im Fokus eines Publikums zu stehen, etc.
Glaubst du, dass dir deine Optik bzw. der Fakt, dass du eine Frau bist, einige Türen geöffnet hat?
Sehr schwer zu sagen! Grundsätzlich würde man meinen, dass man als es Frau leichter hat in der Szene, weil es noch immer weniger von uns gibt – man fällt also mehr auf, sticht heraus. Zugleich wird man aber auch schnell auf gewisse Stile und Richtungen festgelegt, in meinem Fall z.B. eben „das schöne Balladen singen“. Das wird oft gleichgesetzt mit „(zu wenig) Party“ für Festival-Bühnen – dabei müsste man mich nur einmal lassen! Falls also jemand ein cooles Projekt hat, immer her damit! :-)
Ob mir persönlich meine Optik hilft, würde ich eher bezweifeln. Ich bin und war nie die zarte Mittelalter-Folk oder Gothic-Elfe, die zu mystischen Klängen über eine Bühne schwebt, im Gegenteil. In vielen Bands scheint mir aber genau das aber (mit) die erwartete Hauptfunktion weiblicher Bandmitglieder auf der Bühne: der sexy Hingucker zu sein. Grundsätzlich ist das natürlich auch nicht schlimm, WENN sie auch gute Musikerinnen sind. Und aus dem gleichen Grund tragen viele männliche Kollegen ja auch Leder und ‚oben ohne‘ (bisweilen vielleicht zu viele ;-): Sex sells – Optik zieht. Etwas anderes zu behaupten wäre gelogen.
Auch die MA-Folk-Szene ist – Fluch und Segen – größer, kommerzieller geworden, spätestens seit einige große Bands in den normalen Charts auftauchen und von großen Labeln vertreten werden. Das ist toll! Wir werden gehört. Aber damit sind gefühlt auch (und nicht nur) die optischen Anforderungen der Szene gefühlt klassischer, normierter geworden. Eben wie „da draußen“. Eine Band muss nicht mehr nur gut klingen, sie muss sich vor allem auch auf Plakaten, CD-Covern, Fotos im Internet gut machen. Das verschiebt den Fokus. Als Frau mit z.B. mittlerweile Kleidergröße deutlich jenseits der 38 ist es da schwierig(er) geworden. Und es gab einige Punkte in meinen gerade jüngeren Musikerjahren, an denen ich das durchaus als Hindernis empfunden habe.
Und wie waren deine Erlebnisse mit Fans?
Grundsätzlich positiv. Gerade, wenn ich es mit Otto-Normal-Bürger im echten Leben vergleiche, sind Fans bzw. Markt- und Festivalbesucher eigentlich fast immer sehr freundlich, rücksichtsvoll und höflich. Ich habe auch kein Problem damit, wenn einer für ein Foto z.B. den Arm um mich legt – wenn man mich fragt und freundlich bleibt!
Was Komplimente betrifft: Zunächst einmal werde ich vor allem auf meine Stimme und Musik angesprochen. Und das ist ja auch das, was ich als Künstlerin vordergründig wahrgenommen haben möchte. Aber ja, natürlich gibt es auch mal dumme Sprüche. Daran gewöhnt man sich als Musikerin aber sehr schnell, gerade als öffentliche Person. Ein „Auszieheeeen“ entlockt mir kaum noch ein Stirnrunzeln, eher ein „Fang du zuerst an – ach ne, dass will ja keiner sehen“. Wirkliche Beleidigungen sind sehr selten, sind aber durchaus auch schon vorgekommen, z.B. wegen meiner Figur. Da muss man aber drüber stehen, professionell bleiben, weitermachen. Oft regelt das der Rest des Publikums sowieso von alleine. Dafür schätze ich die Szene sehr.
Interessanterweise glaube ich, dass es da den männlichen Kollegen da aber nicht viel anders geht. Weibliche Fans können auch echt aufdringlich werden, da kenne ich einige Geschichten. Letztlich darf man einfach nicht vergessen, dass da ein Mensch vor einem steht, keine Kunstfigur für die man mit einem Konzertticket bezahlt hat – egal was er oder sie auf der Bühne tut. Freundlich und normal respektvoll bleiben wie von Mama gelernt – dann ist alles fein.
Gibt es ein Ereignis mit einem Fan oder anderem Weggefährten, das dir besonders im Gedächtnis geblieben ist?
Im Positiven neben vielen berührten Zuhörern vor allem ein Erlebnis mit einer jungen Frau, die nach einem Auftritt zu mir kam und sagte: „Ich wollte schon immer Musik machen in einer Band, aber ich hab mich nie getraut. Ich dachte als Frau jenseits der 20 und ohne Modelmaße brauche ich mich auf gar keine Bühne stellen, wer will das schon sehen. Du hast mir mit deiner selbstbewussten, positiven Ausstrahlung aber gezeigt: Es geht! Vielen, vielen Dank!“ Jemanden derart zu inspirieren und zu ermutigen hat mich wirklich glücklich und stolz gemacht, aber zugleich auch traurig darüber, dass es überhaupt nötig war. Und ähnliches ist mir danach noch 2-3 Mal öfters passiert. Da macht man sich schon als Künstlerin seine Gedanken – über das Bild, das von bzw. in der Szene herrscht, aber auch über die eigene Vorbildfunktion und Verantwortung, da gegebenenfalls etwas dran zu ändern, wo möglich.
Wie hat sich der Kontakt bzw. dein Verhältnis zu Fans durch soziale Medien verändert?
Haha – ich glaube, ich bin zu jung, um das sagen zu können! Anders formuliert: Für mich und meine Projekte haben die sozialen Medien von Anfang an eine zentrale Rolle gespielt. Man hat dort die Möglichkeit, gezielt die Menschen zu erreichen, die sich für deine Musik interessieren und – mehr oder weniger – persönlichen Kontakt zu halten. Ich schätze das sehr, beantworte tatsächlich noch jede PN selbst und versuche auch regelmäßig über mich/uns, Pläne und Geschehnisse zu berichten. Ich lasse viel Zeit auf den sozialen Netzwerken, am meisten auf Facebook und seit kurzem auch Twitter und Instagram. Auch wenn viele sagen, FB sei tot und durch die neuen Logarhythmen und Show-Content-Bezahl-Systeme für Bands unbrauchbar geworden, kann ich das (noch) nicht bestätigen. Vielleicht ist die MA-Folk-Szene da auch ein bisschen retro. Sowohl mit PurPur, als auch meinem Solo-Künsteraccount „Tinis Music“ nutze ich die Möglichkeiten, die sich dort bieten, über verschiedenste Medien (Text, Bild, Videos) meine Fans auf dem Laufenden zu halten.
Du wirkst dort sehr nahbar, postest unter anderem auch viele private Gedanken und Gefühle. Was hat dich zu diesem Schritt bewogen?
Das war am Anfang keine bewusste Entscheidung. Genau wie in die Musik selbst bin ich da ein bisschen reingerutscht. Erst war es Hobby, Freizeit (und auch nur dafür habe ich FB genutzt). Dann gab es irgendwann die Band-Seiten, die natürlich getrennt laufen von meinem privaten Profil. Aber man lernt ja auch Kollegen besser kennen, die werden zu Bekannten und Freunden. Da fängt es schon an sich zu überschneiden, genauso über die Jahre bei ein paar Fans oder Veranstaltern. Und man teilt ja auch Band-Dinge für seine Freunde.
Mit der Zeit habe ich mir aber natürlich trotzdem Gedanken dazu gemacht: Wo sind die Grenzen, was will ich Preis geben? Ich bin für mich zu dem Schluss gekommen, dass es natürlich durchaus Dinge gibt, die niemanden etwas angehen, die nicht zu mir als Künstlerpersönlichkeit dazu gehören – viele andere aber wiederum schon; ja, ich vielleicht sogar durch meine Öffentlichkeit hier und da etwas Positives bewirken kann. Deshalb habe ich mich z.B. dafür entschieden, offen über meine Krebsdiagnose und -heilungsprozess zu sprechen, oder aber im Zuge des drohenden Bayrischen Polizei-Gesetztes über meine persönliche Erfahrung mit dem Thema „Psychische Krankheiten“. Ich bin ja auch einfach nur ein Mensch, mit einem Leben, mit Stärken, Schwächen, Hochs und Tiefs und all das fließt in meine Musik und Auftritte mit ein. Musik ist ein derart wichtiger Teil meines Lebens, dass ich da nicht völlig trennen kann. Und ich möchte es auch nicht.
Kannst du dir vorstellen, diese Haltung zu bewahren, wenn dein Publikum größer wird und damit verbunden auch das Interesse an deiner Person?
Aktuell würde ich sagen: Ja, denn so bin ich eben: Ich habe wenig Berührungsängste, teile mich gerne mit, schreibe und rede mit meinen Fans. Durch Social Media sind wir uns alle näher, aber auch ein Stück weit gläserne Menschen. Da mache ich mir schon lange keine Illusion mehr – warum sie also nicht aktiv nutzen? Ich liebe soziale Interaktions-Plattformen wie Facebook, die Künstler-Support-Seite Patreon (dort bin ich seit ca. 1,5 Jahren) oder Twitch dafür, dass ich mit einzelnen Menschen und Gruppen, Freunden oder Fans, über die Distanz Kontakt halten kann und meine Musik teilen.
Bei PurPur und Klanggespinst stehst du mit deiner Zwillingsschwester auf der Bühne, bei anderen Gruppen nicht. Worin liegen die Unterschiede für dich?
Es ist großartig mit meiner Schwester Musik zu machen! Viele Dinge laufen ungleich leichter, weil wir uns so gut kennen und ähnliche Ansichten haben. Zugleich ist es aber eben auch schwieriger, WEIL man sich so gut kennt: Künstlerische Differenzen können auch mal das Verhältnis belasten, bis man sie geklärt bekommt. Es herrscht quasi keine professionelle Distanz intern, eine Tour fühlt sich zuerst einmal eher an wie ein spaßiger Roadtrip mit dem Schwesterherz – da ist es manchmal schwierig, die natürlich trotzdem nötige Professionalität nach außen hin punktgenau einzuschalten.
Dafür habe ich die Möglichkeit, Zeit mit dem mir liebsten Menschen in meinem Leben zu verbringen bei etwas, das ich mit am liebsten auf der Welt tue: Musik machen. Gerade weil meine Schwester durch ihre Arbeit an der Universität zeitlich sehr eingeschränkt ist, ist deshalb jeder PurPur-Auftritt etwas besonderes. Und ich freue mich jedes Mal riesig darauf!
Bist du lieber Frontfrau bzw. die Stimme und das Gesicht eines Projekts oder eines von mehreren Mitgliedern?
Ganz klar – beides. Ich liebe es mit Kollegen gemeinsam Musik zu machen. Man kann sich austauschen, man teilt sich Bühne und Energie, man inspiriert und motiviert sich gegenseitig und erschafft so gemeinsam etwas, das man alleine nie hinkriegen würde. Ich trete da auch gerne zeitweise zurück in die zweite Reihe. Nicht umsonst nennt man mich „die Königin der Zweitstimmen“ ;-)
Ich finde es umgekehrt aber genauso wichtig, gleichzeitig auch „meine Momente“ zu haben, in denen ich – getragen von meinen Bandmitgliedern – vorne stehen kann. Das ist ein Geben und Nehmen. Bis vor kurzem war ich so eigentlich immer Teil einer Band. Erst im letzten Jahr habe ich angefangen, auch Solo-Projekte voranzutreiben: Ich mache unter anderem Ausflüge in den Singer-Songwriter-Bereich, schreibe aber auch weiter Folk- und Mittelaltersongs, z.B. inspiriert von Serien wie Game of Thrones oder Games wie ‚This War of Mine‘. Und ich möchte gerne Live-Musik über Twitch streamen. Diese neue Freiheit, musikalisch tun zu können was ich will, ist großartig. Aber sie ist auch eine ganz neue, eigene Herausforderung für mich. Ohne Patreon und die – konkret, auch finanzielle – Unterstützung, die ich dort durch meine Fans bekomme, hätte ich diesen Schritt wohl nicht gewagt, schlicht aber die Zeit und Mittel auch nicht gehabt.
Mit welchem Künstler würdest du gerne einmal die Bühne teilen und was würdet ihr zusammen performen?
Oh, da gäbe einige. Als Gastsängerin bei z.B. Faun oder Omnia auf der Bühne stehen zu dürfen, wäre schon großartig. Ich kenne beide Bands mittlerweile über Jahre vom Festival Mediaval aus dem Backstage, aber bin zugleich auch selbst Fan ihrer Musik der ersten Stunde. Das ist manchmal ein wenig verrückt! Ein „Tri Martolod“ mit Alan Stivel, dem Godfather of Celtic Folk wäre auch ein Traum, oder mit Cara Dillon (eine Irish Folk-Sängerin, über die ich Folk überhaupt erst kennen und lieben gelernt habe) auf der Bühne zu performen. Ich würde aber auch bei den Celtic Women oder Ed Sheeran nicht nein sagen :-)
Scherz beiseite: Ich würde mich grundsätzlich über Möglichkeiten freuen, mit vielen verschiedenen Musikerkollegen auch in Zukunft gemeinsam Musik zu machen, ob live oder für CD-Projekte als Gastsängerin. Die Szene hat so viel Potential, so viele kreative Köpfe, das gilt es öfter zusammen zu stecken, mehr zu nutzen und auszuschöpfen. Mein geheimer Traum ist es ja, eine reine Powerfrauen-MA-Folk-Band für die großen Bühnen auf die Beine zu stellen. Mal schauen, vielleicht wird er ja irgendwann wahr.
Vielen Dank für deine Zeit und Antworten. Zum Abschluss noch ein paar Stichworte für ein freies Assoziieren. Was fällt dir als erstes zu den folgenden Begriffen ein?
#metoo – eine wichtige Kampagne, die viel Bewusstsein für ein immer noch herrschendes, großes Problem unserer Gesellschaft geschaffen hat; ja, natürlich wurde auch viel Quark gesagt und geschrieben, aber es hat (erst einmal, aber nicht nur) Frauen darin bestärkt, ihr Schweigen zu brechen, öffentlich und vor allem auch untereinander. Das ist viel Wert und ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Jetzt darf es nur nicht totdiskutiert oder für erledigt erklärt werden
Kelly Family – mit die erste Band, die ich als Kind von CD gehört habe! John Kelly und seine Frau Maite Itoiz haben unseren PurPur-Song „Wolfskind“ gecovert, das war cool
Religion – ist mir zu belastet, zu dogmatisch und zu institutionalisiert. Spiritualität dagegen kann das Leben sehr bereichern
Festival-Mediaval – mein absolutes Lieblings-Festival. Die Atmosphäre vor, hinter und auf den Bühnen ist einzigartig und nirgendwo sonst bekommt man die Chance, eine solche große Auswahl an großartigen Künstlern aus aller Welt zu sehen und zu hören
Vorurteile – prägen erst einmal jedermanns Wahrnehmung. Wichtig ist, sich die Zeit zu nehmen, sie bei sich zu entdecken und bewusst zu machen. Dann kann man auch was dagegen tun.
LARP – da Musik jetzt mein Beruf ist: Das tollste Hobby der Welt! Kreativ, inspirierend, entspannend, aufregend, voller toller, kreativer, inspirierender Menschen.
Die letzten Worte gehören dir …
Hört mehr Folk, MA- und sonstige „Randgruppen“-Mucke! Und geht mehr auf Mittelalter-Märkte, Festivals und auf Live-Konzerte und unterstützt Musiker so möglichst direkt (durch CD-Kauf am Merch-Stand, Konzertkarten oder über z.B. Patreon), damit wir auch in Zukunft weiterhin für euch unsere Musik machen können.