Das Internet machts möglich: Unser Redakteur Daniel Popp hatte die Möglichkeit eine E-Mail ans andere Ende der Welt zu senden und von ARCANA XXII Gitarrist Johan de Jager seine Fragen beantwortet zu bekommen.
M1:Hallo Johan. Zunächst einmal möchte ich Dir dafür danken, dass Du Dir Zeit für mich genommen hast.
Johan:Ich hab zu Danken. Wir freuen uns über jedes bißchen Interesse an ARCANA.
M1:Ihr kommt aus Namibia, genauer gesagt aus Windhuk. Diese Stadt ist ja nun nicht gerade für ihre große Metal-Szene bekannt. Wie seid ihr zu dieser Musik gekommen?
Johan:Metal Releases sind hier nach wie vor kaum erhältlich, also haben wir damals Kontakte in Deutschland geknüpft, durch die wir dann an Sachen wie Metallica, Maiden und Priest rangekommen sind. Das ist wohl vergleichbar mit der Zone, haha. Es war nicht immer einfach, aber wir haben den Metal und jeden einzelnen Release sehr geschätzt und natürlich war Tapetrading auch sehr angesagt.
M1:Musikalisch ist ja in dieser Gegend eher der Rap groß im kommen. Normalerweise sieht man Anhänger dieser Musikrichtung eher als Gegner der Metaller. Wie ist das bei euch? Kommt ihr gut damit klar?
Johan:ch naja, man hat auch schon mal die Nase voll wenn man überall nur Rap, Kwaito, Raeggae etc hören kann, aber in gewisser Weise haben wir uns dran gewöhnt. Man bestellt sich seine Lieblingscheiben und feiert sie halt im privaten Rahmen unter Seinesgleichen ab. Namibia hat gerade mal 1,8 Millionen Einwohner, wovon nur winziger Bruchteil sich Metaller nennen kann.
M1:Welche Resonanz erhaltet ihr denn aus eurer Umgebung? Metal ist in Windhuk bestimmt nichts Normales.
Johan:Auf keinen Fall. Unsere Gigs sind aber trotzdem sehr gut besucht. Es kommen ja zu 70% Nicht-Metaller, und das einfach weil ihnen die Wucht und die Energie unserer Musik gefällt. Diese Leute holen sich aber nicht jede Scheibe und verfolgen den Metal überhaupt nicht.Trotzdem werden wir ganz gut abgefeiert, weil unsere Stageshow sicher auch den nötigen Tritt verpasst.
M1:Und wie denken eure Familien über eure Karriere?
Johan:Die unterstützen uns. Haben also kein Problem damit.
M1:hr seid alle weisse Einwohner Namibias und damit, dieser Schluss liegt zumindest nahe, Nachkommen von Einwanderern aus der Kolonialzeit. Eure Namen legen den Schluss nahe, dass diese aus Deutschland und den Niederlanden kamen. Stimmt das?
Johan:Das ist richtig. Meine persönlichen Wurzeln sind aus Deutschland aber auch aus Holland und Belgien und Frankreich. Das waren ja damals die Hugenotten, die nach Südafrika ausgewandert sind.
M1:Und wie betrachtet ihr selber eure europäischen Wurzeln? Liegt euch etwas daran, oder fühlt ihr euch als Afrikaner?
Johan:Ich glaube wir fühlen uns als Menschen wie Namibianer, haha. Wir gehören einfach hier hin. Besuchen tun wir Europa schon gerne, ich selbst kann aber mit der Hektik Europas auf Dauer nichts anfangen. Ich bevorzuge die Ruhe hier und auch die Vorteile die eine niedrige Population mit sich bringt.
M1:Das Thema Koloniallismus gehört, zumindest für die ehemaligen Kolonialmächte, ja nicht gerade zu den angenehmsten. Wie denkt ihr über diese Zeit?
Johan:Nun das ist ja auch schon einige Generationen vor uns passiert. Was soll ich sagen… wir sind mit der derzeitigen Situation in Namibia zufrieden und froh daß alles friedlich abläuft. Nach der Apartheit hat man zumindest keine Vergeltung zu spüren bekommen. Der Kolonialismus und die Apartheit waren menschenrechtlich nichts Gutes. Man muß aber auch beachten, daß Namibia unter der Südafrikanischen Regierung sehr stark entwickelt wurde. Vieles davon wird meiner Meinung nach heutzutage etwas vernachlässigt und man kann in einigen Sektoren einen Verfall beobachten.
M1:Man hört aus Afrika ja auch immer von Rassenunruhen zwischen Schwarzen und Weissen, wobei in diesem Zusammenhang, im Gegensatz zu den USA, oft die Weissen die Diskriminierten sind. Habt ihr so etwas schon einmal erlebt?
Johan:Wir können uns glücklich schätzen, daß hier in Namibia der Übergang zu eine schwarzen Regierung total friedlich verlaufen ist. In Südafrika gabs da schon eher Aufstände, die sich aber dank Nelson Mandela einigermaßen schnell wieder beruhigt haben. Ich persönlich habe noch nie Reibereien mit Schwarzen erlebt. Nicht heute und auch nicht in der Apartheitszeit. Die Reibungen unter Schwarzen in Rwanda zum Beispiel kann man sich bei uns kaum vorstellen.
M1:Für eine Band aus Afrika ist es sicherlich auch schwierig, sich im internationalen Metal-Zirkus zu etablieren. Wie habt ihr dieses Unternehmen in Angriff genommen?
Johan:Wir haben 4 Alben aufgenommen, haha. Im Ernst, sehr viel haben wir noch nicht unternommen, außer bei Einheit Produktionen zu unterschreiben. Wir machen uns nicht so viel Druck, weil wir hier in Namibia unsere Jobs haben und uns auch nicht vorstellen könnten mit der Band jetzt nach England oder Germany zu ziehen um dem Erfolg hinterherzurennen. Uns genügt daß wir unsere Ideen in Alben verwirklichen können. The best of both worlds sozusagen.
M1:Eure bisherigen Verträge bei Arise und Einheit zeigen auch, dass ihr euch vorerst auf den deutschen Markt konzentriert. Wie kam es dazu? War das eine bewusste Entscheidung oder habt ihr von hier einfach die besten Angebote erhalten?
Johan:Ich glaube nicht daß der Metal den wir spielen in den USA oder England angesagt ist. Daher fokussieren wir uns auf Deutschland. Vielleicht wäre Japan ja noch eine Option.
M1:Aber lass uns auch einmal über eure Musik reden. Vielleicht möchtest Du selber erst einmal kurz euren Stil beschreiben.
Johan:Meine Lieblingsfrage, hehe.. auf die ich nie eine Antwort habe… Ich glaube es ist einfach traditioneller Metal, angereichert mit einigen anderen Stilelementen, die automatisch von jedem Musiker dieser Band mit einfließen. Johann bringt zum Beispiel als Sänger sehr viel Gothic mit rein, was auch eher seine Schiene ist.
M1:Das Erste was beim Hören eurer Scheibe auffällt, ist die aussergewöhnliche Stimme von Willie. Er schwankt zwischen charismatischem dunklen Gesang und abgehobenen Höhen. Wie macht er das? Ist das einfach eine Begabung oder musste er dafür üben?
Johan:Auf all unseren Alben singt Johann Smit. Willie war temporär ein Ersatz für Johann, was sich aber wieder geklährt hat. Ich nehme an es ist Begabung. Großes Training betreibt er nämlich nicht, außer das er an Wochenenden in Coverbands singt.
M1:Hm. Auf eurer Homepage steht allerdings Willie als Sänger…. In euren Sound habt ihr ausserdem Elemente eingebaut, die an eure unterschiedlichen Wurzeln erinnern. Gleich im Intro sind afrikanische Trommeln zu hören, aber es gibt auch deutsche und französische Textpassagen. Wie wichtig war es euch, eure Roots einfließen zu lassen?
Johan:Sie dominieren ja nicht unbedingt auf dem Album, daher würd ich sagen daß sie eher spontan und ungeplant erschienen sind. Es war auf jeden Fall nicht geplant.
M1:Thematisch hingegen befasst ihr euch mit ganz unterschiedlichen Themen. „Mordor“ zum Beispiel geht zurück auf den allseits bekannten Herrn der Ringe, während man „Wildhunt“ durchaus so interpretieren kann, dass man darin die Verfolgungen und Sklavenjagden während der Kolonialzeit sieht. Habt ihr selber einige Lieblingsthemen oder solche, mit denen ihr bestimmte Absichten verfolgt?
Johan:Das ist am Besten von unserem Sänger beantwortet. Die Texte sind eher auf seinen eigenen Erfahrungen aufgebaut und weniger auf politschen oder historischen Aspekten basiert.
M1:Auch euer Instrumentalspiel, gerade was den Sound der Gitarren und die Arragements angeht, unterscheidet sich erheblich von dem europäischer Bands. Was meint ihr woran das liegen könnte? Hat das vielleicht auch wieder etwas mit eurer Herkunft zu tun?
Johan:Vielleicht weil wir hier nicht direkt irgendwelchen Trends ausgeliefert sind. Wir würden also niemals auf die Idee kommen auf einmal dem Klampfensound von Killswitch Engage nachzueifern. Ich denke bei uns Gitarristen fließt einfach dieser eher typische alte britische Metal Sound… keine Ahnung.. jeder empfindet das anders. Manche meinen wir klingen total amerikanisch. Vergleiche gabs schon, das glaubst du garnicht. Laaz Rockit etc, was ja nun überhaupt nicht stimmt.
M1:Was sind denn eigentlich eure musikalischen Vorbilder? Ich könnte mir vorstellen, dass diese eher im traditionellen Metal zu finden sind.
Johan:Bei uns Gitarristen schon, wobei mein Herz aber auch bei bands wie Nile oder Cannibal Corpse schneller schlägt. Wir haben alle verschieden Favoriten unter den ganzen Metal Genres. Unser Bassist liebt total straighten Hardrock.
M1:Zur Zeit seid ihr ja bei Einheit unter gekommen. Wie sieht es da in der Zukunft aus? Gilt euer Vertrag über mehrere Alben, oder seid ihr schon dabei euch nach einem neuen Partner umzusehen?
Johan:Der Vertrag geht über mehrere Releases.
M1:Und wie sieht da die Planung konkret aus? Habt ihr vielleicht schon neues Material in der Hinterhand?
Johan:Neues Material besteht. Wir warten aber bis „YFE“ ausgereitzt ist.
M1:Schwierig dürfte es sich hingegen gestalten, wenn man euch live sehen möchte. Ich kann mir ehrlich gesagt nicht denken, dass es für eine Underground-Band aus Afrika möglich ist, in Europa auf Tour zu gehen. Oder kannst Du mich da eines besseren belehren?
Johan:Leicht wird es nicht, aber vielleicht klappt es ja beim nächsten Album mit ein paar Festival Auftritten.
M1:Zum Abschluss möchte ich mit Dir noch das altbekannte Metal1-Assoiationsspiel spielen. Ich nenne Dir einige Begriffe und Du sagst mir, was Dir spontan dazu einfällt.
Metal:Das Alpha Omega
Rap:Mist
Kolonialzeit:heutzutage unvorstellbar und menschenverachtend
Europa:Urlaub
Afrika:am Kommen!
Deutschland:Metal Mecca
Namibia:Wunderschönes Land und Zuhause.
Szene:Hierzulande non-existent
Fans:die Besten!
Online-Magazine:Wahnsinn, wenn man daran denkt daß damals alles über Tapetrading lief und daß es vor allem hier in Namibia keine Metalhefte zu kaufen gab. Das Netz hat alles geändert, wenn auch nicht immer zum Positiven.
Metal1.info:Thanks for the interview!!!
M1:Alles klar. Johan, ich möchte mich bei Dir für diese aufschlußreichen Antworten bedanken. Ich hoffe, dass wir in Zukunft noch einiges von euch hören werden.
Johan:Vielen Dank und Grüße aus Windhoek (38 Grad +)