Interview mit Yotam Avni von Prey For Nothing

Die israelischen PREY FOR NOTHING nur auf Grund des Exotenbonus als Geheimtipp zu bezeichnen, würde ihnen nicht gerecht werden. Vielmehr hat die Band mit ihrem zweiten Longplayer „Against All Good And Evil“ bewiesen, das ihre Mischung aus Progressive und Melodic Death Metal auch auf Dauer gut funktioniert. Wie die Band zusammenfand und wann ihr sie das erste Mal in Deutschland zu sehen bekommt, lest im Interview mit Sänger Yotam Avni.

Hey Leute. Danke, dass Ihr Euch Zeit für ein Interview mit Metal1.info nehmt. Wie geht es Euch heute?
Yotam: Gut, danke. Es ist wirklich ein Vergnügen. Uns geht es sehr gut. Wir haben gerade mit den Vorbereitungen für unsere große Show in Tel Aviv Anfang April begonnen. Wir werden das offizielle Erscheinen unserer Platte in Israel, unserem Heimatland, feiern, wir sind also sehr aufgeregt.

„Against All Good And Evil“ wurde vor knapp zwei Monaten veröffentlicht. Wie waren die Reaktionen von Medien, Presse und Euren Fans bisher? Gibt es im Nachhinein etwas, was Ihr gerne anders gemacht hättet?
Am Anfang hat es ein paar wirklich böse Reviews gegeben – aber als das Album dann offiziell rauskam und die „Big Players“ in den Medien sich wirklich damit beschäftigten, anstatt nur die ersten zehn Sekunden jedes Songs einmal kurz anzuhören, wurde es deutlich besser. Die Leute haben angefangen, sich mit unserer Musik zu beschäftigen. Für uns war es ja auch nicht leicht: Wir sind eine recht unbekannte Band aus einem entfernten Loch im Mittleren Osten und darüber hinaus schreiben wir Metalsongs, die nicht gerade eingängig sind. Daher sehen wir es auch nicht als selbstverständlich an, dass unsere Hörer unsere Musik gleich exzellent finden.Und als die Platte draußen war, ist uns, wie das bei fast jedem Künstler so ist, sehr viel aufgefallen, was wir gerne noch reingebracht hätten – Dinge, die jedem Song noch mehr Tiefgang verliehen hätten. Musik schreiben ist jedoch ein Prozess, der in meinen Augen viel Perspektive erhält, sobald die Lieder den Hörern zugänglich sind. Nur dann kriegst du neues Feedback. So war es auch nach unserem ersten Album „Violence Divine“, das 2008 erschienen ist. Mit diesem Feedback im Rücken haben wir „Against All Good And Evil“ aufgenommen – und auch aus diesem Album werden wir wieder Sachen mitnehmen, die uns zum nächsten Album führen. Es ist so etwas wie eine unendliche Geschichte, wie Du sehen kannst.

Seid ihr momentan noch mit der Promotion für das Album beschäftigt oder hat sich das inzwischen bereits ein wenig beruhigt?
Ich muss sagen, dass wir immer noch dabei sind, viele Interviews zu geben und ich hoffe auch, dass es so schnell nicht aufhört. Ich bin selber Reporter in einem israelischen Metal-Magazin namens „Metalist“ und ich habe mich zu sehr daran gewöhnt, derjenige zu sein, der die Fragen stellt – es ist großartig, mal auf der anderen Seite zu stehen. Ich weiß, wie schwer es für Interviewer ist, sich Fragen auszudenken, die nicht hohl und nach „schon 1000x gehört“ klingen und die trotzdem für Leser und den Künstler interessant sind, daher schonmal Respekt an Dich für die ganze Arbeit (Jede Wette, dass Du damit nicht gerechnet hast!).

Es ist das erste Mal, dass wir ein Interview mit Euch machen, möchtet Ihr Euch unseren Lesern vielleicht kurz vorstellen?
Klar – wir sind PREY FOR NOTHING aus Israel. Wir versuchen, Melodic Death Metal mit Progressive Metal zu verbinden, ohne dabei die ganzen offensichtlichen Klischees in beiden Genres zu bedienen. Es gibt uns seit Ende 2005, unser erstes Album „Violence Divine“ ist 2008 erschienen und 2010 haben wir in Polen unser zweites Release „Against All Good And Evil“ aufgenommen – im selben Studio, in dem auch Bands wie Behemoth, Vader und Decapitated mehrere ihrer Meisterwerke aufgenommen haben. Das wars fürs Erste – wir waren bisher nicht auf Tour, daher habt ihr uns vermutlich auch noch nicht live gesehen, aber wir sind gerade dabei, an ein paar Videos zu arbeiten, sodass ihr auch etwas von uns sehen und uns nicht nur hören könnt.

Wie würdest Du Eure Musik in einem Satz charakterisieren?
Yotam: Ich würde sagen „Elegant Death Metal“, aber das klingt sehr merkwürdig. Vielleicht „Extreme Melodic Metal“ – das klingt ein bisschen angeberisch, andererseits ist das im Metal-Genre quasi überall so.

Drei Leute in Eurer Band, Gitarrist, Bassist und der Drummer, kommen aus einer Progressive/Heavy Metal-Band, du warst vorher in einer Technical Death Metal-Band aktiv. Wie habt Ihr zusammen gefunden?
Also, wir hatten diese Progressive Metal-Band namens “Damnation” am Laufen, die nicht wirklich Aufmerksamkeit bekommen hat. Der Hauptgrund dafür war, dass wir keinen Sänger dauerhaft engagieren konnten – Melodic Metal-Sänger, zumindest gute, sind nämlich extrem schwer zu finden in Israel. Nach einer Show auf eines der Festivals, auf dem unsere Bands zusammen gespielt haben, haben sie mich angesprochen, ob ich nicht ein paar „Death“-Cover mit ihnen spielen wollte. Ich habe zugesagt, aber es lag eigentlich mehr oder weniger auf Eis, bis ich aus meiner vorherigen Band raus war und die Zeit hatte, mit ihnen ein richtiges „Death“-Tribute-Konzert zu spielen. Es hat am Ende ziemlich gut geklappt, daher haben wir beschlossen, künftig selber solche Musik zu machen. Yaniv, unser Lead-Gitarrist, hat dann angefangen, ein paar Songs zu schreiben, ich habe Texte dazu geschrieben, und so stand dann am Ende PREY FOR NOTHING und das komplette „Violence Divine“-Album. Um ehrlich zu sein mögen Yaniv, Iftah und Amir, die drei Bandmitglieder, die vorher in „DAmnation“ gespielt haben, traditionellen, progressiven Metal immer noch mehr als aggressive „Meat & Potato“-Musik, auf die ich stehe. Sie lieben Dream Theater und Symphony X – ich denke, das scheint in unserer Musik auch derart durch, dass unser Death Metal ein wenig in Richtung Melodic Metal geht, jedoch nicht auf konventionelle Art und Weise.

Was für eine Botschaft steckt in dem Albumtitel “Against All Good And Evil”? Folgt das Album einem bestimmten Konzept in Titel und Texten?
Ja, in der Tat. Wie in Friedrich Nietzsches altem Buch „Jenseits von Gut und Böse“ haben wir in den Titel-Tracks (die letzten beiden auf dem Album) die Moral der Menschheit und die Bedeutung dahinter zu erforschen versucht. Kann das, was vor einem Jahrzehnt als „Gut“ oder „Böse“ betrachtet wurde, immer noch als das angesehen werden? Kollidieren die Freiheit der Rede und das Recht auf freie Selbstbestimmung nicht immer mit sozialem Verhalten? Wir haben festgestellt, dass diese Terme nicht definiert sind. Wie die Religionen, denen sie entstammen, sind sie wie ein unbeschriebenes Blatt. Aber die Einflüsse moderner sozialer Kodices sind so stark – der einzige Weg, ihnen zu entkommen, ist, sie in ihrem eigenen Spiel zu schlagen – das ist wie ein Krieg von Gesetzen und Philosophien, wenn du magst. Dann gibt es noch eine dritte Fraktion, die nicht neutral ist, aber beiden Seiten feindlich gesinnt, und nur wenn wir sie eliminieren, können wir als Gesellschaft auf die nächste moralische Stufe treten. Daher nehmen wir so eine deutliche Stellung wenn es um den Krieg zwischen Gut und Böse geht – nicht nur, weil wir Stellung beziehen, sondern weil wir einen eigenen Standpunkt darstellen.

Worauf bezieht sich der Song “Home Made Holocaust”?
Ich weiß, es ist immer etwas schwierig, wenn Juden und die Holocaust-Thematik aufeinander treffen, aber denke an ein anderes Szenario als Story des Songs. Ein antisozialer Nerd, der im Keller der Wohnung seiner Mutter lebt und ein wahres Computer-Genie ist, braucht nur einen kleinen Anschub, um die Zugangscodes für die Abschusssequenzen der Hälfte der nuklearen Sprengköpfe seines Landes zu knacken, und er kann von sich aus, alleine, einen Krieg erschaffen. Das Lied beschäftigt sich mit solch wahnsinnigem Verhalten, ebenso betont er im nächsten Schritt, was unsere „Feinde“ sein werden. Nicht Gasmasken-tragende Soldaten in Panzern oder Flugzeugen. Der nächste Hitler wird sein Elternhaus vermutlich nicht verlassen müssen, um der Welt, wie wir sie kennen, ein Ende zu bereiten.

Erzähl mal ein bisschen was über das Video, das ihr für “My Final Relapse” aufgenommen habt.
In dem Lied geht es hauptsächlich um den Moment am Ende vieler Beziehungen. Dieser Moment der Klarheit, wenn du realisierst, dass es vorbei ist und du nur ein weiterer Mensch in dieser einsamen Welt bist bis zur nächsten Episode in deinem Leben. Dieser Moment ist meist so verschwommen – du versinkst oft in der Enttäuschung und der letzten Beziehung. Der Direktor des Videos hat dieses Konzept auf die Spitze getrieben: Man sieht einen Mann, der es nicht aushält, dass seine Ex ihm nicht mehr gehört – sie verfolgt ihn immer und immer wieder in seinem Träumen. Schließlich wacht er auf und realisiert, dass er sie getötet hat. Ich bin eigentlich eher ein Fan von subtilen Aussagen, vor allem wenn das Lied selbst nicht das aussagt, was das Video zeugt, aber es ist trotzdem Metal as fuck.

Das Album ist insgesamt 73 Minuten lang. Habt ihr keine Angst davor, Menschen, die denken “Das ganze Album ist dermaßen lang, das ist mir sicher zu komplex“, damit zu überfordern?
Daran haben wir nicht gedacht, bis wir die ersten Reviews gelesen haben. Ich verstehe es, wenn jemand sagt „Weniger ist mehr“ – wirklich – aber letztendlich sind Alben eben auch nicht dasselbe, wie wenn du ins Kino gehst, oder zu einer Kunstausstellung, selbst Live-Auftritte sind etwas anderes. Alben währen ewig. Du kaufst sie (oder du downloadest sie, ich glaube, egal, was man macht, verhindern kann das keiner) und behältst sie dann. Und wenn Du in der Stimmung bist, oder einfach die Musik magst – spielst du sie. Alben kannst du immer und immer wieder hören. Warum also nicht mehr reinpacken? Klar, wenn wir gedacht hätten, dass einige Songs zu schwach sind, um auf das Album zu kommen, hätten wir sie rauslassen können. Und wir wollten auch keine PR-Tricks anwenden, wie zum Beispiel zwei Tracks als Bonus Tracks aufzulisten und zu sagen, wir hätten 11 Songs aufgenommen und dann noch zwei dazu. Das ist billig.

Nein, wir wollten ein majestätisches Album haben – selbst, wenn es dann so lange ist wie zwei normale Alben zusammen. Die Leute haben heutzutage vergessen, was es bedeutet, wirklich Musik zu hören. Es ist alles so spontan. Hier und da kann ich es nachvollziehen. Aber ich weigere mich, irgendwelche trendigen Sachen mitzumachen. Wenn das Album den Leuten zu lang ist, können sie es ja auch in zwei Stücken anhören. Darum haben wir auch ‚Axis Mundi‘ (latenisch für „das Zentrum der Erde) direkt in die Mitte des Albums gepackt, sozusagen als ruhige, instrumentale Pause. Die Leute können durchschnaufen und in die zweite Hälfte eintauchen. Vor allem spielen wir eben keinen Emo-Core, der sofort ins Ohr geht. Wir spielen komplexen und progressiven Extrem-Metal. Der ist zwar nicht allzu technisch, aber auch nicht gerade eingängig. Wenn es jemandem zu komplex ist, wird ihm das Album wohl auch nicht gefallen, wenn er nur 35 Minuten davon hört.

Wie geht ihr beim Songwriting vor? Habt ihr eine klare Aufteilung, was das Songwriting angeht?
Ja, haben wir. Yaniv hat auf dem letzten Album alle Songs geschrieben, aber seit Tal dazu gekommen ist, hat er auch mehrere super Stücke für uns geschrieben. ‚Unmake You‘ ist eigentlich der einzige Song, der „organisch“ geschrieben wurde. Tal hat die Rhythmus-Gitarren und Riffs geschrieben, Yaniv die Melodien und im Proberaum haben wir es dann fertig ausgearbeitet. Es ist überraschenderweise der Song, der am wenigsten nach uns klingt. Eher ein Experiment, eine Mischung aus zwei Stilen.

Ihr habt im Juli mit Massacre einen Vertrag abgeschlossen. Wie seid ihr mit dem Label in Kontakt gekommen?
Wir haben den Kontakt auf ganz altmodische Weise herstellen können. Wir haben Demos an ganz viele Labels geschickt, ein paar Antworten bekommen und das wars dann auch schon. Ich denke, du musst nicht ein am ganzen Körper tättowierter Muskelprotz sein oder wie ein Wikinger aussehen, um einen Deal mit einem Metal-Label zu kriegen. Ich meine – schau uns an – wir sind ein paar glatzköpfige Kerle mit Gitarren und ein kleiner, dünner Kerl, der am Rumschreien ist. Nicht gerade ansehnlich – aber ich hoffe, unsere Musik wird die Leute überzeugen.

Wer hat das Album produziert? Und gab es bei der Produktion etwas, worauf ihr besonderen Wert gelegt habt?
Das Album wurde in den Hertz Studios von den sehr begabten Wieslawski-Brüdern, Slawek und Wojtek, produziert. Die beiden haben mit Death Metal-Legenden zusammen gearbeitet – genau deswegen sind wir auch hin, wir wollten einen heftigen Sound haben. Als wir ins Studio gekommen sind, haben wir erstmal die Drums aufgenommen – große Probleme hat uns aber der Rest bereitet. Die Jungs haben uns wirklich hart arbeiten lassen und uns alles so lange wieder aufnehmen lassen, bis es perfekt gepasst hat. Eine großartige Art, zu arbeiten – genau das, was wir gebraucht haben.

Werdet Ihr dieses Jahr noch auf eine längere Europa-Tour gehen?
Wir hoffen es zumindest. Unser Traum und auch unser Ziel ist es, in Europa zu touren, so bald wie möglich. Wir suchen nach Möglichkeiten, größere Bands supporten zu können und uns anderen Menschen vorzustellen, um so viele neue Fans wie möglich zu erreichen. Wenn wir bei einem Festival dabei sein könnten, wäre das natürlich noch besser.

Was hältst du von der aktuellen Entwicklung im Iran?
Der politischen, meinst du? Ich denke, ich bin kein großer Fan der iranischen Politik, wenn es um das Atomprogramm geht. Ich muss aber zugeben, dass ich die Art und Weise, wie im Iran hochgebildete Leute ausgebildet werden, bewundere. Die Universität in Teheran ist im Mittleren Osten in dem, was sie tut, mit Abstand die beste. Darüber hinaus bin ich auch kein großer Fan der israelischen Politik. Ich denke, unsere ganze Regierung ist völlig korrupt, egal, ob wegen der Religion, wegen Öl oder was auch immer. Die Politiker schlagen sich selbst den Wanst voll, während der Rest der Gesellschaft hart arbeitet. Ich sage immer: Ich komme besser mit einem iranischen Metalhead zurecht als mit einem orthodoxen Juden, der den ganzen Tag lang in Jerusalem rumsitzt, die Torah studiert und mit meinen Steuergeldern bezahlt wird, während ich Doppelschichten schiebe, um als Musiker überleben zu können.

Okay, wir sind fast durch mit dem Interview. Es bleibt nur noch das traditionelle Metal1-Brainstorming. Ich nenne dir ein paar Worte und du sagst mir, was dir dazu einfällt:
Alkohol:Ich bin straight edge. Ich habe noch nie in meinem Leben Bier getrunken. Ich kann Dir dazu also nichts sagen, sorry.
Mossad:Ein schlagkräftiger Geheimdienst, hat aber nicht die Macht eines KGB oder einer CIA.
War On Terrorism:Mehr eine Öl-Kreuzfahrt. Du kämpfst keinen Krieg gegen ein Land mit Panzern und Bombern, weil du Terrorzellen eliminieren willst. Das machst du mit dem Geheimdienst. Es ist armselig, wie dort Leute umgebracht werden.
Gerissene Gitarrensaiten:Ein Problem der Vergangenheit. Wir benutzen inzwischen für jede Show neue Saiten und haben Reserve-Gitarren.
Metal1.info:Eins der besseren Interviews, die ich bisher in meiner Karriere geben durfte – es war super.

Okay, das wars von meiner Seite. Danke für deine Zeit. Wenn Du unseren Lesern noch etwas mitteilen möchtest, kannst du es jetzt tun. Cheers!
Bleibt einfach dem Metal treu und supported auch Bands, die nicht dem Trend folgen. Oder auch solche, die Szene braucht euch! Horns up und Shalom Aleichem!

Publiziert am von Pascal Stieler

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