Konzertbericht: Scooter w/ DJ Micar

28.02.2016 München, Zenith

Scooter_Logo.svgHow much is the millenium? Move your fish! Faster, Hyper, Scooter! Oder so. Als der Legende nach der gesanglich übersichtlich talentierte Hans Peter Geerdes alias HP Baxxter vor rund 20 Jahren die Band Scooter gründete, um seine musikalische Karriere nicht direkt beerdigen zu müssen, hätte er wohl kaum gedacht, dass er vermutlich bis ans Ende der Zeit stumpfsinnige Texte unterlegt mit Rave- und Technobeats zum Besten geben wird. Am Ende verhält es sich bei Scooter aber ähnlich wie bei Santiano und Helene Fischer: Es muss nicht kompliziert oder gar anspruchsvoll sein, um zu funktionieren.

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Den Anfang macht allerdings erst einmal DJ MICAR mit einem 45-minütigen DJ-Set, das sich lediglich handwerklich betrachtet als gute Idee entpuppt. Sobald der werte DJ allerdings nicht seinen Kopfhörer hinter’s Ohr klemmt oder an seinen Reglern spielt und dafür den Mund aufmacht, erreicht die Show schnell das Niveau eines Michael Wendler und vergleichbarer Gestalten der Unterhaltungsmusik: Geil ist es, geil ist alles. München das beste Publikum, sowieso. Fett, fett, wirklich FETT! Und so weiter und so fort. Am Ende hätte eine herkömmliche CD oder Playlist den brauchbaren Anteil des Auftritts problemlos ersetzt und manch einem viele Nerven mit dem anstrengenden Einpeitscher im besten Ballermann-Stil erspart.

Passenderweise trägt die aktuelle SCOOTER-Tour den Namen „Can’t Stop The Hardcore“, und rund 5000 Menschen finden den Weg in das als Akustikruine verschrieene Zenith im Norden Münchens. Vermutlich hätten schon die letzten Tourneen unter diesem Motto stehen können – oder die nächsten zehn. So richtig wichtig ist der Name nicht, ebensowenig wie das neue Scooter-Album namens „Ace“, das lediglich die Fülle an bekannten Radioohrwürmern ausschmückt. Zu einem Intro, in dem u.a. die Orffsche „Carmina Burana“ verwurstet bzw. zweckentfremdet wird, betreten die drei Technoveteranen unter lautem Applaus die Bühne, um direkt – unterstützt von den wabernden Plastikfiguren ohne Namen – mit ihrem aktuellen Gassenhauer „Oi“ loszulegen, der zündet wie die vielzitierte Stimmungsgranate. Vielleicht literarisch dämlich, aber ansteckend und unverschämt eingängig. Und München bewegt sich, während der Tontechniker alles gibt, um die Akustik überraschend anständig in der Halle zu verteilen. Es dauert nicht lange, bis Scooter mit „One (Always Hardcore)“, „Weekend!“ und dem unvermeidlichen „How Much Is The Fish?“ (oder doch der Langkornreis?) das erste Mal in die gut gefüllten Archive greifen, um der Menge noch mehr Ekstase zu entlocken. Ob Metalhead oder Helene Fischer-Fan, es macht einfach irgendwie Spaß. J’adore Hardcore – im wahrsten Sinne des Wortes. Überraschenderweise folgt auch jene Hymne an die kollektive Tanzhysterie umgehend. Mist – wieder ein Ohrwurm.


Zu sehen gibt es neben einigen lauten Feuerwerken auch diverse Tänzerinnen und Tänzer, die in wechselnden Aufmachungen über die Bühne hüpfen und dabei eine sehr ansehnliche Figur machen, besonders bei „Bigroom Blitz“. Gleiches gilt für H.P. Baxxter, der als Frontmann oft den vorderen Bühnenrand ansteuert und sein Handwerk sichtlich versteht. Auf den Gesang muss er sich glücklicherweise nur am Rande konzentrieren, lediglich beim Status-Quo-Cover „Jump That Rock (Whatever You Want)“ oder der Peter-Maffay-Hommage „Nessaja“ läuft dieser gefühlt nicht zwangsläufig von selbst mit.
Nur selten wird es wie bei „Marian“ etwas ruhiger und der Tanzmarathon kommt kurzzeitig zum Erliegen. Mit jenem Song huldigt HP seinem Faible für langsamen Gothic-Wave, den er so gerne zu seiner Profession gemacht hätte. Warum dies nicht der Fall ist und die Posse auf dem Floor lieber nach Maria verlangt, erfährt er umgehend. Gothen-Techno begeistert dann doch nicht den durchschnittlichen Scooter-Konzertbesucher, dem gerne auch „Döp!“ und „Öp!“ zum Mitgröhlen auf die Leinwand projiziert wird. Falls es irgendwer tatsächlich noch nicht kannte oder sich immer einmal gefragt hat, was da im Refrain wohl Bedeutungsschwangeres gesagt wird.
Im letzten Drittel verwursten Scooter dann quasi ihre eigene Resterampe (minus „I’m raving“) zu einem Medley. Fraglich, ob der Mehrheit überhaupt aufgefallen ist, dass mehr als nur ein Song gespielt wurde. Zwar lebt ein gutes Medley davon, dass die Übergänge zwischen den einzelnen Teilen fließend sind – aber nicht unbedingt so fließend. So tritt nach über einer Stunde doch irgendwann etwas Ernüchterung ein. Kann das wirklich alles sein? Kurzum, ja.

Im Zugabenblock feuern Scooter mit „Fire“ und ordentlich Feuerwerk noch einmal aus alles Rohren, ehe „Hyper Hyper“ mit „Move Your Ass“ vermengt den Abend beendet. WICKED! Trotz oder vielmehr wegen allem ist der Hardcore scheinbar wirklich nicht zu stoppen wie es die Tour vollmundig verspricht – selbst wenn die Band mit ihrem am Ende angestimmten Publikumschor „Oi, oi, oi, fucking Oi!“ vermutlich alles passend zusammenfasst und gleichzeitig alles gesagt ist. Ach, eins noch: Lasst beim nächsten Mal den DJ am besten daheim oder auf Malle! Da passt er dann deutlich besser hin, eben weil er nicht Scooter ist.

Alle Fotos mit freundlicher Genehmigung von:
Manuel „Apes“ Miksche / http://www.apesmetal.com (dort findet ihr auch die vollständige Galerie!)

 

 

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