Interview mit Chris Reifert von Autopsy

Die legendären AUTOPSY melden sich 2012 mit der EP-Compilation „All Tomorrow’s Funerals“ zurück. Neben den zum Teil vergriffenen Releases gibt es einige brandneue Songs der Kalifornier auf die Ohren. Grund genug, Mastermind Chris Reifert zum Gespräch zu laden, wo der Sänger und Schlagzeuger sich erwartungsgemäß leicht abgedreht, aber durchweg sympathisch präsentiert und zudem das Ende von Abscess rekapituliert und Auskünfte zum eigenen Musikgeschmack, der Zukunft AUTOPSYs sowie dem Selbstverständnis der Band gibt.

Grüß dich Chris, danke dir sehr für das Interview als erstes. Wie geht’s dir?
Kein Problem, und mir geht’s gut. Habe eine Tasse Kaffee hier und bin bereit, loszulegen.

Der Grund für das Interview ist natürlich der Release von „All Tomorrow’s Funerals“. Als was siehst du dieses Release? Ein neues Album mit viel Bonusmaterial, oder eher eine Sammlung rarer Songs mit ein paar neuen Nummern als Bonus?
Nenn es, wie du willst, aber ich sehe es als ein Collection-Album. Es sind alle unsere EPs drauf, mit ein paar neuen Tracks, um das Ganze interessanter zu gestalten. Wir haben alles auch ein bisschen neu gemastert, sodass die Soundqualität ziemlich gut ist, laut und klar, ohne zu poliert zu wirken. Ich glaube, das Release ist auch eine gute Sache, damit die Leute etwas zu tun haben, bis wir unser neues Album fertig haben. Wir haben einiges an ziemlich krankem neuem Stoff am Brauen und Gören im Kessel.

Ich fand die Idee ganz cool, rares Material aus der ganzen Bandgeschichte zu releasen, was ja fast schon als Best-Of-Album gewertet werden kann, weil es für den Neuling ebenfalls einen guten Überblick bedeutet, gleichzeitig aber auch für den Fan noch interessant ist. War das so ein bisschen das Konzept hinter der Scheibe?
Es ging vor allem darum, das ganze EP-Zeug in einem Release zu bündeln. In der Vergangenheit wurden einige unserer EPs ziemlich durch verschiedene Songs kaputt gemacht, die hier und da einfach so drangeklebt und für Wiederveröffentlichungen verwendet wurden. Das wollten wir nie so haben, und da das Zeug jetzt alles vergriffen ist, ergab es Sinn, es alles in cooler Aufmachung zusammenzupacken.

Wenn ich nicht irre, sind vier neue Songs auf dem Album. Unter welchen Umständen wurden die geschrieben und würdest du sie als „traditionelle“ Autopsy-Songs bezeichnen? Inwiefern unterscheiden sie sich vielleicht von früheren Aufnahmen?
Es klingt alles nach Autopsy, einfach gesagt. Ich finde, der brandneue Stoff passt sehr gut zum nicht so neuen und auch zum ganz alten Stoff. Doch, die machen schon was her.

Wie würdest du „traditionellen Autopsy-Sound“ generell beschreiben? Was sind die immer vorhandenen, zentralen Komponenten der Musik?
Death Metal. Das ist es. Heftige, knochenbrechende Riffs, die schnell, langsam oder wie auch immer sein können, so lang es auf die Ohren, das Gehirn und die Seele einprügelt.

Worum geht es bei den Lyrics? Ist es wieder die Zombie-Horror-Death-Chose? Und wenn ja, habt ihr je versucht, auch mal tiefgehendere Lyrics einzubringen, oder sogar überlegt, ein ganz neues Konzept zu verwenden?
Manche Songs sind primitiv und stumpf und gehen über Gemetzel und Horror und manche sind abstrakter, aber immer noch entsetzlich. Zuletzt hatte ich auch Inspiration, Songs über den Tod selbst zu schreibe, was ein naheliegendes, aber doch potenziell tiefgehendes Thema ist. Es ist etwas, was die meisten Menschen fürchten, oder zumindest davon fasziniert sind. Es gibt viele Wege, zu beschreiben, wem oder was wir alle eines Tages gegenübertreten müssen. Wir könnten jeden Moment sterben. Heh heh!

Wie darf man „All Tomorrow’s Funerals“ bezogen auf künftige Autopsy-Releases verstehen? Man könnte es ja als Abschluss eines Kapitels sehen, indem ihr nochmal rekapituliert, was ihr bisher gemacht habt, man könnte es aber auch einfach als Status-Update sehen. Was können wir also von künftigen Autopsy-Releases erwarten? Werdet ihr komplett beim alten bleiben, oder gibt’s auch mal neue Elemente? Habt ihr schon neue Songs?
Wie das Release zu verstehen ist, habe ich ja oben schon erklärt, kauf es einfach und höre es übelst laut! Yyyeeaarrgghhh!!! Was neues Material angeht, ja, wir arbeiten gerade an neuen Songs für das nächste Album. Und, Überraschung, es klingt verdammt nach Autopsy. Haha! Wir werden nicht anfangen, irgendwelche Techno-Remixes oder so zu machen, nur brutaler, knatternder Death Metal, wie man ihn von uns kennt. Das nächste Album wird zu 100% aus brandneuen Songs bestehen, die dein Gehirn in zerlaufenen Weichkäse verwandeln werden.

Schreibt ihr Autopsy-Songs heute anders als vor 20 Jahren? Trefft ihr euch immer noch im Proberaum um die Songs nach und nach zu entwickeln?
In diesem Gebiets gibt’s nicht wirklich was neues. Wer einen Song schreibt, bringt ihn in den Proberaum mit und der Rest von uns lernt ihn. Es ist immer Freiraum für die anderen Mitglieder, eigene Ideen einzubringen, wenn es den Song voranbringt. Alles, was ihn so gut und so brutal wie möglich macht. Manchmal schreiben auch zwei von uns zusammen einen Song. Ich liebe diesen ganzen Ablauf. Es ist toll zu hören, wie ein Song Gestalt annimmt und sich vorzustellen, wie er klingen wird, wenn er dann auf voller Lautstärke durch riesige Boxen ballert. Whhhhoooaaaaa!!

Du bist seit 1987 mehr oder weniger pausenlos im Death Metal aktiv, ob nun mit Autopsy oder mit Abscess. Reicht es dir manchmal von der ganzen Sache und denkst du manchmal darüber nach, aufzuhören oder zumindest eine längere Pause einzulegen?
Das ist komischerweise noch nicht passiert. Es gab immer etwas spannendes am Horizont, worauf man sich konzentrieren konnte. Wenn ich eine Pause machen würde, hätte ich vielleicht mal Zeit, über verschiedene Dinge nachzudenken, aber das war bisher nicht der Fall. Seit ich angefangen habe, Schlagzeug zu spielen, habe ich nie innegehalten und zurückgeschaut. Muss es wohl im Blut haben, eh?

Ihr habt euch 2009 wiedervereinigt. Wie sehr glaubst du, hatte sich zu diesem Zeitpunkt die Autopsy-Reputation im Vergleich zum 1995er Album „Shitfun“ verändert? Glaubst du, dass der große Name Autopsys und eure Aktivität mit Abscess geholfen haben, die lange Abwesenheit aus der Szene zu kompensieren? Seid ihr an der Pause vielleicht sogar gewachsen?
Ich glaube nicht, dass sich da groß etwas geändert hat, es ist nur so, dass uns jetzt mehr Leute kennen, als früher. Ich kann das nicht groß erklären, außer so: Was auch immer wir musikalisch angehen, wir nehmen es ernst und opfern uns dafür auf. Wir haben dabei eine großartige Zeit, was es einfacher macht, weiterzumachen. Wir werden euch nicht im Stich lassen, Jungs!

Was waren die Gründe für die Reunion und das Ende von Abscess? Inwiefern denkst du, unterscheiden sich die Bands musikalisch, aber auch bezüglich genereller Zielsetzungen und Vorstellungen? Sind die Arbeitsmethoden ähnlich?
Abscess haben sich getrennt, weil Clint Bower gehen wollte, um es mal einfach zu sagen. Wir haben alles menschenmögliche getan, ihm zum Bleiben zu überreden, aber für ihn war die Zeit gekommen, sich auf sein Privatleben zu konzentrieren, was wir vollkommen respektieren. Wir haben die Band viele Jahre am Laufen gehalten, aber als Clint uns sagte, dass er raus ist, war es klar, dass es mit der Band vorbei ist. Er war ein lebendiger Teil der Chemie zwischen uns und ohne ihn kann Abscess nicht funktionieren. Dies ließ natürlich die Möglichkeit offen, Autopsy wieder Vollzeit zu betreiben, es schien uns logisch, das auch zu tun. Was die beiden Bands angeht, würde ich sagen, dass es viele Gemeinsamkeiten und ein paar Unterschiede gibt. Beide spielten Death Metal, mit heftigen, brechenden Riffs im Fokus. Abscess hatten aber zusätzlich eine fette Prise Punk dabei und Clint und ich teilten uns den Gesang, da siehst du es. Abscess war eine komplett kranke Band und ich bin stolz auf alles, was wir getan haben.

Im Death Metal gibt es einerseits eine sehr simple, primitive und extrem brutale Spielart und andererseits eine technisch anspruchsvolle, komplexe Richtung. Autopsy haben so ein bisschen beide Aspekte. Würdest du da zustimmen? Wie wichtig ist instrumentales Können, um abwechslungsreichen und interessanten Sound zu schaffen? Und: Braucht Death Metal überhaupt interessanten Sound?
Es ist eben, was es ist, weißt du? Ich glaube nicht, dass ich besonders gut darin bin, unsere Musik zu analysieren, aber ich würde dir schon zustimmen.Wir haben Riffs, die sehr reduziert und simpel, aber heftig und wirkungsvoll sind. Andererseits haben wir auch Riffs, die ziemlich strange sind, ein bisschen technisch mit verrückten Timings. Was uns angeht, so haben wir das Motto, beim Schreiben immer eines im Auge zu behalten: Was will der Song? Das ist das wichtigste, einen guten, soliden Song zu schreiben.

Es gibt nicht so viele Extreme-Metal-Bands, die 1987 angefangen haben und trotzdem so vital wirken, wie ihr. Wie denkst du, schafft ihr es, gleichzeitig traditionell und frisch zu klingen?
Wir meinen, was wir spielen, und wir nehmen das nicht auf die leichte Schulter. Wenn wir zusammen spielen, erzeugt das immer sehr starke Gefühle und es ist eine mächtige Sache. Wir tun unser bestes, dieses Gefühl in die Songs zu packen. Das ist der beste Weg, es zu beschreiben, denke ich.

Was sind die anderen großen Extreme-Metal-Acts von vor 20-25 Jahren, die man immer noch anhören sollte?
Hölle, das sind einige. Asphyx, Bolt Thrower, DarkThrone, Incantation, Immolation, Cannibal Corpse, Sodom, Slayer, Deceased, Overkill. Nur ein paar, die mir spontan einfallen. Es gibt Tonnen mehr davon, also halt einfach die Augen und Ohren offen, es wird immer etwas geben, was dich aus den Latschen haut.

Heutzutage versuchen viele Bands nicht durch traditionellen Sound brutal zu klingen, sondern dadurch, eher unkonventionelle Elemente in ihren Sound einzuführen. Die Norweger Shining mixen sogar Black Metal mit Jazz. Könnte etwas in der Art auch für Autopsy interessant sein und habt ihr je darüber nachgedacht, etwas in dieser oder einer anderen Band auch umzusetzen?
Wer weiß? Ich glaube aber nicht, dass wir zu weit vom Weg abweichen. Es macht Spaß, ein wenig zu experimentieren, aber wenn wir zu verrückt werden, klingt es nicht mehr nach Autopsy. Hhmmmm…..

Hörst du zuhause die selbe Musik, die du spielst? Was sind deine Lieblingsbands?
Ja, ich hören natürlich Death Metal, aber auch Tonnen von anderem Zeug. Ich könnte den ganzen Tag damit verbringen, über die verschiedenen Sachen zu reden, die ich zuhause höre, aber ich sage mal nur, dass ich ziemlich alles höre. Es ist gut, Sachen zu haben, die zu jedweder abgefahrenen Stimmung passen, in der ich mich befinde.

Wie sehen die Livepläne von Autopsy für den Rest des Jahres aus?
Wir haben ein paar Shows, die wir spielen, aber nicht viele. Eine handvoll Shows ist genau das richtige für uns.

Danke dir sehr für das Interview. Lass uns mit dem traditionellen Brainstorming aufhören. Woran denkst du, wenn du folgendes hörst…
Bill Clinton: The King of Saxophone! Haha!
Proscriptor McGovern: Kick-Ass-Drummer und wirklich cooler Typ.
Budweiser: Nicht im Ansatz unter meinen Favoriten, aber wenn es da ist, trink ich es.
metal1.info: Es ist ein Lebensgefühl! Heh heh…
Jack Kerouac: Ich habe versucht, „On The Road“ zu lesen, aber ich habe schnell das Interesse verloren und nicht bis zum Ende gelesen. Vielleicht versuche ich es irgendwann nochmal, aber ich bezweifel es.
Jason Statham: Habe keinen seiner Filme gesehen, kann dazu also nichts sagen.
Braindead: Der Film? Die Band? Der Autopsy-Song? Mein aktueller Geisteszustand? Hah!

Danke dir nochmal und alles Gute für dich und Autopsy in Zukunft. Wenn du noch was sagen willst, tu es hier:
Danke sehr dafür, so weit gelesen zu haben. Grüße an euch und kauft alle unsere Alben! Es ist gut für euch. Haha!. Over and out, Freunde…..

Publiziert am von Marius Mutz

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