Avenged Sevenfold - Life Is But A Dream 2023

Review Avenged Sevenfold – Life Is But A Dream…

AVENGED SEVENFOLD hatten ein erfülltes Leben. Die gewundenen Pfade ihres Werdegangs führten die US-Amerikaner von unterschwellig ambitioniertem Metalcore („Waking The Fallen“) zu klassischem Heavy Metal („City Of Evil“), ohne jedoch in engstirnigem Konservatismus zu enden. Dabei scheute die Band nie davor zurück, ihr Publikum vor den Kopf zu stoßen – sei es mit einer theatralischen Musical-Nummer wie „A Little Piece Of Heaven“ („Avenged Sevenfold“) oder einem aus heiterem Himmel erschienenen Prog-Metal-Album mit Weltraumästhetik („The Stage“). Auch in Anbetracht ihrer bewegten Geschichte haben AVENGED SEVENFOLD mit „Life Is But A Dream…“ jedoch ihr bislang kontroversestes Werk veröffentlicht.

Bereits vorab ließen AVENGED SEVENFOLD keinen Zweifel daran, dass sie mit ihrer achten Platte etwas zutiefst Profundes schaffen wollten. Wes Langs kunstvoll-makaberes Artwork, das vom Philosophen Albert Camus und von seiner Erzählung „Der Fremde“ (sowie von psychoaktiven Substanzen) inspirierte Konzept und die Mitwirkung eines Orchesters brachten der Band eine Wagenladung an Vorschusslorbeeren ein. Die erste Single, „Nobody“, versetzte der Vorfreude jedoch einen abrupten Dämpfer und sorgte mit seinem dumpf surrenden Grundton und M. Shadows’ ungewöhnlich kraftloser Performance bei vielen für Verwirrung. Vor allem die zweite Auskopplung, „We Love You“, ein abstruser Mix aus anfänglichen Jazz-Allüren, brachialen Thrash-Exzessen, schwurbeligem, effektbeladenem Gesang und einem deplatzierten Country-Ausklang, ist rückblickend ein Vorbote des Debakels, als das „Life Is But A Dream…“ sich schließlich herausstellen würde.

Bei ihrem Versuch, über den Tellerrand ihres künstlerischen Wirkens zu schauen, haben AVENGED SEVENFOLD jegliche Konsistenz aus dem Fenster geworfen. Mal wird ein anmutiges Flamenco-Intro aus heiterem Himmel von brutalem Metal zerstört („Game Over“), mal kleistert die Band einen Song mit sphärischen Synthesizern oder Sounds zu, die an alte Nokia-Klingeltöne erinnern („Cosmic“). Verschrobene Autotune-Vocals („Easier“) treffen vereinzelt auf eher mittelmäßige Screams („Mattel“) und „Beautiful Morning“ schwankt ohne erkennbaren Grund zwischen schleppenden, bedrückenden und friedlichen, luftigen Parts.

So sonderbar die stilistischen Kombinationen, an denen AVENGED SEVENFOLD sich auf der Platte versuchen, auch erscheinen mögen, für sich genommen sind die einzelnen Bestandteile doch enttäuschend konventionell. Beispielhaft zeigt sich dies im funkigen „(O)rdinary“ – einem müden Abklatsch von Daftpunks „Get Lucky“, der ohne Pharrell Williams‘ geschmeidigen Gesang furchtbar leblos klingt.

Wie es scheint, haben AVENGED SEVENFOLD Camus‘ Philosophie des Absurden allzu wörtlich genommen: Nichts auf „Life Is But A Dream…“ ergibt Sinn. Anscheinend nur um der Skurrilität Willen springt die Band von Genre zu Genre, ohne daraus etwas Bedeutungsvolles entstehen zu lassen. Einzelne Passagen und Songs wie etwa die zackige Prog-Nummer „G“ oder der abschließende Titeltrack, ein hörbar galgenhumoristisches Piano-Instrumentalstück, sind zwar durchaus gelungen. Über weite Strecken gestalten die Tracks sich jedoch nicht so bahnbrechend, wie AVENGED SEVENFOLD es sich wohl vorgenommen haben, und sowohl die dünne, chaotische Produktion als auch Shadows‘ Vocals lassen zu wünschen übrig. Ironischerweise ist „Life Is But A Dream…“ somit der ideale Soundtrack zu einer Midlife-Crisis, gegen die gerade Camus‘ Ideen eigentlich Abhilfe verschaffen sollten.

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Wertung: 3 / 10

Publiziert am von Stephan Rajchl

7 Kommentare zu “Avenged Sevenfold – Life Is But A Dream…

  1. Ich musste doch mehrfach schmunzeln während des Lesens…
    In einigen Punkten ist die Kritik absolut berechtigt (Gesangsleistung,Produktion).
    „The Stage“ wurde hier gefeiert und ich fands furchtbar, auch nach mehrfachem durchquälen.
    Die neue Scheibe hingegen ist weniger Pink Floyd sondern komplett durcheinander. Und gerade das hat irgendwie seinen Reiz. Es scheint so willkürlich wie Pulp Fiction beim ersten Durchlauf, macht aber in seinem Chaos irgendwie Spaß.
    Es ist ein bisschen wie bei Zeal&Ardor. Man hat keine Ahnung was als nächstes kommt, ist dann kurz verwirrt aber letztendlich macht es doch irgendwie Sinn. Und vor allem Spaß.
    Ganz persönliche Meinung: die beste Platte nach „City of Evil“ und „Nightmare“
    Bonuspunkte für die Eier die es braucht sich ständig neu zu erfinden, auch wenn es teilweise seltsame Auswüchse mit sich bringt^^

    1. Haha, schön, dass mein Text für Amüsement sorgt. :D
      Was fandest du denn an „The Stage“ so furchtbar? Was ich daran gut finde, habe ich ja bereits in meinem Review dargelegt.
      „City Of Evil“ und insbesondere „Nightmare“ finde ich aber auch richtig stark, zumindest da sind wir also einer Meinung. ;)
      Den Rest sehe ich halt wirklich anders – Pulp Fiction und Zeal & Ardor ergeben als Gesamtkunstwerke Sinn, „Life Is But A Dream…“ ist aus meiner Sicht hingegen ein heilloses Durcheinander, das man allenfalls mit viel gutem Willen noch so interpretieren könnte, dass dieses Chaos ein Ausdruck der Sinnlosigkeit der Existenz sein soll – aber selbst dann wären die einzelnen Stücke jeweils für sich genommen nicht gerade gelungen. Man kann Chaos auch gut klingen lassen.
      Und ich finde es zwar auch immer interessanter, wenn eine Band etwas völlig Neues probiert, anstatt sich oder andere zu wiederholen (*hust* „Hail To The King“ *hust*), aber das heißt halt nicht automatisch, dass das Ergebnis hörenswert ist.
      Aber schön, dass du damit deinen Spaß hast!

      1. Jeder Song für sich genommen; da hast du absolut recht.
        Ich war nach den Vor-veröffentlichten Singles auch ziemlich verwirrt/enttäuscht.
        Irgendwie ist die Summe des Chaos für mich stimmig, ich bekomms nicht besser auf den Punkt gebracht.
        „The Stage“ , da kann ich es nicht an einem Punkt festmachen. Nachdem sie Metallica gecovert haben war eben Pink Floyd dran.
        Es wirkt, als würden AS jede Schublade einmal abfahren. Metalcore als Teenager, dann mit „City…“ den HairMetal auf die Spitze treiben, dann klassischen Metal(lica), dann alten Prog…und zwischendurch mit Nightmare ein grandioses Album um zu zeigen was sie eigtl können. Und nun eben Zeal&Ordar auf Pilzen (und ein bisschen Acid für die bunten Farben)…

        Aber ich mag deinen Camu-Vergleich! Sehr gelungen!

  2. Vielleicht interpretiere ich da zu viel rein, aber abgesehen davon, dass ich die Kritik an der Produktion und am Gesang nicht teilen kann habe ich den Eindruck, dass die Rezensionen über das Album Parallelen zum Gerichtsverfahren von Meursault aufweisen, was das Ganze schon wieder auf eine ganz andere Ebene bringen würde. Aber wie gesagt, vielleicht interpretiere ich da zu viel rein und suche einen Sinn, den es nicht gibt? Die Zeit wird es wohl zeigen und vielleicht gibst Du den Album irgendwann auch noch mal ein zweite Chance, da ich sonst des öfteren Deine Meinung teilen kann;)

    1. Haha, in deinem Kommentar steckt nun offenbar auch einiges an Ironie. :D
      Ich bin jedenfalls durchaus freigiebig mit zweiten Chancen – es wäre nicht das erste Mal, dass ich nach einer Weile meine Meinung ändere. Aber in diesem Fall halte ich es doch für eher unwahrscheinlich. Bahnbrechende Alben werden anfangs freilich oft nicht verstanden und erst mit der Zeit als Meilensteine erkannt, aber ich bezweifle, dass ein solcher hier vorliegt, weil eben nichts an dem Album per se wirklich revolutionär ist. Und der Gesang und die Produktion sind natürlich Geschmackssache, aber ich finde wirklich, dass Shadows hier oft heiser und schwachbrüstig klingt und dass der Sound blechern klingt und Wucht und Balance vermissen lässt. Damit bin ich offenbar auch nicht alleine (wobei ich auch nicht sagen würde, dass die Mehrheit notwendigerweise Recht hat).
      Freut mich jedenfalls, dass du meine Meinung ansonsten schätzt. Wobei es ja auch nicht schlimm ist, in einer Geschmacksfrage mal anderer Meinung zu sein. :)

  3. Also mir gefällt das Album richtig gut und halte es sogar für ein herausragendes in ihrer Diskographie aber das muss ja jeder für sich selber ausmachen. Was ich mich aber frage, die letzten Zwei Sätze dieser Rezension, sollen die das Thema des Absurden nochmal aufnehmen, ich habe mir den Kopf zermürbt, darin einen Sinn zu erkennen und habe es am Ende mal einfach so hingenommen, da ich mich wegen der Konfusion nicht gleich umbringen und den Rezensenten aber auch nicht als Propheten ansehen wollte?!?

    1. Hi!
      Zuerst mal danke, dass du mein Review gelesen hast und dich offenbar nicht über meine doch rechte harsche Beurteilung ärgerst. Ich freue mich für dich, dass du dem Album mehr abgewinnen kannst als ich.

      Was genau an den letzten beiden Sätzen meines Textes unklar ist, erschließt sich mir aus deinem Kommentar zwar nicht ganz, aber ich erläutere einfach mal genauer, was ich gemeint habe: Ja, ich nehme damit Bezug auf Camus‘ Idee des „Absurden“. Vereinfacht formuliert geht es dabei ja um die Ironie der Suche nach dem Sinn einer Existenz, die sinnlos ist. Und dieser Sinnlosigkeit soll man laut Camus ins Auge schauen und sie schlichtweg akzeptieren. Menschen in einer Midlife-Crisis sind oft auf Sinnsuche, also wäre Camus für diese Menschen vielleicht eine hilfreiche Lektüre. Das Album klingt für mich nach einer solchen Midlife-Crisis, weil AS darauf meiner Meinung nach den Anschein erwecken, als seien sie mit ihrem typischen Stil nicht mehr zufrieden und auf der Suche nach etwas völlig Neuem, wobei sie jedoch bloß wahllos verschiedene Musikrichtungen zusammengeworfen haben. Zugleich ist das Album aber von Camus inspiriert. Darin steckt aus meiner Sicht die Ironie, die ich im Abschluss des Reviews erwähne.

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