Interview mit Wout Lievens und Marijn Gabriels von Stories From The Lost

Die Post-Rocker STORIES FROM THE LOST gründeten sich im Jahre 2010 und haben nun mit „For Clouds“, das in der Tradition fast aller Bands aus diesem Genre einen unergründlichen Titel trägt, ihr Debüt-Album vorgelegt. Was es dabei für Schwierigkeiten gab und wie es ist, auf einem Festival zu spielen, das man selber organisiert hat, darüber gaben die Gitarristen Wout Lievens und Marijn Gabriels bereitwillig Auskunft.


Hi Leute. Wie gehts Euch heute?
Uns gehts super. Coole Sache, ein Interview geben zu dürfen.

Gratulation zu Eurem ersten Album „For Clouds“. Seid ihr mit dem Ergebnis zufrieden? Habt ihr bei der Produktion auf etwas besonderen Wert gelegt?
Wout Lievens: Danke! Wir sind sehr zufrieden mit dem Album. Tobias (der Drummer von Kokomo) hat es großartig aufgenommen und produziert. Wir sind dafür zu Kokomos Proberaum in Duisburg geflogen – eigentlich hatten wir gar nicht vor, ein komplettes ‚Album‘ aufzunehmen, es sollte eher eine EP werden, aber am Ende haben wir noch zwei Songs mehr geschrieben und daher eben ein Album draus gemacht. Unser Hauptziel war, die Songs spannend, intensiv und episch zu gestalten und die Strukturen klar herauszuarbeiten.
Marijn Gabriels: Klarheit ist mir sehr wichtig, es muss alles sehr fein klingen. Wir benutzen moderne Gitarrenverstärker, die einen sehr harten und gleichzeitig distinguierten Sound erzeugen. Viele Post-Rock- und Post-Metal-Bands benutzen „boomey“ Verstärker, die nicht so klar klingen und ein wenig einen eigenen Sound erzeugen – wir aber nicht. Tobias ist ein erstklassiger Drummer und Drumtech und hat uns auch geholfen, dieses Feeling in den Drumsound einzuarbeiten. Natürlich ist der auch dank Wout so gut geworden.

Würdet Ihr unseren Lesern gerne einen kurzen Überblick darüber geben, wer ihr seid, wo ihr herkommt, wie ihr als Band angefangen habt und wie ihr eure Musik selbst definiert?
Wout: STORIES FROM THE LOST wurden 2010 als This Little Robot gegründet. Damals waren das Marijn Gabriels an der Gitarre und ich am Schlagzeug. Das erste, was wir dann gemacht haben, war eine Show in unserer Heimatstadt Zottegom in Belgien zu buchen – ohne dass wir bis dahin schon ein Riff geschrieben hätten. Wir hatten zwei Wochen Zeit, also haben wir uns ab dem darauffolgenden Tag in meiner Garage verbarrikadiert und Lieder wie „Crossing Fields“ und „For Clouds“ geschrieben. Nach der Show haben wir nach weiteren Leuten gesucht und haben sie mit Thijs van der Linden, der Bass spielt und Kevin Limpens an der zweiten Gitarre gefunden.
Marijn: Es ist immer schwierig zu sagen, was für einen Stil wir bevorzugen. Ich würde es als instrumentalen Post-Rock mit Electronic-Einflüssen bezeichnen. Definitiv auch ein bisschen Progressive Metal. Kevin und ich stehen sehr auf progressive und technische Musik, obwohl das ziemlich schwer zu spielen ist (haha). Ich denke dabei an Bands wie Animals As Leaders und Gojira. Unsere Lieder sind natürlich nicht so technisch, aber ich mag die Herangehensweise, die Progressive Metal mit sich bringt: Es bedeutet im Prinzip, dass du beim Songwriting machen kannst, was auch immer du willst, ohne dich auf ein bestimmtes Genre beschränken zu müssen.

Wie unterscheidet Ihr Euch von anderen populären amerikanischen und europäischen Post-Rock-Bands am ehesten, eurer Meinung nach?
Wout: In STORIES FROM THE LOST hat jeder von uns einen anderen musikalischen Hintergrund. Thijs ist ein bisschen älter als die anderen Bandmitglieder und steht am ehesten auf ältere Punksachen. Marijn und Kevin hören hauptsächlich Progressive Metal und Djent, ich dagegen Rock und Post-Rock. Wir finden es sehr wichtig, nicht nur gute Musik zu schreiben, sondern die Sounds, die wir dafür benutzen, zu perfektionieren. Dafür stehen wir teils stundenlang im Proberaum.
Marijn: Ich denke, wir verbinden eher traditionelle, altmodische Ideen und Sounds mit sehr modernen Elementen. Wir nutzen sehr viel moderne Technologie zu unserem Vorteil, sei es für unsere Musik und das Liveset oder auch die Promotion über soziale Netzwerke. Viele Bands unterschätzen, wie wichtig es ist, in sozialen Netzwerken aktiv zu sein.

Habt ihr von Anfang an als Post-Rock-Band angefangen, die nur instrumentalische Songs geschrieben und gespielt hat oder gab es auch eine Zeit, wo ihr daran gedacht habt, Gesang einzubauen?
Wout: Lustig, dass du gerade danach fragst, weil wir momentan ernsthaft darüber nachdenken, ein bisschen mehr Gesang einzubauen. Thijs schreit schon in zwei Song, aber wir möchten schauen, was passiert, wenn wir das noch mehr ausbauen. Wir wollen nicht, dass der Gesang im Vordergrund steht, deshalb werden wir uns Zeit nehmen um die perfekte Lösung zu finden. Vielleicht bedeutet das aber auch, in Zukunft keinen Gesang zu haben.
Marijn: Als wir angefangen haben, haben wir uns gedacht: „Wenn wir einen Sänger dazuholen, muss es ein guter, ein einzigartiger sein. Momentan singt Thijs eben ab und zu. Wir hätten nichts dagegen, einen guten Sänger zu integrieren, aber wir haben auch nicht das Gefühl, dass wir einen dazuholen müssen. Wir werden sehen, wie es weitergeht.

Wie entsteht ein typischer STORIES-FROM-THE-LOST-Song – von Anfang bis Ende?
Wout: Marijn kommt mit einer Idee, einem Riff oder ein paar Akkorden, an. Dann setzen wir uns hin und arbeiten etwas aus, fügen Samples hinzu und so weiter. Sobald das Grundgerüst steht, fangen Thijs und Kevin an, mitzuarbeiten.
Marijn: Wenn Wout und ich einzelne Parts und Arrangements ein paar Stunden lang ausprobiert haben, ist es immer gut, jemanden zu haben, der das Lied noch nicht gehört hat. Thijs gibt uns immer seinen Input bezüglich dem, was schon steht und macht ein paar Vorschläge, was man ändern könnte. An diesem Punkt kommt es auch schon mal vor, dass wir ein Lied komplett abändern oder verwerfen. Viele Lieder überstehen den Thijs-Test nicht. Wenn sie es aber tun, muss nur noch Kevin grünes Licht geben und dann prügeln wir zusammen die Details ein.

Habt ihr schon Feedback von anderen Webzines/Magazinen bekommen?
Wout: Ja, wir haben ein paar sehr gute Reviews bekommen: In The Rock Tribune zum Beispiel, 88 von 100 Punkten. Wir haben auf FM Brüssel und Radio Scorpio Airplay bekommen und Interviews geben dürfen. Den meisten Online-Magazine scheint unsere Musik auch zu gefallen. Es ist cool, zu sehen, wie immer mehr Leute zu unseren Shows kommen.

Wofür steht der Albumtitel “For Clouds”?
Wout: Wir sind nicht besonders gut, was Titel anbelangt. Wir wählen die immer ziemlich intuitiv aus. Wir brainstormen für einen Titel, wenn wir etwas gefunden haben, was gut klingt und dem Hörer viel Raum für Interpretationen lässt, halten wir das so fest.
Marijn: Wenn Du alle vier von uns nach dem Titel fragst, kriegst du vier verschiedene Antworten.

Hat das Album einen speziellen Natur-Bezug? Ich frage, weil es mehrere Titel gibt, wie zum Beispiel “Crossing Fields”, “Tyrannosaur” und “Plains Runner”, die auf den ersten Blick mit Tieren oder Natur zu tun haben.
Wout: Ich denke, es ist wichtig, dem Hörer Anstöße zu geben, wie er sich unsere Musik bildlich und emotional vorstellen kann. Dafür können Landschaften und die Natur im Allgemeinen sehr hilfreich sein. Wenn Du versuchst, unsere Musik in einem Bild oder einer Zeichnung festzuhalten, würde es wohl am ehesten wie eins von Caspar David Friedrich aussehen, oder wie eins von einem impressionistischen Maler. Die Titel müssen gleichzeitig recht vage bleiben, damit dem Hörer viel Raum für Interpretationen bleibt – er muss seine eigene Geschichte über das Lied erzählen können. Davon abgesehen sind viele von uns in ländlichen Regionen aufgewachsen: Ich kann zwar nicht für die anderen sprechen, aber ich persönlich habe einen großen Teil meiner Jugend damit verbracht, im Wald und in Feldern nebenan zu spielen. Natur heißt für mich auch Abenteuer.

Das Album-Cover geht noch weiter in diese Richtung: Es stellt mittels einer recht abstrakten Zeichnung einen Baum auf einer Wiese dar………
Wout: Das Album-Cover wurde von Thijs designt. Er ist Künstler und arbeitet viel mit Natur. Er hat das Cover während unseren Aufnahmen in Deutschland gezeichnet – das könnt ihr in unserem Teaser-Video sehen. So einen Baum wie auf dem Cover gibt es in unserer Heimatstadt. Er nennt sich „der einsame Baum“ und steht, wie der Name schon sagt, ganz alleine, von Feldern umgeben. Das alleine lässt dich schon einen gewissen Respekt entwickeln. Früher war er aber auch sehr wichtig: Es war ein Hof und ein Treffpunkt für viele Leute – der Ort hat etwas Besonderes. Das müsstet ihr sehen :-) Die Gefühle, die wir mit unserer Musik aufzugreifen versuchen, sind die, die man an solchen Orten empfindet.

Es gibt auf dem Album ein paar Songs, die sehr heavy klingen, wie zum Beispiel “TR 16” und “August II“, im Gegensatz zu ruhigen Tracks wie „Vocaloid“. Worauf lag euer Fokus beim Schreiben?
Wout: Wenn Du das Album meinst – die Härte, die manche Lieder in sich haben, kam einfach dabei raus. Ein Lied wie „For Clouds“ ist viel ruhiger und subtiler, aber wir wollten kein komplettes Album mit solcher Musik füllen. Härte bringt auch immer ein bisschen Epik mit sich und das gefällt uns. Wir werden diese Richtung wohl auch erst mal beibehalten…oder auch nicht. Mal schauen.
Marijn: Wir mögen alle harte Musik, manche von uns mehr als andere, aber wir sind uns darüber einig, dass ein Lied an einem gewissen Punkt immer explodieren muss. Entweder ganz am Anfang oder als Klimax am Ende eines gemächlichen Aufbaus.

Wie seid ihr an Euren Labelvertrag gekommen?
Wout: Nun, ich bin der Besitzer von Dunk! Recordings, da war das relativ einfach. :-)
Marijn: Nicht weitersagen!

Ihr habt auf dem von Euch selbst organisierten Dunk!-Festival mit mehreren sehr bekannten beziehungsweise sehr „routinierten“ Post-Rock-Bands wie Pelican und This Will Destroy You zusammen gespielt. Erzählt mal, wie es war.
Wout: Ja, Marijn und ich haben das Festival zusammen mit unseren Vätern und Freunden organisiert. Wir waren erstmal glücklich, dass wir diese Bands für das Festival buchen und sie supporten konnten. Gleichzeitig wollten wir die besten Bands aus dem Genre da haben. Wir mussten also selber angemessen performen – es war ja erst unsere zweite Show. Darüber hinaus wollten wir nicht, dass es so aussieht, als wären wir eine lokale Band, die über Connections in das Line-Up gekommen ist. Ich glaube, wir haben es hingekriegt, nicht total zu versagen, aber wir können noch viel besser spielen – daher hatten wir etwas gemischte Gefühle: Sehr glücklich, mit solchen Bands auf einem Festival mit internationalem Publikum spielen zu können und enttäuscht, weil wir nicht so gut waren, wie wir sein könnten. Was wir aber herausgefunden haben, ist, dass es mehr Spaß macht, eine Show zu spielen, die man nicht selbst organisiert hat.
Marijn: Ja, es war eine großartige Erfahrung, mit This Will Destroy You und Pelican spielen zu können, aber wir waren alle etwas k.o. von der Organisation des Festivals und hatten vermutlich auch während des Auftritts etwas zu viel um die Ohren und in den Köpfen. Schade, dass wir nicht mehr so schnell für ein so großes Publikum spielen werden. :-)


Fühlt es sich anders an, die Songs live zu spielen als sie auf Platte zu hören?
Wout: Ja, es fühlt sich anders an. Der Sound ist auf der Bühne nicht immer so gut. Und er ist ja auch gan anders als das, was die Leute hören – das wissen wir nämlich gar nicht. Es ist außerdem sehr wichtig, dass die Abstimmung zwischen uns vier und dem Drumcomputer stimmt. Tobias hat das auf dem Album hervorragend hingekriegt. Wir hatten das Album ja, bevor wir damit live aufgetreten sind, daher wussten wir ungefähr, wie die Songs zu klingen haben.
Marijn: Wir haben im Studio noch manche Dinge geändert. Tobias hat uns gesagt, welche Parts ein bisschen leer klingen oder wo man noch bestimmte Dinge hinzufügen könnte, hat sich aber nie aufgedrängt. Er hat immer nur Tipps gegeben, wo etwas fehlt, und es uns dann selber auffüllen lassen. Das hat uns sehr geholfen. Daher setzen wir diese Änderungen auch live um.

Wann können wir Euch auf Tour in Deutschland erwarten?
Wout: So schnell wie möglich. Unser Album kommt gerade in Deutschland raus – ich hoffe, die Leute stehen drauf und wir können mal vorbeikommen und dort spielen. Wir planen derzeit eine Tour in Frankreich und Spanien im Februar, aber es ist nicht einfach, diese Dinge organisiert zu kriegen. Wenn wir im April 2013 oder so nach Deutschland kommen könnten, wäre das großartig. Wir werden sehen.

Okay, wir sind fast durch mit dem Interview. Wenn es Euch nichts ausmacht, würde ich gerne ein kleines Brainstorming mit Euch unternehmen: Ich werf einfach ein paar Worte in die Runde und ihr sagt mir, was Euch dazu einfällt.
Atomenergie:
Wout: Ich denke, das ist etwas, was in die Vergangenheit gehört. Es gibt genug Möglichkeiten, Strom aus alternativen Energien zu gewinnen. Windräder zum Beispiel. Davon sollte es viel mehr geben. Und die Regierung sollte andere kleine Projekte unterstützen, zum Beispiel die Entwicklung von Telefonen, die sich selbst wieder aufladen, wenn ihr Besitzer sich bewegt. Das Wichtigste ist aber, die Verschwendung von Energie einzuschränken. Wir müssen effizienter werden.
Marijn: Ja, was wir momentan machen, hat definitiv nichts mit Nachhaltigkeit zu tun. Ich denke, wir werden bald zu dem Punkt kommen müssen, wo sich jeder darüber im Klaren ist, was wir mit der Erde und ihren Ressourcen anstellen – und das schnell.
Entwaldung:
Wout: Es sollte definitiv mehr Bäume geben. :-) Wir müssen die Finger von den Wäldern lassen und neue anpflanzen.
Marijn: Wir brauchen generell mehr Platz für Wälder und die Natur im Allgemeinen.
Dinosaurier:
W: Dinosaurier sind toll. Aber ich bin froh, dass sie nicht mehr überall rumlaufen. :-)
Marijn: Ich wünschte, ich hätte mal einen treffen können.
Multikulturalismus:
Wout: Etwas, was Leute akzeptieren werden müssen. Die Welt ist inzwischen eine große Stadt geworden und wir müssen miteinander auskommen – das heißt tolerant sein und andere Kulturen respektieren, Leute aber gleichzeitig selber entscheiden zu lassen, wie sie ihr Leben führen wollen.
Marijn: Ich denke, die Leute sollten weniger Angst vor Dingen haben, die ihnen unbekannt sind und einfach offener sein. In unserem Informations-Zeitalter gibt es keine Ausrede dafür, Scheuklappen zu tragen (du weißt schon, wie die Pferde :-) ) Ich sage immer „Live and let live“.
Wilhelm Scream:
Wout: Total lustig.
Marijn: Der Sound, den mein Amp gemacht hat, als er kaputt gegangen ist.

Okay, das wars von meiner Seite. Ich wünsch Euch noch ein gutes Jahr und viel Spaß auf Tour. Wenn Ihr unseren Lesern noch was sagen wollt, habt ihr jetzt die Chance dazu.
Wout: Danke! Unser Album gibt es auf iTunes und Spotify, aber auch als „Zahl-soviel-du-willst“-Download auf dem Dunk!Records-Bandcamp. Darüber hinaus als CD für nur 8€. Schaut auch mal auf unserer Webseite vorbei und liket uns auf Facebook.

Publiziert am von Pascal Stieler

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