Review apRon – Auf dem Ponyhof

(Crosscore) „Das Leben ist kein Ponyhof“ lautet ein geflügeltes Wort. Oder vielleicht doch? Die Crossover-Metaller APRON ziehen auf ihrem neuen Album „Auf dem Ponyhof“ jedenfalls alle Register, um ihren Hörern komplexe Inhalte mit gelungenen Sprachbildern mundgerecht zu servieren. Im Vergleich zum Vorgänger weicht die Härte ab und an der Melodik und verschiedenen Experimenten. Diese gelingen und offenbaren gestiegenen Variantenreichtum in der eigenen Klangwelt des Punchrock.

So direkt sich APRON mit ihrer musikalischen Ansprache oftmals in den Hörgang bohren, so komplex sind die Sprachbilder, die sie auf „Auf dem Ponyhof“ dafür heranziehen. Thematisch widmet sich das Quartett u.a. der Gleichschaltung von Individuen auf Datenbasis, Zwischenmenschlichem und auch dem Faktor Zeit in der Welt von heute. Doof geht es zu auf dem Ponyhof des Lebens, doch APRON wollen andere Wege beschreiten – und gehen diese mutig und konsequent. Anstatt simpel auf „Gefällt mir“ zu klicken, wählen die vier Musiker in „GFLLT MR NCHT MHR“ den umgekehrten Weg des Entlikens verschiedener Sachverhalte. Mit ordentlich Dampf im Kessel rattert Sänger Till Herence eine Menge Themen runter, die ihm eben nicht mehr gefallen – und APRON scheuen sich nicht vor klaren Bekenntnissen, u.a. politischer Natur (Frei.Wild, Böhse Onkelz) oder zum Zeitgeist (Two Girls One Up). Dem ersten Ohrwurm mit klarer Kante folgt mit „Mensch aus Glas“ direkt das zweite Albumhighlight ähnlicher Couleur. Wieder überzeugt besonders der Refrain und Songbau, mit einem Stilbruch am Ende inkl. Mitscream-Part. Das Licht geht an, das Licht geht aus, menschliche Nullen und Einsen geben im Binärmodus bereitwillig ihre Daten frei und am Ende bleibt nur eine Auswertung für den Überwachungsstaat bzw. Großkonzerne. Diese Kombination könnte die Menschen vielleicht eines Tages ihre Menschlichkeit kosten. Schwere Kost, mundgerecht serviert und mit klarer Botschaft garniert.

Bei gesellschaftlichen und politischen Themen gelingt den Süddeutschen dieser Spagat aus Unterhaltung und Anspruch besonders mit „Pinocchios Nasen-OP“ und dem bereits auf EP erhältlichen „In Cerebrum Cacatur“. Ersteres widmet sich – wie der Titel erahnen lässt – dem Phänomen des Lügens und den daraus resultierenden Konsequenzen: „Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht“ lautet das simple Mantra einer Komposition, die insgesamt am ehesten an den Vorgänger „Der Punch“ erinnert. In „Der Prokrastinator“ überrascht besonders der Jazz-Part in den Strophen, der alles andere als losgelöst vom (Core-)Rest des Songs ist. Die Quintessenz in diesem Fall lautet: „Tu es jetzt und nicht zu spät!“ So lässt sich beinahe jedes Stück entweder auf seine Essenz zusammenfassen oder in all seiner Breite durchleuchten.

Wem nach intensiven Analysen zwischenmenschlicher Bindungen ist, der wird speziell bei „Seiltanz“ und „Wenn der Damm bricht“ fündig. Bei diesem Duo hagelt es ein Riff- und Core-Gewitter, das den Gegenpol zum unterhaltenden Aspekt von „Auf dem Ponyhof“ bildet, qualitativ aber einen ähnlichen Level erreicht. Der „Seiltanz“ bringt besonders im Refrain das mögliche Ungleichgewicht im Verhältnis zweier Menschen herüber, während „Wenn der Damm bricht“ durch seine Samples anfangs an Gruppen wie AFI und Co. erinnert. Die Atmosphäre des Songs ist beklemmend, der Gesang fängt diese Stimmung mit einer wahnsinnigen Intensität ein und beides zusammen kulminiert am Ende des Stücks auf intensivste Weise.

Deutlich seichter kommt das launig-akustische „Alice D.“ daher, das APRON von einer ganz anderen Seite zeigt. Lediglich „Leinen los“ und besonders „Cockeriki“ halten auf Dauer nicht ganz den Level des gesamten Longplayers und „Jochbeinbruch“ (mit Farad Gang…) als Skit ist nicht mehr als ein netter, einmaliger Gag.

Wer APRON hört, hört APRON. Trotz manch simpler gestrickter Melodiefolge und leichter bekömmlichen Parts ist „Auf dem Ponyhof“ ein sehr intensives Album, das schwerlich als Nebenbeibeschallung dient. Diese Musik wollen die Münchner allerdings auch nicht zwangsläufig schreiben. So lohnt sich vor allem das Hinhören in voller Länge, sowohl bei den einzelnen Songs als auch beim Album als Gesamtes. In manchem C-Part wartet eine Überraschung und erst in all seiner Fülle beweist das Album die Fähigkeiten der Beteiligten. Drummer Medusa beherrscht seine Schießbude ebenso facettenreich wie Sänger Till sein Organ. Wer es gerne anspruchsvoll und hart braucht, dem besorgen APRON es auf ihrem Ponyhof richtig.

Wertung: 9 / 10

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