Das Cover von "Cycles Of Pain" von Angra

Review Angra – Cycles Of Pain

Power Metal steht in Brasilien seit jeher hoch im Kurs und so hat das Land natürlich manche Formation hervorgebracht, die sich in ebenjenem Genre einen Namen gemacht hat. Allen voran haben es dabei die aus São Paulo stammenden ANGRA zu weltweiter Berühmtheit geschafft, war die Band doch im ersten Jahrzehnt Wirkungsstätte des leider verstorbenen Ausnahmesängers Andre Matos und brachte mit dem heute bei Megadeth beschäftigten Kiko Loureiro obendrein einen international gefeierten Gitarrenhelden hervor. 30 Jahre später ist nur noch Gitarrist Rafael Bittencourt aus der ursprünglichen ANGRA-Besetzung übrig, weshalb auf ihrem neuen Album „Cycles Of Pain“ eine vollkommen andere Band zu hören ist.

Ähnlich wie ihre finnischen Kollegen Stratovarius haben sich auch ANGRA über die Jahre vom reinen Power Metal hin zu progressiverer Musik entwickelt – damit mag die Truppe manche Fans der ersten Stunde verprellt und neue hinzugewonnen haben, rein aus Musikersicht ist die Entwicklung allerdings verständlich, denn schließlich will man ja kreativ nicht auf der Stelle treten. Auf „Cycles Of Pain“ dürften nun Fans beider Seiten der Brasilianer auf ihre Kosten kommen, denn die Truppe macht auf ihrem neuen Album zwar noch immer keinerlei Hehl aus ihrer Freude an ebenso komplexen wie verspielten Arrangements, ist mitunter aber auch überraschend heavy und old school unterwegs.

Heavy und old school beschreibt den Einstieg in „Cycles Of Pain“ sogar ziemlich treffend, denn die sakralen Orgelklänge und Orff-inspirierten Chöre des Intros münden mit „Ride Into The Storm“ in einen traditionsbewussten Power-Metal-Song, der im Refrain gar an alte Helloween erinnert. Ganz ähnlich verhält es sich auch mit Nummern wie „Generation Warriors“ oder „Gods Of The World“, die mit druckvollen Riffs und singbaren Melodien deutlich machen, dass ANGRA sich noch immer als Power-Metal-Band verstehen. Der progressive Anteil ihrer Musik beschränkt sich hier auf die Solo- und Instrumentalparts, in denen die Band gerne aus den bekannten Strukturen ausbricht – allerdings nie so weit, dass es zu verkopft werden könnte.

Dem stehen auf „Cycles Of Pain“ Titel wie „Dead Man On Display“, „Faithless Sanctuary“ oder das Sting-mäßige „Here In The Now“ gegenüber. Hier leben ANGRA ihre Kreativität in oftmals leichtfüßigen und komplexen Songs aus, die allesamt unter dem Oberbegriff Progressive Metal zusammengefasst werden können – das bedarf gewiss einer gesteigerten Aufmerksamkeit beim Zuhören, allerdings verlieren sich die Brasilianer nie in zu vertrackten Kompositionen, sondern bieten stets einen roten Faden, dem man folgen kann. Gerade ruhigeren Songs wie dem balladesken Titeltrack kommt dies anspruchsvolle Songwriting extrem zugute, denn so gerät der Song anders als viele ähnliche Nummern anderer Bands weder vorhersehbar noch plakativ.

Wer nach astreinem Power Metal der alten Schule sucht, sollte besser ein altes ANGRA-Album oder vielleicht eine ganz andere Band hören, denn die Mannschaft aus São Paulo hat derlei stilistische Einschränkungen schon lange hinter sich gelassen. Auf „Cycles Of Pain“ stellen die Brasilianer enormes kompositorisches Geschick zur Schau und zeigen, dass sie hohen musikalischen Anspruch (scheinbar) mühelos mit den Gepflogenheiten des klassischen Power Metal verbinden können. Das Resultat ist ein zeitgemäßes, druckvolles und stets melodiöses Metal-Album, das im Kern in ANGRAs ursprünglichem Genre zu verorten ist und gleichzeitig eine Vielzahl an positiven Überraschungen bereithält. Sehr viel besser lässt sich der Spagat zwischen Tradition und Fortschritt wahrscheinlich nicht umsetzen.

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Wertung: 8.5 / 10

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