Konzertbericht: Rock meets Classic

02.04.2017 München, Olympiahalle

Das ROCK MEETS CLASSIC-Konzept ist inzwischen hinlänglich bekannt: Rund eine halbe Million Besucher sind in den letzten acht Jahren in fünf Ländern zu Gast gewesen, auch in der Olympiahalle zählen viele der Anwesenden in diesem Jahr gefühlt zum Stammpublikum des jährlichen Schaulaufens unterschiedlicher Rockgrößen. Gleiches gilt für Mat Sinner mit seiner Band sowie das Bohemian Symphony Orchestra aus Prag. Zusammen feiern sie alle eine rund dreistündige Show, die die bekannten Vorzüge und auch die inzwischen nennenswerten Wermutstropfen des Konzepts darlegt.

Eine bunt gemischte Menge in der abgehängten, dafür gut gefüllten Olympiahalle stimmt direkt zu Beginn bei „Rockin All Over The World“ ein, welches bravourös von Sascha Krebs intoniert wird. Dieser zählt ebenfalls zu den Säulen des rockig-klassischen Konzepts und erobert immer dann das vordere Ende der Bühne, wenn gerade keine der Rocklegenden dort zu finden ist. Der Opener ist 2017 ein gelungenes Tribut an die kürzlich verstorbenen Rick Parfitt (Status Quo) und John Wetton, abgeschlossen von zehn auf Triangel angestimmten Glockenschlägen.

Die Moderation des Abends übernimmt erneut Mat Sinner höchstpersönlich, der den Lesern dieser Seite unter anderem aus Bands wie Primar Fear bekannt sein dürfte. Wie gewohnt begrüßt der Vollblutmusiker ein rund 40-köpfiges Orchester, einen Chor sowie der Reihe nach die ausgewählten Gäste bei sich auf der Bühne. Die ersten beiden Musiker kommen im Doppelpack: BOB CATLEY und TONY CLARKIN von Magnum. Die britischen Progrocker gelangten in den 80ern und 90ern zu Berühmtheit, blieben allerdings nicht nur hierzulande ohne einen großen Hit. Demnach wird bereits sehr früh deutlich, worin die Stärken von Rock meets Classic liegen, genauer gesagt im Rock. Gitarren, Bass und Schlagzeug prägen den Sound, das Orchester ist bestenfalls für einzelne Akzente gut, wie die Streicher in „Vigilante“. Die beiden Magnum-Mitglieder geben ordentlich Gas, ehe es zu „When The World Comes Down“ deutlich ruhiger wird. Insgesamt ein solider Auftakt.

2014 avancierten MICK BOX und BERNIE SHAW von Uriah Heep zu den heimlichen Stars des Abends und gleichzeitig zu den Publikumslieblingen. Etwas überraschend tritt das bestens aufgelegte Duo bereits als zweiter Act vor die Menge. SHAW wendet sich größtenteils in gutem Deutsch an die Gäste in der bayerischen Landeshauptstadt und erobert während „Easy Living“ im wahrsten Sinne des Wortes die Bühne. Nach „July Morning“ kulminiert der Auftritt der beiden Rocker in „Lady in Black“, dem ersten Stimmungshighlight des Abends. Die dazu einsetzende Mischung aus kleinen Feuerfontänen und Dampfsäulen wirkt grotesk, tut aber der musikalischen Qualität keinen Abbruch. Diese Qualität führt das Prager Orchester anschließend in Eigenregie mit dem James-Bond-Klassiker „Skyfall“ weiter. Einzig die Abmischung der Querflöte fällt im Vergleich zu den Streichern deutlich ab.

Die obligatorische Pause rahmt 2017 Special Guest RICK SPRINGFIELD ein. Der Gitarrist, Sänger und Schauspieler leidet unter dem schlechtesten Sound des Abends, rettet aber einiges durch seine Agilität und Entertainer-Qualitäten („I tend to fuck up things“ – O-Ton). Mit „Celebrate Youth“, „Love Somebody“ und dem Rausschmeißer „Jessie’s Girl“ hat der US-Amerikaner genügend Hit-Power für seinen Auftritt. Das scheint ihm jedoch nicht zu genügen, denn nach der Pause bahnt er sich den Weg in die Menge und geht auf Tuchfühlung mit seinen Anhängern. Besonders die Damenwelt liegt Springfield anschließend zu Füßen, alle anderen hätten sich lediglich eine erträglichere Akustik gewünscht. Die Unterhaltung und Show stimmt jedenfalls, wenngleich erneut das Orchester keine wirkliche Daseinsberechtigung in diesem Teil besitzt.

Apropos Orchester: Zusammen mit dem Chor-Quintett überzeugen die Prager Musiker bei einem Bon-Jovi-Medley, vom akustischen „Living On A Prayer“ bis hin zum rockigen „It’s My Life“. Diese Einlage ebnet den Weg für Toto-Gründungsmitglied STEVE LUKATHER. Dessen Gitarrenarbeit steht bei „Child’s Anthem“ und im Verlaufe des weiteren Auftritts klar im Vordergrund. Die hohen Töne bei „Africa“ überlässt LUKATHER dem Chor. Eine kluge Wahl, konzentriert er sich dadurch vermehrt auf seine hervorragenden handwerklichen Fertigkeiten. Mit „Little Wing“ wird der Mann mit der prägnanten Haarpracht verhältnismäßig experimentell, abseits bekannter Radiohits. In „Hold The Line“ bildet wiederum Sängerin Tiffany das stimmgewaltige Gegenstück zum Toto-Vertreter. Alles in allem dürfte STEVE LUKATHER der Gewinner des Abends gewesen sein, nutzt er doch alle Gegebenheiten zu seinem Vorteil. Seine Rock-meets-Classic-Erfahrung ist dabei sicherlich von Vorteil gewesen.

Mit einem wenig kreativen, dafür inspirierten Mozart-Medley leitet das Orchester das große Finale des Abends ein: DON FELDER, ehemaliger Leadgitarrist bei den Eagles und Mitglied der Rock & Roll Hall-of-Fame, darf als letzter Act auf die Bühne. Seine Songauswahl mit „Already Gone“, „Heartache Tonight“ und „Life In The Fastline“ ist mehr etwas für Rockpuristen. So kehrt erst zu „Hotel California“ echte Stimmung ins Publikum zurück, dafür dann aber richtig. Zu stehenden Ovationen regnet es schließlich Konfetti und als krönenden Abschluss vertonen alle Instrumentalisten und Vokalisten zusammen den Klassiker „Take It Easy“.

„Nimm’s leicht“ als Motto des Abends erscheint ebenso passend und stimmig wie der Abschlusssong. Rock-Anhänger aus den 70ern und 80ern kommen voll auf ihre Kosten, allen anderen wird es bei der x-ten Kombination aus Gitarre, Gesang und Schlagzeug – trotz aller Hits – früher oder später an Abwechslung fehlen. Dafür ist die Klassik im Rock zu unterrepräsentiert und auf sich allein gestellt wenig prägend für den gesamten Abend. Dieser lebt von seinen Rocklegenden (dem eigentlich passenden Showtitel) und einem erstklassigen Chor, wenngleich sich das Konzept in seiner jetzigen Form mehr an das klassische Radiopublikum und (Alt-)Rocker richtet, die die Helden ihrer Jugend noch einmal live sehen wollen. Für Klassikliebhaber gibt es hingegen unter dem Strich wenig bis nichts zu holen. 

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