Konzertbericht: Dark End 2012

2012-12-27 Backstage, München


DARK END – nein, nicht die misslungene Weltuntergangstheorie der Maya, sondern das Festival der Hamburger Düsterrücker Mono Inc. sollte das Jahr 2012 für Fans der etwas härteren Gitarrensounds gebührend beschließen. Aus diesem Grund zogen die Monos ihre eigene Festivalreihe mit viel Tamtam erstmals bundesweit auf. Doch genau wie beim medial propagierten Weltuntergangsszenario der Maya erwies sich das Ergebnis als reichlich unspektakulär und ernüchternd.


Nach einem Zwischenfall in Leipzig und daraus resultierenden unüberbrückbaren Differenzen zwischen Mono Inc. und Roterfeld schrumpfte das Festivallineup kurzfristig von fünf auf vier Bands zusammen. Dadurch mutierten die Deutschrocker UNZUCHT in Form von Fuhrmann, Blaschke, De Clercq und Schulz bei ihrem Debüt in der bayerischen Landeshauptstadt ungewollt zum Opener. Und was soll man sagen? Mit lediglich einem Album namens „Todsünde 8“ im Gepäck machten die Hamelner Newcomer aus ihren (noch?) recht begrenzten Möglichkeiten einen soliden Auftritt. So zeigten sich kleine Teil des Münchner Publikums erstaunlich früh erstaunlich wach, was vor allem an Sänger Schulz lag, der zwar mehrere Töne gnadenlos versägte, aber gleichzeitig für Publikumsinteraktion sorgte, so dass beim Refrain von „Unzucht“ sogar einige den Bandnamen mitbrüllten. Etwas sinnbildlich geriet allerdings der finale Stagedive des Fronters, nachdem er mehrfach betont hatte, wie geil er diesen Abend in München findet. Sein beherzter Sprung trug ihn jedoch lediglich bis in die Mitte der Menge. Für mehr reichte es nicht, zumindest von Seiten des Publikums ab Reihe 8 bis 10. Dafür ist der sythesizergeschwängerte UNZUCHT-Sound mit Gitarre, Bass und Schlagzeug noch reichlich austauschbar und zu wenig individuell. Immerhin gaben sich alle Bandmitglieder sichtlich Mühe, das Maximum aus ihrem München-Debüt herauszuholen.

Todsünde 8
Auf Sturm
Unzucht
Deine Zeit läuft ab
Der letzte Tanz
Engel der Vernichtung


Nicht immer sind aller guten Dinge drei: Zumindest nicht im Hinblick auf Konzerte der St. Paulianer Newcomer LORD OF THE LOST, die im Rahmen des Dark End Festivals ihre dritte Show in München im Jahr 2012 spielten. Im Vergleich zu den Supportgigs für Eisbrecher und die Letzte Instanz fiel der Show der Nordlichter dieses Mal kürzer aus. Und das war gut so. Einerseits mussten die Metaler krankheitsbedingt auf Multiinstrumentalist Gared Dirge verzichten, andererseits merkte man besonders Sänger Chris Harms die harten Tourpläne der letzten Monate an. So verzichtete der Frontmann fast gänzlich auf seine Ansagen und versuchte so scheinbar, seine Stimme zu schonen. Dieser fehlte an jenem Dezemberabend jegliche Power und so verliefen sich LORD OF THE LOST trotz bekannter Livehits wie dem Amy Macdonald-Cover „This Is The Life“ und der Eigenkomposition „Sex On Legs“ in einer Art musikalischem Einerlei. Der Mix aus Hart und Zart war zwar einerseits besser abgemischt als bei den letzten beiden Shows in München, doch sorgte andererseits für weit weniger Stimmung. Da reichte auch der nackte Oberkörper von Bassist Class Grenayde nicht, um diese musikalischen Mängel zu kompensieren. Lediglich mit seiner neuen Gitarre konnte Chris Harms einige wenige spielerische Akzente setzen, die wiederum unter technischen Problemen litten. Ein unglücklicher Abend für die Nordlichter.

Die Tomorrow
Black Lolita
This Is The Life (Amy Macdonald-Cover)
Blood For Blood
Sex On Legs
Break Your Heart / Prologue
Dry The Rain
Credo

Und auch MEGAHERZ taten sich anschließend trotz Heimatverbundenheit von Sänger Lex sichtbar schwer. Es hatte sich eine gewisse Lethargie im Backstage Werk eingestellt und diese erwies sich sowohl für die Semi-Headliner als auch später für Mono Inc. als wenig förderlich. Dabei fingen die Lokalmatadore vielversprechend an, indem sie die richtigen Rückschlüsse aus ihrer diesjährigen München-Show zogen: Beim Opener „Jagdzeit“, der Single vom aktuellen Album „Götterdämmerung“, stand nun nicht die bandeigene Mercherin zum Vollplayback auf der Bühne, sondern eine Sängerin namens Kayla. Außerdem legten MEGAHERZ mit „Heuchler“ ein starkes Deutschrock-Brett nach, welches im März an gleicher Stelle im letzten Drittel der Show noch eine der stärksten Nummern darstellte.
Abgesehen von der Songauswahl bzw. -reihenfolge haben die Szeneveteranen an ihrer Optik gefeilt: Zwar fehlte der musikalische Bezug zu Clowns und Harlekins vollkommen, doch Lex und Co. traten entsprechend geschminkt vor die Menge. Unbedingt nötig ist diese Verkleidung nicht, besonders für den Sänger. Dieser gibt sich gewohnt agil und gut gelaunt, sang sich im weißen Jackett gekleidet stark durch „Mann im Mond“ und überzeugte auch bei „Herz aus Stein“. Nur bei „Kopfschuss“ fehlte ein wenig die Intensität früherer Tage. Gleiches galt für den neuen Song „Gegen den Wind“, welcher arg glatt und charttauglich klang. Und so wurde am Ende nicht nur durch das abschließende „Miststück“ deutlich, warum ehemalige Bandmitglieder mit ihren neuen Projekten inzwischen zwei bis drei Stufen in der Nahrungskette über den Urvätern der Deutschen Härte (egal, ob neu oder alt) stehen. Im direkten Vergleich mit Eisbrecher ziehen Megaherz inzwischen deutlich den Kürzeren.

Intro
Jagdzeit
Heuchler
Beiß mich
Heute Nacht
Mann im Mond
Dein Herz schlägt
Kopfschuss
Abendstern
Herz aus Stein
5. März
Gott sein
Gegen den Wind
Miststück

Nach einem bis dato ereignisarmen Abend waren die Voraussetzungen für MONO INC. zumindest so, dass eine ansprechende Headliner-Show deutlich gemacht hätte, warum die Hamburger inzwischen dort stehen, wo sie nach mehreren Jahren unerüblichen Treibens angekommen sind. Es lebe der Konjunktiv, denn die Monos machten genau dort weiter, wo die drei Bands zuvor aufgehört hatten – nur mit Videowänden und kleineren Einspielern.
Der Jahresabschluss des Quartetts war eben genau das – ein Rückblick auf 2012. Und so gestaltete sich die Setliste größtenteils mit Songs von der aktuellen Veröffentlichung „After The War“. Echte Granaten der ersten Headliner-Tour 2010 wie z.B. „Euthanasia“ und „This Is The Day“ fehlten vollends. Auch auf die gelungene Bush-Adaptation von „Comedown“ wartete man vergebens. Und so demonstrierte die Show, wo MONO INC. zwei Jahre nach ihrem Durchbruch spätestens mit „After The War“ angekommen sind: bei musikalisch stromlinienförmig aufgebautem Darkrock, bei dem inzwischen auch die Bühnenshow größtenteils ohne Überraschungsmomente auskommt. Statt dessen wirkte es so, als ob Martin Engler, Katha Mia, Carl Fornia und Marc Antoni nur mehr von Stadt zu Stadt tingeln, um dort ihr jeweiliges Standardprogramm zu absolvieren und lediglich in den Ansagen den jeweiligen Veranstaltungsort einzusetzen. Zudem fehlte es sowohl an den Instrumenten als auch am Gesang an mitreißender Energie. Wohl ein Tribut, den die letzten Jahre voller Tourneen, Festivals und Albenproduktionen bei MONO INC. genauso erforderten wie bei Lord of the Lost.


Qualitativ gab es abseits der sterilen Eintönigkeit und der Abnutzungserscheinungen wenig auszusetzen: Eine gewisse Eingängigkeit und Melodik besitzen besonders die älteren Stücke wie „Gothic Queen“ , „Symphony of Pain“ und „Get Some Sleep“. Bei Ersterem verteilte Martin, der als einziger den Steg in die Menge nutzte (oder nutzen durfte?), neuerdings Handküsschen an die Damen in den ersten Reihen. Eine nette Geste, wenngleich auch passend zu den „neuen Mono Inc.“. Gleiches galt für die Flammen auf den drei Videoleinwänden bei „Viva Hades“ oder den Bildern von verstorbenen Musikern bei „In My Heart“. Gerne könnte der Hamburger Vierer auf jene Gimmicks verzichten, so die musikalische Ausgestaltung dafür wieder ein breiteres Spektrum abdeckt und die Bühnenshow nicht wie choreografierte Massenware wirkt.
Wie dies aussehen könnte, bewiesen MONO INC. am Ende. Da nahm Martin Engler alleine am Piano Platz und erzählte charismatisch wie unterhaltsam vom vergangenen Jahr, bevor er eine neue Facette seines zweifelsfrei vorhandenen Talents bewies. Dazu gab es vom Iggy Pop-Klassiker „The Passenger“ dieses Mal eine Plugged-Version mit Martin an der E-Gitarre. Die akustische Einlage hat ihren Zenit inzwischen überschritten. Und so wie der Frontmann es bei dieser Nummer erkannt hat, so sollte es die gesamte Band bei ihrer musikalischen Ausrichtung tun. Schließlich bestehen Mono Inc. nicht nur aus dem Jahr 2012, selbst wenn man dies nach jener Show meinen könnte.

My Worst Enemy
Grown
Symphony Of Pain
Gothic Queen
Forgiven
Viva Hades
Tired Of The Day
Temple Of The Torn
Arabia
In My Heart
In The End
Revenge
After The War
Get Some Sleep
From The Ashes
The Passenger (Iggy Pop-Cover)
Voices Of Doom

Letztlich glich der 27. Dezember 2012 sehr dem 21. Dezember 2012: Viel Lärm um nichts bzw. wenig. Lord Of The Lost müssen zusammen mit Unzucht auf ihrer Headliner-Tour 2013 u.a. wieder in München beweisen, dass mit ihnen auch zukünftig zu rechnen sein darf. Die Vorzeichen sind besonders im Hinblick auf den Zustand der Musiker dabei mehr als ungünstig. Die letzten Jahre gingen alles andere als spurlos an Chris Harms und Co. vorbei. Mit Unzucht haben die Hamburger ihre legitimen Erben im Gepäck, denen hoffentlich ein ähnliches Schicksal wie LOTL und Mono Inc. erspart bleibt. Die beiden Hamburger Combos sind inzwischen omnipräsent, gesundheitlich in einem fragwürdigen Zustand und musikalisch bei weitem nicht mehr so frisch wie in ihrer Anfangszeit. Ein gefährliches Gesamtkonstrukt, besonders mittel- bis langfristig. Aber genau das scheinen die Schattenseiten des Musikgeschäfts anno 2012 zu sein: Es gibt für jede Band genau eine Chance, die diese auf Gedeih und Verderb nutzen muss. Und im Hinblick auf das DARK END haben Mono Inc. diese Chance für ihr eigenes Festival zumindest in München vergeigt. Dafür verlief der Abend zu sehr nach Schema F ohne nennenswerte Highlights.

Publiziert am von und Uschi Joas

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