Konzertbericht: Austria 4+

01.06.2017 Freising, Lindenkeller

Was passiert, wenn sich vier österreichische Schauspieler mit einem Gitarristen aus Schwaben zusammentun? Wenn das verbindende Element der Austro-Pop ist, dann entsteht irgendwann das Projekt AUSTRIA 4+. Genauer gesagt im Jahr 2011, in und um Ingolstadt. Was geografisch gewagt klingt, ist musikalisch eine meist überaus gelungene Hommage an Liedermacher und Bands wie Reinhard Fendrich, Georg Danzer oder S.T.S. Allerdings dürfen auch einige eingedeutschte Nummern großer internationaler Künstler nicht fehlen.

Bis Tom Waits, Neil Diamond oder auch Erip Clapton ihren Weg in die deutsch-österreichische Völkerverständigung der Extraklasse finden, dauert es aber ein wenig. Die musikalische Reise führt zunächst über Fendrichs „Strada del Sole“ und durch die „Schickeria“. Mit Peter Cornelius zeigen sich AUSTRIA 4+ sogar kurzzeitig „Reif für die Insel“ und Stefan Leonhardsberger brilliert erstmals am Gesang. Indes wird seine Geige zum Running Gag des Konzerts: Ganze drei Tage hat er sich dem Instrument intensiv gewidmet, so Leonhardsberger mit einem schelmischen Grinsen. Zwischenzeitlich hat er auch mehrfach mit seinem Notenständer zu kämpfen, doch derlei Lappalien kompensiert der musikalische Fünfer spielerisch und mit viel Schmäh. „Heit bin I wieda fett wie ein Radierer“ ist nur ein musikalischer Zeitzeuge an diesem Abend. Spätestens zum Cornelius-Klassiker „Du entschuldige, i kenn di“ steigt das gesamte Publikum im sehr gut gefüllten Lindenkeller ins Konzert ein. Erstmals wird lauthals mitgesungen und ein Blick in die Vergangenheit belegt, dass Schlager-Pop nicht immer nur sprachlich eindimensional und anspruchslos daherkommen muss. Zwei Tom-Waits-Adaptionen gibt es vor der Pause zu hören, einmal „Umweg ham“ und einmal „Voll mit Bourbon“. Beides gelingt, ehe es mit einem Wolfgang-Ambros-Doppel in die kurze Unterbrechung geht.

In der zweiten Hälfte wird es internationaler und vielleicht auch noch eine Spur variabler. „Tränen da oben“ orientiert sich sehr nah am Original von Eric Clapton, dazu gibt es von AUSTRIA 4+ wieder viel Einheimisches zu Themen wie der ersten Liebe, Verlust und auch Tod, u.a. „Die Morität vom Frauenmörder Wurm“ direkt zu Beginn. Zwischen den Songs greift Sprachrohr Peter Reißer auf einige Altherrenwitze zurück, die im Vergleich zur Musik doch manchmal etwas altbacken wirken. Martin Schmid an der Gitarre führt die Arrangements indes auch live musikalisch zusammen, selbst wenn zwischenzeitlich am Mikro sogar gejodelt wird. Seine langjährige Bühnenerfahrung, u.a. als Frontmann der Presley Family und als Teil von „Da Billi Jean is ned mei Bua„, ist dabei sicherlich ein nicht zu unterschätzender Vorteil. Dass eigentlich vier Schauspieler im Lindenkeller musizieren, merkt man als Konzertbesucher wenig bis gar nicht. Die Melange aus nationalem und internationalem Liedgut unterhält ohne viel Show und Brimborium. Als die ersten Takte von „Ham kummst“ erklingen, starten AUSTRIA 4+ in ihren Endspurt, der mit Hubert van Goiserns „Brenna tuats guat“ und Reinhard Fendrichs „Macho Macho“ noch einmal für ordentlich gute Laune im Freisinger Kellergewölbe sorgt.

Auf ihrer neuen Tour „Eingschenkt und aufgwärmt“ haben sich AUSTRIA 4+ mit Stefan Pellmaier neue Verstärkung an Bord geholt, da Martin Funk nach vier Jahren die Truppe verlassen hat. Der Neuzugang ergreift erst kurz vor Schluss erstmals das Wort und leitet damit zu den Zugaben über: Seine Anfänge seien die EAV-Klassiker gewesen, so Pellmaier. Wenig später intoniert seine neue Truppe fröhlich „Märchenprinz“, ehe der rund 2,5-stündige Abend mit Fendrichs „Weus’d a Herz hast wi a Bergwerk“ und „Großvater“ von S.T.S. sein würdiges Ende findet. Als finalen Schlusspunkt entlockt Stefan Leonhardsberger seiner Geige schließlich exakt einen Ton und erntet dafür viel Gelächter. Keine Zweifel: Das österreichische Liedgut ist gerade in Bayern tief verwurzelt und verbreitet, demnach tun sich AUSTRIA 4+ in Freising vergleichsweise leicht. Die fünf Musiker füllen die Klassiker und ihre Cover-Versionen allerdings mit so viel Eigenleben, dass im Süden Deutschlands noch nicht Schluss sein muss. Die musikalische Heimat der einzelnen Mitglieder strahlt jedenfalls über Grenzen hinweg.

Publiziert am von und

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert