Review Angur – Hôrt Mîn Sagen

ANGUR ist eine junge Band aus Bingen am Rhein die sich dem Viking/Pagan Metal verschrieben hat. Mit „Hôrt Mîn Sagen“ veröffentlicht das Quintett nun in Eigenregie sein Debutalbum, auf welchem nicht die übliche nordische Mythologie, sondern in erster Linie Teile des Nibelungenliedes vertont werden. Wem hier sofort die Österreicher von Siegfried in den Sinn kommen, kann getrost weiterlesen, ANGUR gehen deutlich hochwertiger ans Werk.

Das Titelstück startet noch recht beschaulich mit starkem Folkanteil, schönem Drehleierspiel und rauer Sprache und dreht dann mit zunehmender Spielzeit richtig auf. Parallelen zu Equilibrium und ihrem stark vom Black Metal beeinflussten Viking Metal können – auch auf Grund der gekeiften deutschen Sprache – nicht geleugnet werden. ANGUR begehen aber nicht den Fehler ihre Musik mit Keyboardteppichen zuzukleistern, sondern schaffen mit dem bewussten Einsatz von genretypischen Instrumenten eine schöne Atmosphäre, die besonders in instrumentalen Zwischenteilen auch mancher Mittelalterband gut zu Gesicht stehen würde. Gegen Ende des Titelstückes versuchen sich ANGUR leider noch am zweistimmigen Klargesang, besonders Jessica Lynn-Rhodes macht dabei keine sehr gute Figur. Der im direkten Anschluss gesprochene Part bügelt zwar einiges wieder aus, offenbart aber auch den leider etwas dünnen Schlagzeugklang. „Hôrt Mîn Sagen“ ist mit seinen über sechs Minuten ein starker und abwechslungsreicher Eröffnungstrack geworden, der gegen Ende einen kleinen Aussetzer hat, vom nachfolgenden „Hagen von Tronje“ aber nochmal überboten wird. Hier fahren ANGUR zwar leider den Folkanteil etwas zurück, legen dafür an Aggressivität aber nochmal eine ganze Schippe drauf und überzeugen durch verschiedene Tempowechsel. Der auch hier eingesetzte Klargesang am Ende ist glücklicherweise dezent hinter die Musik gemischt und stört so nicht weiter.

Die folgenden Stücke können das hohe Niveau, welches die beiden Eröffnungstracks vorlegen, häufig halten. Immer wieder schaffen es ANGUR, ihre Musik durch Tempo- und Teilwechsel interessant zu gestalten und trotzdem mitsingtaugliche Refrains zu bieten. Der Klargesang, besonders der von Jessica Lynne-Rhodes, die sich bei „Zweier Brüder tödlich Zwist“ auch noch alleine versucht, kann aber leider über das gesamte Album so gar nicht überzeugen. Auch „Die Vogelweissagung“ ist ein „schönes“ Beispiel dafür, wie die Band hinter ihrem Potential bleibt: Ein sehr schöner, ruhiger Beginn mit Gitarren und Flötenspiel (natürlich echt und nicht aus der Konserve) leitet das Stück ein. Der einsetzende Oliver Glaser kann mit dem instrumentalen Niveau gesanglich fast noch mithalten (auch wenn der gute Mann die Kraft und das Volumen seiner Stimme in den harten Teilen viel besser zur Geltung bringen kann), doch im Duett mit Jessica und auch später zu den harten Gitarren wird leider viel von der Atmosphäre durch die mittelmäßige Gesangsleistung zunichte gemacht.

Wenn man bedenkt, dass es sich bei „Hôrt Mîn Sagen“ um das Debut einer sehr jungen Band handelt, so überwiegen ganz klar die positiven Seiten. ANGUR schaffen es auf ihrem Erstlingswerk interessanten und abwechslungsreichen Viking Metal mit leichtem Black Metal Einschlag und vielseitiger Instrumentierung zu bieten. Ich bin mir sicher, dass der ein oder andere gesangliche Aussetzer mit etwas mehr Routine und/oder einer noch stärkeren Fokussierung auf die Stärker der einzelnen Mitglieder zu den ausmerzenbaren Kinderkrankheiten gehört. Schade für ANGUR, dass sie dieses Album nicht vor 8-10 Jahren veröffentlicht haben. In der damaligen Viking/Pagan Welle wären sie mit „Hôrt Mîn Sagen“ ganz sicher vorne mitgeschwommen. 2011 müssen sie wohl etwas stärker strampeln um die nötige Aufmerksamkeit zu bekommen, das Potential ist jedenfalls vorhanden.

Wertung: 7.5 / 10

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