Konzertbericht: Deine Lakaien /w Veljanov, Helium Vola

02.05.2019 München, Alte Kongresshalle

Nach der Tour ist vor der Tour. Diese alte Musikerweisheit beherzen dieses Jahr auch DEINE LAKAIEN. Kurz nach ihrer „XXX“-Tour schmiedeten Ernst Horn und Alexander Veljanov bereits neue Konzertpläne. Am Ende kam das neue Tour-Projekt „Acoustica“ heraus, dessen Konzept (und wohl auch Name) auf den wohlbekannten „Acoustic“-Konzerten der Bühnenveteranen beruht: An einem Abend vereinen sich drei Projekte zu drei Konzerten und damit zu einem kleinen Festival. Neben DEINE LAKAIEN zählen VELJANOV und HELIUM VOLA zum Line-Up.

Prägend für den gesamten Abend ist das Bild von Ernst Horn am Steinway-Klavier. Zusammen mit Sängerin Sabine Lutzenberger eröffnet er das kleine Festival mit dem gemeinsamen Projekt HELIUM VOLA. Bereits der Beginn mit „A Voi Che Amate“ und „Saber d’Amor“ verrät, dass sich das Programm an ein Auditorium richtet, das zum Zuhören in die Alte Kongresshalle gekommen ist. Die Songlänge, die verschiedenen Sprachen der Texte und auch die instrumentale Ausgestaltung bilden eine Einheit, die von der hervorragend ausgebildeten Stimme von Sabine zum Leben erweckt wird – aber eben durchaus anspruchsvoll über die Boxen dringt. Das Fundament liefert stets Ernst am Klavier, der die Saiten seines Instruments auch gerne einmal mit verschiedenen Gegenständen bearbeitet, um die für ihn nötigen Klangfarben zu generieren. Vereinzelt trägt er den Auftritt auch alleine, ganz ohne stimmliche Begleitung – jeder Ton wirkt dabei handverlesen und jede Handbewegung an der richtigen Stelle. Am Ende nimmt die Show mit dem Szene-Hit „Selig“ aus dem 2009er Vorzeigewerk „Für Euch, die ihr liebt“ etwas mehr Fahrt auf, ehe Alexander Veljanov die Bühne betritt und somit fließend in die nächste Band überleitet. Sabine bleibt anfangs noch für ein hervorragendes Duett erhalten, ehe auch Ernst Horn eine kleine Pause einlegt und die zweite Hälfte von DEINE LAKAIEN übernimmt.

Mit VELJANOV legt Alexander furios los: „Lied für Annabel Lee“, seine Interpretation der Edgar-Allan-Poe-Vorlage, gerät episch mit inniglich-intensiver Gänsehautgarantie. Keine Frage, der Mann mit der extravaganten Frisur und der einzigartigen Stimme funktioniert auch ohne seinen kongenialen Partner. Das beweist er im weiteren Verlauf besonders mit „Fly Away“ und „Nie mehr“. Das Bühnenlicht und die Reflektionen der Scheinwerfer auf den Instrumenten scheinen nicht immer zu VELJANOVs Zufriedenheit zu sein, so hält er sich des öfteren die Hand schützend über die eigenen Augen. Eine Sorge, die er alleine tragen muss, denn die Akustik für die anwesenden Gäste ist hervorragend. Zu den Höhepunkten von VELJANOVs Auftritt zählen primär jene Momente, in denen seine Stimme exponiert im Vordergrund steht. Kompositorisch bewegt sich das Trio im akustischen Gewand irgendwann in einem gewissen Korridor, aus dem es selten ausbricht und dessen Korsett zu eng geschnürt ist. Ab und an fehlen im Klangkosmos von VELJANOV die dicken Streicherarrangements, die Riffs und die Gothic-Fragmente. Doch auch wenn der mazedonische Vokalist akustisch reduziert beispielsweise über ein Dorf an einem Fluss singt, hinterlässt das Eindruck. Dafür ist sein Organ zu einmalig und wandelbar. Nach der VELJANOV-Show gönnen DEINE LAKAIEN ihren Gästen dennoch eine kurze Verschnaufpause.

Frisch erholt beginnen DEINE LAKAIEN anschließend ihre ganz eigene Zeitreise: Ähnlich wie „XXX. The 30 Years Retrospective“ führt „Acoustica“ durch die verschiedenen Epochen der Bandgeschichte. Die Songzusammenstellung reicht von „Follow Me“ und „The Game“ bis in die tiefste Vergangenheit des Duos mit „My Decision“ und „Down Down Down“ – zweifelsfrei zwei Highlights des gesamten Auftritts. Insgesamt verbindet der Auftritt die größten Stärken der vergangenen Stunden, denn erst im Zusammenspiel mit Ernst Horn kommt Alexander Veljanov mit seiner Stimme vollends zur Geltung. Altbekannte Klassiker wie „Over And Done“ beweisen das ebenso wie seltene Perlen wie „2nd Sun“, das es bis heute nie auf ein Studioalbum geschafft hat. Vergeblich wartet das Publikum an diesem Abend auf „Love Me To The End“. Dafür entschädigen die beiden Hauptdarsteller allerdings mit einer starken Performance, im Rahmen derer sie als eingespieltes Team aus einem Fundus von über 20 Jahren gemeinsamer Akustikabende schöpfen. Immer wieder geben sie sich gegenseitig Raum, so dass sich Alexander teils von der Bühne abwendet und Ernst sich einzig und allein seinem Spiel widmet. Nur selten tritt der Sänger zum Klavier seines Partners oder an den Bühnenrand, meist agieren sie räumlich getrennt und doch als stets funktionale Einheit. Alexander lehnt sich später mehrfach beinahe entspannt auf seinen Mikrofonständer, wohlwissend, dass er stimmlich in besten Händen ist. Auch ohne Streicher und elektronische Elemente erreichen DEINE LAKAIEN eine Tiefe mit ihren Kompositionen, die als derartiges Kleinod immer mehr zu einer Rarität werden. Am Ende betreten Sabine und die übrigen Musiker von VELJANOV nochmals die Bühne, um den Abend gemeinsam mit „Nuestras Vidas“ ausklingen zu lassen – mit Ernst Horn am Kofferharmonium.

Im Dreiergespann holen DEINE LAKAIEN, VELJANOV und HELIUM VOLA aus ihrer Musik im akustischen Gewand annähernd das Maximum heraus. Stilistisch passen die unterschiedlichen Projekte hervorragend zusammen, sodass gemeinsame Auftritte und neue Kooperationen Brücken schlagen und den knapp dreistündigen Abend bereichern. Nach der „XXX“-Tour im vergangenen Jahr haben Ernst Horn und Alexander Veljanov nun auch in einer akustischen Reprise bewiesen, wie reichhaltig und vielfältig ihr gemeinsamer musikalischer Schatz ist – und dass ihm mehr als nur eine Facette wahnsinnig gut zu Gesicht steht.

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